Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810. Graf Otto. Und wie erklärt ihr euch diesen sonderbaren Um- stand? Der Graf vom Strahl. Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der Teufel sein Spiel mit ihr treibt, so braucht er mich dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich sein, holt er den Nußkern für mich. Wollt ihr meinem Wort schlechthin, wies die heilige Schrift vorschreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo nicht, so will ich nach Worms, und den Kaiser bit- ten, daß er den Theobald ordinire. Hier werf' ich ihm vorläufig meinen Handschuh hin! Graf Otto. Ihr sollt hier Rede stehn, auf unsre Frage! Womit rechtfertigt ihr, daß sie unter eurem Dache schläft? Sie, die in das Haus hingehört, wo sie ge- bohren und erzogen ward? Der Graf vom Strahl. Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen sein, auf einer Reise, die mich nach Straßburg führte, ermüdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand, eingeschlafen -- nicht im Traum gedacht ich des Mäd- chens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenster ge- stürzt war -- da liegt sie mir, wie ich erwache, gleich einer Rose, entschlummert zu Füßen; als ob sie vom [2]
Graf Otto. Und wie erklärt ihr euch dieſen ſonderbaren Um- ſtand? Der Graf vom Strahl. Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der Teufel ſein Spiel mit ihr treibt, ſo braucht er mich dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich ſein, holt er den Nußkern für mich. Wollt ihr meinem Wort ſchlechthin, wies die heilige Schrift vorſchreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo nicht, ſo will ich nach Worms, und den Kaiſer bit- ten, daß er den Theobald ordinire. Hier werf' ich ihm vorläufig meinen Handſchuh hin! Graf Otto. Ihr ſollt hier Rede ſtehn, auf unſre Frage! Womit rechtfertigt ihr, daß ſie unter eurem Dache ſchläft? Sie, die in das Haus hingehört, wo ſie ge- bohren und erzogen ward? Der Graf vom Strahl. Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen ſein, auf einer Reiſe, die mich nach Straßburg führte, ermüdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand, eingeſchlafen — nicht im Traum gedacht ich des Mäd- chens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenſter ge- ſtürzt war — da liegt ſie mir, wie ich erwache, gleich einer Roſe, entſchlummert zu Füßen; als ob ſie vom [2]
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Graf Otto.
Und wie erklärt ihr euch dieſen ſonderbaren Um-
ſtand?
Der Graf vom Strahl.
Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der
Teufel ſein Spiel mit ihr treibt, ſo braucht er mich
dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm
will ich ſein, holt er den Nußkern für mich. Wollt
ihr meinem Wort ſchlechthin, wies die heilige Schrift
vorſchreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo
nicht, ſo will ich nach Worms, und den Kaiſer bit-
ten, daß er den Theobald ordinire. Hier werf' ich
ihm vorläufig meinen Handſchuh hin!
Graf Otto.
Ihr ſollt hier Rede ſtehn, auf unſre Frage!
Womit rechtfertigt ihr, daß ſie unter eurem Dache
ſchläft? Sie, die in das Haus hingehört, wo ſie ge-
bohren und erzogen ward?
Der Graf vom Strahl.
Ich war, es mögen ohngefähr zwölf Wochen ſein,
auf einer Reiſe, die mich nach Straßburg führte,
ermüdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand,
eingeſchlafen — nicht im Traum gedacht ich des Mäd-
chens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenſter ge-
ſtürzt war — da liegt ſie mir, wie ich erwache, gleich
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/23>, abgerufen am 16.02.2025. |