Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811. Eve. Drauf ich: Ei, was Herr Richter, Was will er auch so spät zu Nacht bei mir? "Je, Närrchen," spricht er -- Dreist heraus, sag' ich; Was hat er hier Glock zehn bei mir zu suchen? "Was ich Glock zehn bei dir zu suchen habe?" -- Ich sag', laß er die Hand mir weg! Was will er? -- "Ich glaube wohl, du bist verrückt," spricht er. "Warst du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir, Und wolltest ein Attest für Ruprecht haben?" Ob ich? -- Nun ja. -- "Nun gut. Das bring ich dir." Ich sagt's ihm ja, daß ich's mir holen wollte. -- "Bei meiner Treu! Die ist nicht recht gescheut. Ich muß Glock fünf Uhr morgen früh verreisen, Und ungewiß, wann ich zurücke kehre, Liefr' ich den Schein noch heut ihr in die Hände; Und sie, nichts fehlt, sie zeigt die Thüre mir; Sie will den Schein sich morgen bei mir holen." -- Wenn er verreisen will Glock fünf Uhr morgen -- Davon ja wußt' er heut noch nichts Glock eilf? "Ich sag's," spricht er, "die ist nicht recht bei Troste. Glock zwölf bekam ich heut die Ordre erst." -- Das ist was Anderes, das wußt' ich nicht. "Du hörst es ja," spricht er. -- Gut, gut, Herr Richter. So dank' ich herzlich ihm für seine Mühe. Verzeih er mir. Wo hat er das Attest? Eve. Drauf ich: Ei, was Herr Richter, Was will er auch ſo ſpaͤt zu Nacht bei mir? „Je, Naͤrrchen,“ ſpricht er — Dreiſt heraus, ſag’ ich; Was hat er hier Glock zehn bei mir zu ſuchen? „Was ich Glock zehn bei dir zu ſuchen habe?“ — Ich ſag’, laß er die Hand mir weg! Was will er? — „Ich glaube wohl, du biſt verruͤckt,“ ſpricht er. „Warſt du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir, Und wollteſt ein Atteſt fuͤr Ruprecht haben?“ Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.“ Ich ſagt’s ihm ja, daß ich’s mir holen wollte. — „Bei meiner Treu! Die iſt nicht recht geſcheut. Ich muß Glock fuͤnf Uhr morgen fruͤh verreiſen, Und ungewiß, wann ich zuruͤcke kehre, Liefr’ ich den Schein noch heut ihr in die Haͤnde; Und ſie, nichts fehlt, ſie zeigt die Thuͤre mir; Sie will den Schein ſich morgen bei mir holen.“ — Wenn er verreiſen will Glock fuͤnf Uhr morgen — Davon ja wußt’ er heut noch nichts Glock eilf? „Ich ſag’s,“ ſpricht er, „die iſt nicht recht bei Troſte. Glock zwoͤlf bekam ich heut die Ordre erſt.“ — Das iſt was Anderes, das wußt’ ich nicht. „Du hoͤrſt es ja,“ ſpricht er. — Gut, gut, Herr Richter. So dank’ ich herzlich ihm fuͤr ſeine Muͤhe. Verzeih er mir. Wo hat er das Atteſt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0164" n="158"/> <sp who="#EVE"> <speaker> <hi rendition="#g">Eve.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Drauf ich: Ei, was Herr Richter,</hi><lb/> Was will er auch ſo ſpaͤt zu Nacht bei mir?<lb/> „Je, Naͤrrchen,“ ſpricht er — Dreiſt heraus, ſag’ ich;<lb/> Was hat er hier Glock zehn bei mir zu ſuchen?<lb/> „Was ich Glock zehn bei dir zu ſuchen habe?“ —<lb/> Ich ſag’, laß er die Hand mir weg! Was will er? —<lb/> „Ich glaube wohl, du biſt verruͤckt,“ ſpricht er.<lb/> „Warſt du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir,<lb/> Und wollteſt ein Atteſt fuͤr Ruprecht haben?“<lb/> Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.“<lb/> Ich ſagt’s ihm ja, daß ich’s mir holen wollte. —<lb/> „Bei meiner Treu! Die iſt nicht recht geſcheut.<lb/> Ich muß Glock fuͤnf Uhr morgen fruͤh verreiſen,<lb/> Und ungewiß, wann ich zuruͤcke kehre,<lb/> Liefr’ ich den Schein noch heut ihr in die Haͤnde;<lb/> Und ſie, nichts fehlt, ſie zeigt die Thuͤre mir;<lb/> Sie will den Schein ſich morgen bei mir holen.“ —<lb/> Wenn er verreiſen will Glock fuͤnf Uhr morgen —<lb/> Davon ja wußt’ er heut noch nichts Glock eilf?<lb/> „Ich ſag’s,“ ſpricht er, „die iſt nicht recht bei Troſte.<lb/> Glock zwoͤlf bekam ich heut die Ordre erſt.“ —<lb/> Das iſt was Anderes, das wußt’ ich nicht.<lb/> „Du hoͤrſt es ja,“ ſpricht er. — Gut, gut, Herr Richter.<lb/> So dank’ ich herzlich ihm fuͤr ſeine Muͤhe.<lb/> Verzeih er mir. Wo hat er das Atteſt?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0164]
Eve.
Drauf ich: Ei, was Herr Richter,
Was will er auch ſo ſpaͤt zu Nacht bei mir?
„Je, Naͤrrchen,“ ſpricht er — Dreiſt heraus, ſag’ ich;
Was hat er hier Glock zehn bei mir zu ſuchen?
„Was ich Glock zehn bei dir zu ſuchen habe?“ —
Ich ſag’, laß er die Hand mir weg! Was will er? —
„Ich glaube wohl, du biſt verruͤckt,“ ſpricht er.
„Warſt du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir,
Und wollteſt ein Atteſt fuͤr Ruprecht haben?“
Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.“
Ich ſagt’s ihm ja, daß ich’s mir holen wollte. —
„Bei meiner Treu! Die iſt nicht recht geſcheut.
Ich muß Glock fuͤnf Uhr morgen fruͤh verreiſen,
Und ungewiß, wann ich zuruͤcke kehre,
Liefr’ ich den Schein noch heut ihr in die Haͤnde;
Und ſie, nichts fehlt, ſie zeigt die Thuͤre mir;
Sie will den Schein ſich morgen bei mir holen.“ —
Wenn er verreiſen will Glock fuͤnf Uhr morgen —
Davon ja wußt’ er heut noch nichts Glock eilf?
„Ich ſag’s,“ ſpricht er, „die iſt nicht recht bei Troſte.
Glock zwoͤlf bekam ich heut die Ordre erſt.“ —
Das iſt was Anderes, das wußt’ ich nicht.
„Du hoͤrſt es ja,“ ſpricht er. — Gut, gut, Herr Richter.
So dank’ ich herzlich ihm fuͤr ſeine Muͤhe.
Verzeih er mir. Wo hat er das Atteſt?
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