Kleist, Heinrich von: Die Schlacht bei Fehrbellin. Berlin, 1822. Natalie. Nein, diese Seligkeit ist fast zu groß! (sie drückt ihr Gesicht in der Tante Schooß.) Prinz Arthur. Sah ich, von fern, an meiner Reiter Spitze, Ihn nicht zerschmettert von Kanonenkugeln, In Staub, sammt seinem Schimmel, niederstürzen? Graf Sparren. Der Schimmel, allerdings, stürzt', sammt dem Reiter, Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr. Prinz Arthur. Nicht? Nicht der Herr? Natalie. O Jubel! (sie steht auf, und stellt sich an die Seite der Kurfürstin) Prinz Arthur. Sprich! Erzähle! Dein Wort fällt schwer wie Gold in meine Brust! Graf Sparren. O laßt die rührendste Begebenheit, Die je ein Ohr vernommen, euch berichten! Der Landesherr, der, jeder Warnung taub, Den Schimmel wieder ritt, den strahlend weißen, Den Froben jüngst in England ihm erstand, War wieder, wie bis heut noch stets geschah, Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln. Kaum konnte, wer zu seinem Troß gehörte, Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn; Granaten wälzten, Kugeln und Kartätschen, Sich wie ein breiter Todesstrom daher, Und Alles, was da lebte, wich an's Ufer: Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht, Und, stets den Freunden winkend, rudert' er Getrost den Höh'n zu, wo die Quelle sprang. Natalie. Nein, dieſe Seligkeit iſt faſt zu groß! (ſie drückt ihr Geſicht in der Tante Schooß.) Prinz Arthur. Sah ich, von fern, an meiner Reiter Spitze, Ihn nicht zerſchmettert von Kanonenkugeln, In Staub, ſammt ſeinem Schimmel, niederſtürzen? Graf Sparren. Der Schimmel, allerdings, ſtürzt’, ſammt dem Reiter, Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr. Prinz Arthur. Nicht? Nicht der Herr? Natalie. O Jubel! (ſie ſteht auf, und ſtellt ſich an die Seite der Kurfürſtin) Prinz Arthur. Sprich! Erzähle! Dein Wort fällt ſchwer wie Gold in meine Bruſt! Graf Sparren. O laßt die rührendſte Begebenheit, Die je ein Ohr vernommen, euch berichten! Der Landesherr, der, jeder Warnung taub, Den Schimmel wieder ritt, den ſtrahlend weißen, Den Froben jüngſt in England ihm erſtand, War wieder, wie bis heut noch ſtets geſchah, Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln. Kaum konnte, wer zu ſeinem Troß gehörte, Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn; Granaten wälzten, Kugeln und Kartätſchen, Sich wie ein breiter Todesſtrom daher, Und Alles, was da lebte, wich an’s Ufer: Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht, Und, ſtets den Freunden winkend, rudert’ er Getroſt den Höh’n zu, wo die Quelle ſprang. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0053" n="40"/> <sp who="#NAT"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Natalie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Nein, dieſe Seligkeit iſt faſt zu groß!</p><lb/> <stage>(ſie drückt ihr Geſicht in der Tante Schooß.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Sah ich, von fern, an meiner Reiter Spitze,<lb/> Ihn nicht zerſchmettert von Kanonenkugeln,<lb/> In Staub, ſammt ſeinem Schimmel, niederſtürzen?</p> </sp><lb/> <sp who="#SPARREN"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Graf Sparren</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Der Schimmel, allerdings, ſtürzt’, ſammt dem Reiter,<lb/> Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr.</p> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Nicht? Nicht der Herr?</p> </sp><lb/> <sp who="#NAT"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Natalie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O Jubel!</p><lb/> <stage>(ſie ſteht auf, und ſtellt ſich an die Seite der Kurfürſtin)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ARTHUR"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Prinz Arthur</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Sprich! Erzähle!<lb/> Dein Wort fällt ſchwer wie Gold in meine Bruſt!</p> </sp><lb/> <sp who="#SPARREN"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Graf Sparren</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O laßt die rührendſte Begebenheit,<lb/> Die je ein Ohr vernommen, euch berichten!<lb/> Der Landesherr, der, jeder Warnung taub,<lb/> Den Schimmel wieder ritt, den ſtrahlend weißen,<lb/> Den Froben jüngſt in England ihm erſtand,<lb/> War wieder, wie bis heut noch ſtets geſchah,<lb/> Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln.<lb/> Kaum konnte, wer zu ſeinem Troß gehörte,<lb/> Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn;<lb/> Granaten wälzten, Kugeln und Kartätſchen,<lb/> Sich wie ein breiter Todesſtrom daher,<lb/> Und Alles, was da lebte, wich an’s Ufer:<lb/> Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht,<lb/> Und, ſtets den Freunden winkend, rudert’ er<lb/> Getroſt den Höh’n zu, wo die Quelle ſprang.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0053]
Natalie.
Nein, dieſe Seligkeit iſt faſt zu groß!
(ſie drückt ihr Geſicht in der Tante Schooß.)
Prinz Arthur.
Sah ich, von fern, an meiner Reiter Spitze,
Ihn nicht zerſchmettert von Kanonenkugeln,
In Staub, ſammt ſeinem Schimmel, niederſtürzen?
Graf Sparren.
Der Schimmel, allerdings, ſtürzt’, ſammt dem Reiter,
Doch wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr.
Prinz Arthur.
Nicht? Nicht der Herr?
Natalie.
O Jubel!
(ſie ſteht auf, und ſtellt ſich an die Seite der Kurfürſtin)
Prinz Arthur.
Sprich! Erzähle!
Dein Wort fällt ſchwer wie Gold in meine Bruſt!
Graf Sparren.
O laßt die rührendſte Begebenheit,
Die je ein Ohr vernommen, euch berichten!
Der Landesherr, der, jeder Warnung taub,
Den Schimmel wieder ritt, den ſtrahlend weißen,
Den Froben jüngſt in England ihm erſtand,
War wieder, wie bis heut noch ſtets geſchah,
Das Ziel der feindlichen Kanonenkugeln.
Kaum konnte, wer zu ſeinem Troß gehörte,
Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn;
Granaten wälzten, Kugeln und Kartätſchen,
Sich wie ein breiter Todesſtrom daher,
Und Alles, was da lebte, wich an’s Ufer:
Nur er, der kühne Schwimmer, wankte nicht,
Und, ſtets den Freunden winkend, rudert’ er
Getroſt den Höh’n zu, wo die Quelle ſprang.
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