Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.inzwischen sah er so viel ein, daß er gerettet und in dem Hause, in welchem er sich befand, für ihn Nichts von dem Mädchen zu befürchten war. Er versuchte, da er sie mit verschränkten Armen auf dem Bett weinen sah, alles nur Mögliche, um sie zu beruhigen. Er nahm sich das kleine goldene Kreuz, ein Geschenk der treuen Mariane, seiner abgeschiedenen Braut, von der Brust; und indem er sich unter unendlichen Liebkosungen über sie neigte, hing er es ihr als sein Brautgeschenk, wie er es nannte, um den Hals. Er setzte sich, da sie in Thränen zerfloß und auf seine Worte nicht hörte, auf den Rand des Bettes nieder und sagte ihr, indem er ihre Hand bald streichelte, bald küßte, daß er bei ihrer Mutter am Morgen des nächsten Tages um sie anhalten wolle. Er beschrieb ihr, welch ein kleines Eigenthum, frei und unabhängig, er an dem Ufer der Aar besitze; eine Wohnung, bequem und geräumig genug, sie und auch ihre Mutter, wenn ihr Alter die Reise zulasse, darin aufzunehmen; Felder, Gärten, Wiesen und Weinberge; und einen alten ehrwürdigen Vater, der sie dankbar und liebreich daselbst, weil sie seinen Sohn gerettet, empfangen würde. Er schloß sie, da ihre Thränen in unendlichen Ergießungen auf das Bettkissen niederfloßen, in seine Arme und fragte sie, von Rührung selber ergriffen, was er ihr zu Leide gethan und ob sie ihm nicht vergeben könne. Er schwor ihr, daß Liebe für sie nie aus seinem Herzen weichen würde, und daß nur im Taumel wunderbar verwirrter Sinne eine Mischung von inzwischen sah er so viel ein, daß er gerettet und in dem Hause, in welchem er sich befand, für ihn Nichts von dem Mädchen zu befürchten war. Er versuchte, da er sie mit verschränkten Armen auf dem Bett weinen sah, alles nur Mögliche, um sie zu beruhigen. Er nahm sich das kleine goldene Kreuz, ein Geschenk der treuen Mariane, seiner abgeschiedenen Braut, von der Brust; und indem er sich unter unendlichen Liebkosungen über sie neigte, hing er es ihr als sein Brautgeschenk, wie er es nannte, um den Hals. Er setzte sich, da sie in Thränen zerfloß und auf seine Worte nicht hörte, auf den Rand des Bettes nieder und sagte ihr, indem er ihre Hand bald streichelte, bald küßte, daß er bei ihrer Mutter am Morgen des nächsten Tages um sie anhalten wolle. Er beschrieb ihr, welch ein kleines Eigenthum, frei und unabhängig, er an dem Ufer der Aar besitze; eine Wohnung, bequem und geräumig genug, sie und auch ihre Mutter, wenn ihr Alter die Reise zulasse, darin aufzunehmen; Felder, Gärten, Wiesen und Weinberge; und einen alten ehrwürdigen Vater, der sie dankbar und liebreich daselbst, weil sie seinen Sohn gerettet, empfangen würde. Er schloß sie, da ihre Thränen in unendlichen Ergießungen auf das Bettkissen niederfloßen, in seine Arme und fragte sie, von Rührung selber ergriffen, was er ihr zu Leide gethan und ob sie ihm nicht vergeben könne. Er schwor ihr, daß Liebe für sie nie aus seinem Herzen weichen würde, und daß nur im Taumel wunderbar verwirrter Sinne eine Mischung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033"/> inzwischen sah er so viel ein, daß er gerettet und in dem Hause, in welchem er sich befand, für ihn Nichts von dem Mädchen zu befürchten war. Er versuchte, da er sie mit verschränkten Armen auf dem Bett weinen sah, alles nur Mögliche, um sie zu beruhigen. Er nahm sich das kleine goldene Kreuz, ein Geschenk der treuen Mariane, seiner abgeschiedenen Braut, von der Brust; und indem er sich unter unendlichen Liebkosungen über sie neigte, hing er es ihr als sein Brautgeschenk, wie er es nannte, um den Hals. Er setzte sich, da sie in Thränen zerfloß und auf seine Worte nicht hörte, auf den Rand des Bettes nieder und sagte ihr, indem er ihre Hand bald streichelte, bald küßte, daß er bei ihrer Mutter am Morgen des nächsten Tages um sie anhalten wolle. Er beschrieb ihr, welch ein kleines Eigenthum, frei und unabhängig, er an dem Ufer der Aar besitze; eine Wohnung, bequem und geräumig genug, sie und auch ihre Mutter, wenn ihr Alter die Reise zulasse, darin aufzunehmen; Felder, Gärten, Wiesen und Weinberge; und einen alten ehrwürdigen Vater, der sie dankbar und liebreich daselbst, weil sie seinen Sohn gerettet, empfangen würde. Er schloß sie, da ihre Thränen in unendlichen Ergießungen auf das Bettkissen niederfloßen, in seine Arme und fragte sie, von Rührung selber ergriffen, was er ihr zu Leide gethan und ob sie ihm nicht vergeben könne. Er schwor ihr, daß Liebe für sie nie aus seinem Herzen weichen würde, und daß nur im Taumel wunderbar verwirrter Sinne eine Mischung von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
inzwischen sah er so viel ein, daß er gerettet und in dem Hause, in welchem er sich befand, für ihn Nichts von dem Mädchen zu befürchten war. Er versuchte, da er sie mit verschränkten Armen auf dem Bett weinen sah, alles nur Mögliche, um sie zu beruhigen. Er nahm sich das kleine goldene Kreuz, ein Geschenk der treuen Mariane, seiner abgeschiedenen Braut, von der Brust; und indem er sich unter unendlichen Liebkosungen über sie neigte, hing er es ihr als sein Brautgeschenk, wie er es nannte, um den Hals. Er setzte sich, da sie in Thränen zerfloß und auf seine Worte nicht hörte, auf den Rand des Bettes nieder und sagte ihr, indem er ihre Hand bald streichelte, bald küßte, daß er bei ihrer Mutter am Morgen des nächsten Tages um sie anhalten wolle. Er beschrieb ihr, welch ein kleines Eigenthum, frei und unabhängig, er an dem Ufer der Aar besitze; eine Wohnung, bequem und geräumig genug, sie und auch ihre Mutter, wenn ihr Alter die Reise zulasse, darin aufzunehmen; Felder, Gärten, Wiesen und Weinberge; und einen alten ehrwürdigen Vater, der sie dankbar und liebreich daselbst, weil sie seinen Sohn gerettet, empfangen würde. Er schloß sie, da ihre Thränen in unendlichen Ergießungen auf das Bettkissen niederfloßen, in seine Arme und fragte sie, von Rührung selber ergriffen, was er ihr zu Leide gethan und ob sie ihm nicht vergeben könne. Er schwor ihr, daß Liebe für sie nie aus seinem Herzen weichen würde, und daß nur im Taumel wunderbar verwirrter Sinne eine Mischung von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/33 |
Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/33>, abgerufen am 16.02.2025. |