Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.im Bett aufrichtete. Sie nahm die Kleider, welche die Alte in der Hand hielt, und sprach: Ist er auch allein, Mutter? Und haben wir, wenn wir ihn einlassen, Nichts zu befürchten? -- Nichts, Nichts! versetzte die Alte, indem sie Licht anmachte: er ist ohne Waffen und allein, und Furcht, daß wir über ihn herfallen möchten, zittert in allen seinen Gebeinen! -- Und damit, während Toni aufstand und sich Rock und Strümpfe anzog, zündete sie die große Laterne an, die in dem Winkel des Zimmers stand, band dem Mädchen geschwind das Haar nach der Landesart über dem Kopf zusammen, bedeckte sie, nachdem sie ihr den Latz zugeschnürt hatte, mit einem Hut, gab ihr die Laterne in die Hand und befahl ihr auf den Hof hinabzugehen und den Fremden herein zu holen. Inzwischen war auf das Gebell einiger Hofhunde ein Knabe, Namens Nanky, den Hoango auf unehelichem Wege mit einer Negerin erzeugt hatte, und der mit seinem Bruder Seppy in den Nebengebäuden schlief, erwacht; und da er beim Schein des Mondes einen einzelnen Mann auf der hinteren Treppe des Hauses stehen sah, so eilte er sogleich, wie er in solchen Fällen angewiesen war, nach dem Hofthor, durch welches derselbe hereingekommen war, um es zu verschließen. Der Fremde, der nicht begriff, was diese Anstalten zu bedeuten hatten, fragte den Knaben, den er mit Entsetzen, als er ihm nahe stand, für einen Negerknaben erkannte: wer in dieser Niederlassung wohne? Und schon war er auf die im Bett aufrichtete. Sie nahm die Kleider, welche die Alte in der Hand hielt, und sprach: Ist er auch allein, Mutter? Und haben wir, wenn wir ihn einlassen, Nichts zu befürchten? — Nichts, Nichts! versetzte die Alte, indem sie Licht anmachte: er ist ohne Waffen und allein, und Furcht, daß wir über ihn herfallen möchten, zittert in allen seinen Gebeinen! — Und damit, während Toni aufstand und sich Rock und Strümpfe anzog, zündete sie die große Laterne an, die in dem Winkel des Zimmers stand, band dem Mädchen geschwind das Haar nach der Landesart über dem Kopf zusammen, bedeckte sie, nachdem sie ihr den Latz zugeschnürt hatte, mit einem Hut, gab ihr die Laterne in die Hand und befahl ihr auf den Hof hinabzugehen und den Fremden herein zu holen. Inzwischen war auf das Gebell einiger Hofhunde ein Knabe, Namens Nanky, den Hoango auf unehelichem Wege mit einer Negerin erzeugt hatte, und der mit seinem Bruder Seppy in den Nebengebäuden schlief, erwacht; und da er beim Schein des Mondes einen einzelnen Mann auf der hinteren Treppe des Hauses stehen sah, so eilte er sogleich, wie er in solchen Fällen angewiesen war, nach dem Hofthor, durch welches derselbe hereingekommen war, um es zu verschließen. Der Fremde, der nicht begriff, was diese Anstalten zu bedeuten hatten, fragte den Knaben, den er mit Entsetzen, als er ihm nahe stand, für einen Negerknaben erkannte: wer in dieser Niederlassung wohne? Und schon war er auf die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013"/> im Bett aufrichtete. Sie nahm die Kleider, welche die Alte in der Hand hielt, und sprach: Ist er auch allein, Mutter? Und haben wir, wenn wir ihn einlassen, Nichts zu befürchten? — Nichts, Nichts! versetzte die Alte, indem sie Licht anmachte: er ist ohne Waffen und allein, und Furcht, daß wir über ihn herfallen möchten, zittert in allen seinen Gebeinen! — Und damit, während Toni aufstand und sich Rock und Strümpfe anzog, zündete sie die große Laterne an, die in dem Winkel des Zimmers stand, band dem Mädchen geschwind das Haar nach der Landesart über dem Kopf zusammen, bedeckte sie, nachdem sie ihr den Latz zugeschnürt hatte, mit einem Hut, gab ihr die Laterne in die Hand und befahl ihr auf den Hof hinabzugehen und den Fremden herein zu holen.</p><lb/> <p>Inzwischen war auf das Gebell einiger Hofhunde ein Knabe, Namens Nanky, den Hoango auf unehelichem Wege mit einer Negerin erzeugt hatte, und der mit seinem Bruder Seppy in den Nebengebäuden schlief, erwacht; und da er beim Schein des Mondes einen einzelnen Mann auf der hinteren Treppe des Hauses stehen sah, so eilte er sogleich, wie er in solchen Fällen angewiesen war, nach dem Hofthor, durch welches derselbe hereingekommen war, um es zu verschließen. Der Fremde, der nicht begriff, was diese Anstalten zu bedeuten hatten, fragte den Knaben, den er mit Entsetzen, als er ihm nahe stand, für einen Negerknaben erkannte: wer in dieser Niederlassung wohne? Und schon war er auf die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
im Bett aufrichtete. Sie nahm die Kleider, welche die Alte in der Hand hielt, und sprach: Ist er auch allein, Mutter? Und haben wir, wenn wir ihn einlassen, Nichts zu befürchten? — Nichts, Nichts! versetzte die Alte, indem sie Licht anmachte: er ist ohne Waffen und allein, und Furcht, daß wir über ihn herfallen möchten, zittert in allen seinen Gebeinen! — Und damit, während Toni aufstand und sich Rock und Strümpfe anzog, zündete sie die große Laterne an, die in dem Winkel des Zimmers stand, band dem Mädchen geschwind das Haar nach der Landesart über dem Kopf zusammen, bedeckte sie, nachdem sie ihr den Latz zugeschnürt hatte, mit einem Hut, gab ihr die Laterne in die Hand und befahl ihr auf den Hof hinabzugehen und den Fremden herein zu holen.
Inzwischen war auf das Gebell einiger Hofhunde ein Knabe, Namens Nanky, den Hoango auf unehelichem Wege mit einer Negerin erzeugt hatte, und der mit seinem Bruder Seppy in den Nebengebäuden schlief, erwacht; und da er beim Schein des Mondes einen einzelnen Mann auf der hinteren Treppe des Hauses stehen sah, so eilte er sogleich, wie er in solchen Fällen angewiesen war, nach dem Hofthor, durch welches derselbe hereingekommen war, um es zu verschließen. Der Fremde, der nicht begriff, was diese Anstalten zu bedeuten hatten, fragte den Knaben, den er mit Entsetzen, als er ihm nahe stand, für einen Negerknaben erkannte: wer in dieser Niederlassung wohne? Und schon war er auf die
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/13>, abgerufen am 28.07.2024. |