Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810. Graf Otto. Du, Närrinn, jüngst der Nabelschnur entlau- fen, Woher kommt die prophet'sche Kunde dir? Welch ein Apostel hat dir das vertraut? Theobald. Seht die Unseelige! Käthchen (da sie den Vater erblickt, auf ihn zugehend). Mein theurer Vater! (sie will seine Hand ergreifen). Theobald (streng). Dort ist der Ort jetzt, wo du hingehörst! Käthchen. Weis' mich nicht von dir. (sie faßt seine Hand und küßt sie). Theobald. -- Kennst du das Haar noch wieder, Das deine Flucht mir jüngsthin grau gefärbt? Käthchen. Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte, Wie seine Locken fallen. Sei geduldig, Und gieb dich nicht unmäß'gem Grame Preis: Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann, So sollst du wieder wie ein Jüngling blühn. Graf Otto. Ihr Häscher dort! ergreift sie! bringt sie her! Graf Otto. Du, Närrinn, jüngſt der Nabelſchnur entlau- fen, Woher kommt die prophet'ſche Kunde dir? Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut? Theobald. Seht die Unſeelige! Käthchen (da ſie den Vater erblickt, auf ihn zugehend). Mein theurer Vater! (ſie will ſeine Hand ergreifen). Theobald (ſtreng). Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehörſt! Käthchen. Weiſ' mich nicht von dir. (ſie faßt ſeine Hand und küßt ſie). Theobald. — Kennſt du das Haar noch wieder, Das deine Flucht mir jüngſthin grau gefärbt? Käthchen. Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte, Wie ſeine Locken fallen. Sei geduldig, Und gieb dich nicht unmäß'gem Grame Preis: Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann, So ſollſt du wieder wie ein Jüngling blühn. Graf Otto. Ihr Häſcher dort! ergreift ſie! bringt ſie her! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0033" n="27"/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Graf Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Du, Närrinn, jüngſt der Nabelſchnur entlau-<lb/> fen,<lb/> Woher kommt die prophet'ſche Kunde dir?<lb/> Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut?</p> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/> <p>Seht die Unſeelige!</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker> <hi rendition="#g">Käthchen</hi> </speaker> <stage>(da ſie den Vater erblickt, auf ihn zugehend).</stage><lb/> <p>Mein theurer Vater!</p><lb/> <stage>(ſie will ſeine Hand ergreifen).</stage> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker> <hi rendition="#g">Theobald</hi> </speaker> <stage>(ſtreng).</stage><lb/> <p>Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehörſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker><hi rendition="#g">Käthchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Weiſ' mich nicht von dir.</p><lb/> <stage>(ſie faßt ſeine Hand und küßt ſie).</stage> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/> <p>— Kennſt du das Haar noch wieder,<lb/> Das deine Flucht mir jüngſthin grau gefärbt?</p> </sp><lb/> <sp who="#KAET"> <speaker><hi rendition="#g">Käthchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte,<lb/> Wie ſeine Locken fallen. Sei geduldig,<lb/> Und gieb dich nicht unmäß'gem Grame Preis:<lb/> Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann,<lb/> So ſollſt du wieder wie ein Jüngling blühn.</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Graf Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr Häſcher dort! ergreift ſie! bringt ſie her!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0033]
Graf Otto.
Du, Närrinn, jüngſt der Nabelſchnur entlau-
fen,
Woher kommt die prophet'ſche Kunde dir?
Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut?
Theobald.
Seht die Unſeelige!
Käthchen (da ſie den Vater erblickt, auf ihn zugehend).
Mein theurer Vater!
(ſie will ſeine Hand ergreifen).
Theobald (ſtreng).
Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehörſt!
Käthchen.
Weiſ' mich nicht von dir.
(ſie faßt ſeine Hand und küßt ſie).
Theobald.
— Kennſt du das Haar noch wieder,
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Käthchen.
Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte,
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/33>, abgerufen am 16.02.2025. |