Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
spricht er -- Was? -- "Den Helm! Den Harnisch! Das Schwerdt!" -- Wo willst du hin? fragt die Mut- ter. "Zu ihr," spricht er; "zu ihr! So! so! so!" und sinkt zurück; "Ade, Mutter Ade!" streckt alle Glieder von sich, und liegt wie todt. Kunigunde. Todt? Rosalie. Todt, ja! Kunigunde. Sie meint, einem Todten gleich. Rosalie. Sie sagt, todt! Stört sie nicht. -- Nun? Brigitte. Wir horchten an seiner Brust: es war so still darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward ihm vorgehalten, seinen Athem zu prüfen: sie rührte sich nicht. Der Arzt meinte in der That, sein Geist habe ihn verlassen; rief ihm ängstlich seinen Namen ins Ohr; reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerü- chen; reizt' ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm ein Haar aus, daß sich das Blut zeigte; vergebens: er bewegte kein Glied und lag, wie todt. Kunigunde. Nun? Darauf? [6]
ſpricht er — Was? — „Den Helm! Den Harniſch! Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mut- ter. „Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“ und ſinkt zurück; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle Glieder von ſich, und liegt wie todt. Kunigunde. Todt? Roſalie. Todt, ja! Kunigunde. Sie meint, einem Todten gleich. Roſalie. Sie ſagt, todt! Stört ſie nicht. — Nun? Brigitte. Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu prüfen: ſie rührte ſich nicht. Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt habe ihn verlaſſen; rief ihm ängſtlich ſeinen Namen ins Ohr; reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerü- chen; reizt' ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens: er bewegte kein Glied und lag, wie todt. Kunigunde. Nun? Darauf? [6]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BRI"> <p><pb facs="#f0087" n="81"/> ſpricht er — Was? — „Den Helm! Den Harniſch!<lb/> Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mut-<lb/> ter. „Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“<lb/> und ſinkt zurück; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle<lb/> Glieder von ſich, und liegt wie todt.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker><hi rendition="#g">Kunigunde</hi>.</speaker><lb/> <p>Todt?</p> </sp><lb/> <sp who="#ROS"> <speaker><hi rendition="#g">Roſalie</hi>.</speaker><lb/> <p>Todt, ja!</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker><hi rendition="#g">Kunigunde</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie meint, einem Todten gleich.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROS"> <speaker><hi rendition="#g">Roſalie</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie ſagt, todt! Stört ſie nicht. — Nun?</p> </sp><lb/> <sp who="#BRI"> <speaker><hi rendition="#g">Brigitte</hi>.</speaker><lb/> <p>Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill<lb/> darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward<lb/> ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu prüfen: ſie rührte<lb/> ſich nicht. Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt<lb/> habe ihn verlaſſen; rief ihm ängſtlich ſeinen Namen<lb/> ins Ohr; reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerü-<lb/> chen; reizt' ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm<lb/> ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens:<lb/> er bewegte kein Glied und lag, wie todt.</p> </sp><lb/> <sp who="#KUN"> <speaker><hi rendition="#g">Kunigunde</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun? Darauf?</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">[6]</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0087]
ſpricht er — Was? — „Den Helm! Den Harniſch!
Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mut-
ter. „Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“
und ſinkt zurück; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle
Glieder von ſich, und liegt wie todt.
Kunigunde.
Todt?
Roſalie.
Todt, ja!
Kunigunde.
Sie meint, einem Todten gleich.
Roſalie.
Sie ſagt, todt! Stört ſie nicht. — Nun?
Brigitte.
Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill
darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward
ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu prüfen: ſie rührte
ſich nicht. Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt
habe ihn verlaſſen; rief ihm ängſtlich ſeinen Namen
ins Ohr; reizt' ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerü-
chen; reizt' ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm
ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens:
er bewegte kein Glied und lag, wie todt.
Kunigunde.
Nun? Darauf?
[6]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/87 |
Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/87>, abgerufen am 23.07.2024. |