Kleist, Heinrich von: Die Schlacht bei Fehrbellin. Berlin, 1822. Prinz Arthur. O laß mich Deine Kniee umfassen, Mutter! Kurfürstin (mit unterdrückter Rührung.) Gefangen seyd Ihr, Prinz, und kommt hieher? Was häuft Ihr neue Schuld zu Eurer alten? Prinz Arthur (dringend.) Weißt Du, was mir geschehn? Kurfürstin. Ich weiß um Alles! Was aber kann ich, Aermste, für Euch thun? Prinz Arthur. O meine Mutter, also sprächst Du nicht, Wenn Dich der Tod umschauerte, wie mich! Du scheinst mit Himmelskräften, rettenden, Du mir, das Fräulein, Deine Frau'n, begabt, Mir Alles rings umher; dem Troßknecht könnt' ich, Dem schlechtesten, der Deiner Pferde pflegt, Gehängt am Halse flehen: rette mich! Nur ich allein, auf Gottes weiter Erde, Bin hülflos, ein Verlaßner, und kann nichts! Die Kurfürstin. Du bist ganz außer Dir! Was ist geschehn? Prinz Arthur. Ach! Auf dem Wege, der mich zu Dir führte, Sah ich das Grab, beim Schein der Fackeln, öffnen, Das morgen mein Gebein empfangen soll. Sieh, diese Augen, Tante, die Dich anschaun, Will man mit Nacht umschatten, diesen Busen Mit mörderischen Kugeln mir durchbohren. Bestellt sind auf dem Markte schon die Fenster, Die auf das öde Schauspiel niedergehn, Und der die Zukunft, auf des Lebens Gipfel, Heut, wie ein Feenreich, noch überschaut, Prinz Arthur. O laß mich Deine Kniee umfaſſen, Mutter! Kurfürſtin (mit unterdrückter Rührung.) Gefangen ſeyd Ihr, Prinz, und kommt hieher? Was häuft Ihr neue Schuld zu Eurer alten? Prinz Arthur (dringend.) Weißt Du, was mir geſchehn? Kurfürſtin. Ich weiß um Alles! Was aber kann ich, Aermſte, für Euch thun? Prinz Arthur. O meine Mutter, alſo ſprächſt Du nicht, Wenn Dich der Tod umſchauerte, wie mich! Du ſcheinſt mit Himmelskräften, rettenden, Du mir, das Fräulein, Deine Frau’n, begabt, Mir Alles rings umher; dem Troßknecht könnt’ ich, Dem ſchlechteſten, der Deiner Pferde pflegt, Gehängt am Halſe flehen: rette mich! Nur ich allein, auf Gottes weiter Erde, Bin hülflos, ein Verlaßner, und kann nichts! Die Kurfürſtin. Du biſt ganz außer Dir! Was iſt geſchehn? Prinz Arthur. Ach! Auf dem Wege, der mich zu Dir führte, Sah ich das Grab, beim Schein der Fackeln, öffnen, Das morgen mein Gebein empfangen ſoll. Sieh, dieſe Augen, Tante, die Dich anſchaun, Will man mit Nacht umſchatten, dieſen Buſen Mit mörderiſchen Kugeln mir durchbohren. Beſtellt ſind auf dem Markte ſchon die Fenſter, Die auf das öde Schauſpiel niedergehn, Und der die Zukunft, auf des Lebens Gipfel, Heut, wie ein Feenreich, noch überſchaut, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0073" n="60"/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O laß mich Deine Kniee umfaſſen, Mutter!</p> </sp><lb/> <sp who="#KURFI"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Kurfürſtin</hi> </hi> </speaker> <stage> <hi rendition="#c">(mit unterdrückter Rührung.)</hi> </stage><lb/> <p>Gefangen ſeyd Ihr, Prinz, und kommt hieher?<lb/> Was häuft Ihr neue Schuld zu Eurer alten?</p> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi> </hi> </speaker><lb/> <stage>(dringend.)</stage><lb/> <p>Weißt Du, was mir geſchehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#KURFI"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Kurfürſtin</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich weiß um Alles!<lb/> Was aber kann ich, Aermſte, für Euch thun?</p> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O meine Mutter, alſo ſprächſt Du nicht,<lb/> Wenn Dich der Tod umſchauerte, wie mich!<lb/> Du ſcheinſt mit Himmelskräften, rettenden,<lb/> Du mir, das Fräulein, Deine Frau’n, begabt,<lb/> Mir Alles rings umher; dem Troßknecht könnt’ ich,<lb/> Dem ſchlechteſten, der Deiner Pferde pflegt,<lb/> Gehängt am Halſe flehen: rette mich!<lb/> Nur ich allein, auf Gottes weiter Erde,<lb/> Bin hülflos, ein Verlaßner, und kann nichts!</p> </sp><lb/> <sp who="#KURFI"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Kurfürſtin</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Du biſt ganz außer Dir! Was iſt geſchehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Ach! Auf dem Wege, der mich zu Dir führte,<lb/> Sah ich das Grab, beim Schein der Fackeln, öffnen,<lb/> Das morgen mein Gebein empfangen ſoll.<lb/> Sieh, dieſe Augen, Tante, die Dich anſchaun,<lb/> Will man mit Nacht umſchatten, dieſen Buſen<lb/> Mit mörderiſchen Kugeln mir durchbohren.<lb/> Beſtellt ſind auf dem Markte ſchon die Fenſter,<lb/> Die auf das öde Schauſpiel niedergehn,<lb/><hi rendition="#g">Und</hi> der <hi rendition="#g">die</hi> Zukunft, auf des Lebens Gipfel,<lb/> Heut, wie ein Feenreich, noch überſchaut,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0073]
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O laß mich Deine Kniee umfaſſen, Mutter!
Kurfürſtin (mit unterdrückter Rührung.)
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Was häuft Ihr neue Schuld zu Eurer alten?
Prinz Arthur
(dringend.)
Weißt Du, was mir geſchehn?
Kurfürſtin.
Ich weiß um Alles!
Was aber kann ich, Aermſte, für Euch thun?
Prinz Arthur.
O meine Mutter, alſo ſprächſt Du nicht,
Wenn Dich der Tod umſchauerte, wie mich!
Du ſcheinſt mit Himmelskräften, rettenden,
Du mir, das Fräulein, Deine Frau’n, begabt,
Mir Alles rings umher; dem Troßknecht könnt’ ich,
Dem ſchlechteſten, der Deiner Pferde pflegt,
Gehängt am Halſe flehen: rette mich!
Nur ich allein, auf Gottes weiter Erde,
Bin hülflos, ein Verlaßner, und kann nichts!
Die Kurfürſtin.
Du biſt ganz außer Dir! Was iſt geſchehn?
Prinz Arthur.
Ach! Auf dem Wege, der mich zu Dir führte,
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Das morgen mein Gebein empfangen ſoll.
Sieh, dieſe Augen, Tante, die Dich anſchaun,
Will man mit Nacht umſchatten, dieſen Buſen
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Beſtellt ſind auf dem Markte ſchon die Fenſter,
Die auf das öde Schauſpiel niedergehn,
Und der die Zukunft, auf des Lebens Gipfel,
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Die Schlacht bei Fehrbellin. Berlin, 1822, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fehrbellin_1822/73>, abgerufen am 25.07.2024. |