Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
Flach schmettr' ich sie, wie einen Schweizerkäse, Der gährend auf dem Brett des Sennen liegt. Erlass', in deiner Huld und Gnade, mir, Ein Mährchen, aberwitzig, sinnverwirrt, Dir darzuthun, das sich das Volk aus zwei Ereignissen, zusammen seltsam freilich, Wie die zwei Hälften eines Ringes, passend, Mit müß'gem Scharfsin, an einandersetzte. Begreif', ich bitte dich, in deiner Weisheit, Den ganzen Vorfall der Sylvesternacht, Als ein Gebild des Fiebers, und so wenig Als es mich kümmern würde, träumtest du, Ich sei ein Jud', so wenig kümmre dich, Daß ich geras't, die Tochter jenes Mannes Sei meines hochverehrten Kaisers Kind! Erzbischof. Mein Fürst und Herr, mit diesem Wort, fürwahr, Kann sich des Klägers wackres Herz beruh'gen. Geheimer Wissenschaft, sein Weib betreffend, Rühmt er sich nicht; schau, was er der Mariane Jüngst, in geheimer Zwiesprach', vorgeschwatzt: Er hat es eben jetzo widerrufen! Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht, Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt. Er gab, vor einer Stund', o Theobald, Mir seine Hand, das Käthchen, wenn du kommst
Flach ſchmettr' ich ſie, wie einen Schweizerkäſe, Der gährend auf dem Brett des Sennen liegt. Erlaſſ', in deiner Huld und Gnade, mir, Ein Mährchen, aberwitzig, ſinnverwirrt, Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich, Wie die zwei Hälften eines Ringes, paſſend, Mit müß'gem Scharfſin, an einanderſetzte. Begreif', ich bitte dich, in deiner Weisheit, Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht, Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig Als es mich kümmern würde, träumteſt du, Ich ſei ein Jud', ſo wenig kümmre dich, Daß ich geraſ't, die Tochter jenes Mannes Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind! Erzbiſchof. Mein Fürſt und Herr, mit dieſem Wort, fürwahr, Kann ſich des Klägers wackres Herz beruh'gen. Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend, Rühmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane Jüngſt, in geheimer Zwieſprach', vorgeſchwatzt: Er hat es eben jetzo widerrufen! Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht, Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt. Er gab, vor einer Stund', o Theobald, Mir ſeine Hand, das Käthchen, wenn du kommſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#STAR"> <p><pb facs="#f0177" n="171"/> Flach ſchmettr' ich ſie, wie einen Schweizerkäſe,<lb/> Der gährend auf dem Brett des Sennen liegt.<lb/> Erlaſſ', in deiner Huld und Gnade, mir,<lb/> Ein Mährchen, aberwitzig, ſinnverwirrt,<lb/> Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei<lb/> Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich,<lb/> Wie die zwei Hälften eines Ringes, paſſend,<lb/> Mit müß'gem Scharfſin, an einanderſetzte.<lb/> Begreif', ich bitte dich, in deiner Weisheit,<lb/> Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht,<lb/> Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig<lb/> Als es mich kümmern würde, träumteſt du,<lb/> Ich ſei ein Jud', ſo wenig kümmre dich,<lb/> Daß ich geraſ't, die Tochter jenes Mannes<lb/> Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind!</p> </sp><lb/> <sp who="#ERZ"> <speaker><hi rendition="#g">Erzbiſchof</hi>.</speaker><lb/> <p>Mein Fürſt und Herr, mit dieſem Wort, fürwahr,<lb/> Kann ſich des Klägers wackres Herz beruh'gen.<lb/> Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend,<lb/> Rühmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane<lb/> Jüngſt, in geheimer Zwieſprach', vorgeſchwatzt:<lb/> Er hat es eben jetzo widerrufen!<lb/> Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht,<lb/> Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt.<lb/> Er gab, vor einer Stund', o Theobald,<lb/> Mir ſeine Hand, das Käthchen, wenn du kommſt<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0177]
Flach ſchmettr' ich ſie, wie einen Schweizerkäſe,
Der gährend auf dem Brett des Sennen liegt.
Erlaſſ', in deiner Huld und Gnade, mir,
Ein Mährchen, aberwitzig, ſinnverwirrt,
Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei
Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich,
Wie die zwei Hälften eines Ringes, paſſend,
Mit müß'gem Scharfſin, an einanderſetzte.
Begreif', ich bitte dich, in deiner Weisheit,
Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht,
Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig
Als es mich kümmern würde, träumteſt du,
Ich ſei ein Jud', ſo wenig kümmre dich,
Daß ich geraſ't, die Tochter jenes Mannes
Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind!
Erzbiſchof.
Mein Fürſt und Herr, mit dieſem Wort, fürwahr,
Kann ſich des Klägers wackres Herz beruh'gen.
Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend,
Rühmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane
Jüngſt, in geheimer Zwieſprach', vorgeſchwatzt:
Er hat es eben jetzo widerrufen!
Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht,
Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt.
Er gab, vor einer Stund', o Theobald,
Mir ſeine Hand, das Käthchen, wenn du kommſt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/177 |
Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/177>, abgerufen am 16.02.2025. |