Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810. Theobald. Geh' hin, wo man dich ruft. Käthchen (zu den Richtern, da sich ihr die Häscher nähern). Was wollt ihr mir? Wenzel. Saht ihr ein Kind, so störrig je, als dies? Graf Otto (da sie vor der Schranke steht). Du sollst hier Antwort geben, kurz und bündig, Auf unsre Fragen! Denn wir, von unserem Gewissen eingesetzt, sind deine Richter, Und an der Strafe, wenn du freveltest, Wird's deine übermüth'ge Seele fühlen. Käthchen. Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wissen? Graf Otto. Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erschien, In deines Vaters Haus, bist du zu Füßen, Wie man vor Gott thut, nieder ihm gestürzt? Warum warfst du, als er von dannen ritt, Dich aus dem Fenster sinnlos auf die Straße, Und folgtest ihm, da kaum dein Bein vernarbt, Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und Nebel, Wohin sein Roß den Fußtritt wendete? Käthchen (hochroth zum Grafen). Das soll ich hier vor diesen Männern sagen? Theobald. Geh' hin, wo man dich ruft. Käthchen (zu den Richtern, da ſich ihr die Häſcher nähern). Was wollt ihr mir? Wenzel. Saht ihr ein Kind, ſo ſtörrig je, als dies? Graf Otto (da ſie vor der Schranke ſteht). Du ſollſt hier Antwort geben, kurz und bündig, Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſerem Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter, Und an der Strafe, wenn du frevelteſt, Wird's deine übermüth'ge Seele fühlen. Käthchen. Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen? Graf Otto. Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien, In deines Vaters Haus, biſt du zu Füßen, Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtürzt? Warum warfſt du, als er von dannen ritt, Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße, Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt, Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und Nebel, Wohin ſein Roß den Fußtritt wendete? Käthchen (hochroth zum Grafen). Das ſoll ich hier vor dieſen Männern ſagen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" n="28"/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/> <p>Geh' hin, wo man dich ruft.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker> <hi rendition="#g">Käthchen</hi> </speaker> <stage>(zu den Richtern, da ſich ihr die Häſcher nähern).</stage><lb/> <p>Was wollt ihr mir?</p> </sp><lb/> <sp who="#WEN"> <speaker><hi rendition="#g">Wenzel</hi>.</speaker><lb/> <p>Saht ihr ein Kind, ſo ſtörrig je, als dies?</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker> <hi rendition="#g">Graf Otto</hi> </speaker> <stage>(da ſie vor der Schranke ſteht).</stage><lb/> <p>Du ſollſt hier Antwort geben, kurz und bündig,<lb/> Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſerem<lb/> Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter,<lb/> Und an der Strafe, wenn du frevelteſt,<lb/> Wird's deine übermüth'ge Seele fühlen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker><hi rendition="#g">Käthchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen?</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Graf Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien,<lb/> In deines Vaters Haus, biſt du zu Füßen,<lb/> Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtürzt?<lb/> Warum warfſt du, als er von dannen ritt,<lb/> Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße,<lb/> Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt,<lb/> Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und<lb/> Nebel,<lb/> Wohin ſein Roß den Fußtritt wendete?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker> <hi rendition="#g">Käthchen</hi> </speaker> <stage>(hochroth zum Grafen).</stage><lb/> <p>Das ſoll ich hier vor dieſen Männern ſagen?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0034]
Theobald.
Geh' hin, wo man dich ruft.
Käthchen (zu den Richtern, da ſich ihr die Häſcher nähern).
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Wenzel.
Saht ihr ein Kind, ſo ſtörrig je, als dies?
Graf Otto (da ſie vor der Schranke ſteht).
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Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſerem
Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter,
Und an der Strafe, wenn du frevelteſt,
Wird's deine übermüth'ge Seele fühlen.
Käthchen.
Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen?
Graf Otto.
Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien,
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Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtürzt?
Warum warfſt du, als er von dannen ritt,
Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße,
Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt,
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/34>, abgerufen am 16.07.2024. |