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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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umlokten Kindskopf, mit dem jezigen Origi-
nale dem schwebenden Hypokratischen Gesichte
verglich, das schwarz und schreklich wie ein
Medusenhaupt in seine Jugend schauete. Er
schien noch in der lezten Minute den lezten
Blik auf das Gemählde geworfen zu haben,
denn er hing dagegen gekehrt und die Lampe
brannte dicht davor wie vor einem Altarblatte.
-- O die Leidenschaften sind die tückischen Re-
touschirer, die den blühenden Rafaelskopf der
Jugend mit den fortschreitenden Jahren auf-
frischen und durch immer härtere Züge ent-
stellen und verzerren, bis aus dem Engels-
haupt eine Höllenbreugeliche Larve geworden
ist. --

Der Arbeitstisch des Dichters, dieser Al-
tar des Apoll, war ein Stein, denn alles
vorräthige Holz, bis auf den abgelösten Rah-
men des Gemäldes, war längst bei seinen
nächtlichen Opfern zur Flamme verzehrt. Auf
diesem Steine lagen das rükgekehrte Trauer-

umlokten Kindskopf, mit dem jezigen Origi-
nale dem ſchwebenden Hypokratiſchen Geſichte
verglich, das ſchwarz und ſchreklich wie ein
Meduſenhaupt in ſeine Jugend ſchauete. Er
ſchien noch in der lezten Minute den lezten
Blik auf das Gemaͤhlde geworfen zu haben,
denn er hing dagegen gekehrt und die Lampe
brannte dicht davor wie vor einem Altarblatte.
— O die Leidenſchaften ſind die tuͤckiſchen Re-
touſchirer, die den bluͤhenden Rafaelskopf der
Jugend mit den fortſchreitenden Jahren auf-
friſchen und durch immer haͤrtere Zuͤge ent-
ſtellen und verzerren, bis aus dem Engels-
haupt eine Hoͤllenbreugeliche Larve geworden
iſt. —

Der Arbeitstiſch des Dichters, dieſer Al-
tar des Apoll, war ein Stein, denn alles
vorraͤthige Holz, bis auf den abgeloͤſten Rah-
men des Gemaͤldes, war laͤngſt bei ſeinen
naͤchtlichen Opfern zur Flamme verzehrt. Auf
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[139/0141] umlokten Kindskopf, mit dem jezigen Origi- nale dem ſchwebenden Hypokratiſchen Geſichte verglich, das ſchwarz und ſchreklich wie ein Meduſenhaupt in ſeine Jugend ſchauete. Er ſchien noch in der lezten Minute den lezten Blik auf das Gemaͤhlde geworfen zu haben, denn er hing dagegen gekehrt und die Lampe brannte dicht davor wie vor einem Altarblatte. — O die Leidenſchaften ſind die tuͤckiſchen Re- touſchirer, die den bluͤhenden Rafaelskopf der Jugend mit den fortſchreitenden Jahren auf- friſchen und durch immer haͤrtere Zuͤge ent- ſtellen und verzerren, bis aus dem Engels- haupt eine Hoͤllenbreugeliche Larve geworden iſt. — Der Arbeitstiſch des Dichters, dieſer Al- tar des Apoll, war ein Stein, denn alles vorraͤthige Holz, bis auf den abgeloͤſten Rah- men des Gemaͤldes, war laͤngſt bei ſeinen naͤchtlichen Opfern zur Flamme verzehrt. Auf dieſem Steine lagen das ruͤkgekehrte Trauer-

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/141>, abgerufen am 27.11.2024.