Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die ser-
mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die ſer-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="48"/> mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die<lb/><choice><sic>Senfzer</sic><corr>Seufzer</corr></choice>, die meiner, von Gram ſehr gepreßten, Bruſt<lb/> entquillen, gradaus zu der guten Götter Ohr empor<lb/> zu tragen. Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine<lb/> Mutterſprache durchblättern, und das ganze, reiche<lb/> Kapitel, das dieſe Ueberſchrift führt: Empfindung,<lb/> dergeſtalt plündern, daß kein Reimſchmidt mehr, auf<lb/> eine neue Art, ſoll ſagen können: ich bin betrübt.<lb/> Alles, was die Wehmuth Rührendes hat, will ich auf-<lb/> bieten, Luſt und in den Tod gehende Betrübniß ſollen<lb/> ſich abwechſeln, und meine Stimme, wie einen ſchönen<lb/> Tänzer, durch alle Beugungen hindurch führen, die<lb/> die Seele bezaubern; und wenn die Bäume nicht in<lb/> der That bewegt werden, und ihren milden Thau, als<lb/> ob es geregnet hätte, herabträufeln laſſen, ſo ſind ſie<lb/> von Holz, und Alles, was uns die Dichter von ihnen<lb/> ſagen, ein bloßes liebliches Mährchen. O du — — —<lb/> wie nenn ich dich? Käthchen! Warum kann ich dich<lb/> nicht mein nennen? Käthchen, Mädchen, Käthchen!<lb/> Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum<lb/> kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende<lb/> Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im<lb/> Prunkgemach, aufgerichtet hat? Käthchen, Käthchen,<lb/> Käthchen! Du, deren junge Seele, als ſie heut nackt<lb/> vor mir ſtand, von wollüſtiger Schönheit gänzlich<lb/> triefte, wie die mit Oelen geſalbte Braut eines Per-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſer-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0054]
mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die
Seufzer, die meiner, von Gram ſehr gepreßten, Bruſt
entquillen, gradaus zu der guten Götter Ohr empor
zu tragen. Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine
Mutterſprache durchblättern, und das ganze, reiche
Kapitel, das dieſe Ueberſchrift führt: Empfindung,
dergeſtalt plündern, daß kein Reimſchmidt mehr, auf
eine neue Art, ſoll ſagen können: ich bin betrübt.
Alles, was die Wehmuth Rührendes hat, will ich auf-
bieten, Luſt und in den Tod gehende Betrübniß ſollen
ſich abwechſeln, und meine Stimme, wie einen ſchönen
Tänzer, durch alle Beugungen hindurch führen, die
die Seele bezaubern; und wenn die Bäume nicht in
der That bewegt werden, und ihren milden Thau, als
ob es geregnet hätte, herabträufeln laſſen, ſo ſind ſie
von Holz, und Alles, was uns die Dichter von ihnen
ſagen, ein bloßes liebliches Mährchen. O du — — —
wie nenn ich dich? Käthchen! Warum kann ich dich
nicht mein nennen? Käthchen, Mädchen, Käthchen!
Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum
kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende
Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im
Prunkgemach, aufgerichtet hat? Käthchen, Käthchen,
Käthchen! Du, deren junge Seele, als ſie heut nackt
vor mir ſtand, von wollüſtiger Schönheit gänzlich
triefte, wie die mit Oelen geſalbte Braut eines Per-
ſer-
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