Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807. Alkmene. Ich habe Müh', mein theurer Freund, zu fassen, Worauf du diesen Vorwurf gründen magst. Beklagst du über meine Kälte dich, So siehst du mich verlegen, wie ich dich Befried'gen soll. Ich denke gestern, als Du um die Abenddämmrung mir erschienst, Trug ich die Schuld, an welche du mich mahnst, Aus meinem warmen Busen reichlich ab. Kannst du noch mehr dir wünschen, mehr begeh- ren, So muß ich meine Dürftigkeit gestehn: Ich gab dir wirklich Alles, was ich hatte. Amphitryon. Wie? Alkmene. Und du fragst noch! Flog ich gestern nicht, Als du mich heimlich auf den Nacken küßtest, Ich spann, in's Zimmer warst du eingeschlichen, Wie aus der Welt entrückt, dir an die Brust? Kann man sich inn'ger des Geliebten freun? Alkmene. Ich habe Muͤh’, mein theurer Freund, zu faſſen, Worauf du dieſen Vorwurf gruͤnden magſt. Beklagſt du uͤber meine Kaͤlte dich, So ſiehſt du mich verlegen, wie ich dich Befried’gen ſoll. Ich denke geſtern, als Du um die Abenddaͤmmrung mir erſchienſt, Trug ich die Schuld, an welche du mich mahnſt, Aus meinem warmen Buſen reichlich ab. Kannſt du noch mehr dir wuͤnſchen, mehr begeh- ren, So muß ich meine Duͤrftigkeit geſtehn: Ich gab dir wirklich Alles, was ich hatte. Amphitryon. Wie? Alkmene. Und du fragſt noch! Flog ich geſtern nicht, Als du mich heimlich auf den Nacken kuͤßteſt, Ich ſpann, in’s Zimmer warſt du eingeſchlichen, Wie aus der Welt entruͤckt, dir an die Bruſt? Kann man ſich inn’ger des Geliebten freun? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0078" n="62"/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich habe Muͤh’, mein theurer Freund, zu faſſen,<lb/> Worauf du dieſen Vorwurf gruͤnden magſt.<lb/> Beklagſt du uͤber meine Kaͤlte dich,<lb/> So ſiehſt du mich verlegen, wie ich dich<lb/> Befried’gen ſoll. Ich denke geſtern, als<lb/> Du um die Abenddaͤmmrung mir erſchienſt,<lb/> Trug ich die Schuld, an welche du mich mahnſt,<lb/> Aus meinem warmen Buſen reichlich ab.<lb/> Kannſt du noch mehr dir wuͤnſchen, mehr begeh-<lb/> ren,<lb/> So muß ich meine Duͤrftigkeit geſtehn:<lb/> Ich gab dir wirklich Alles, was ich hatte.</p> </sp><lb/> <sp who="#AMP"> <speaker><hi rendition="#g">Amphitryon</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie?</p> </sp><lb/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>Und du fragſt noch! Flog ich geſtern nicht,<lb/> Als du mich heimlich auf den Nacken kuͤßteſt,<lb/> Ich ſpann, in’s Zimmer warſt du eingeſchlichen,<lb/> Wie aus der Welt entruͤckt, dir an die Bruſt?<lb/> Kann man ſich inn’ger des Geliebten freun?</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0078]
Alkmene.
Ich habe Muͤh’, mein theurer Freund, zu faſſen,
Worauf du dieſen Vorwurf gruͤnden magſt.
Beklagſt du uͤber meine Kaͤlte dich,
So ſiehſt du mich verlegen, wie ich dich
Befried’gen ſoll. Ich denke geſtern, als
Du um die Abenddaͤmmrung mir erſchienſt,
Trug ich die Schuld, an welche du mich mahnſt,
Aus meinem warmen Buſen reichlich ab.
Kannſt du noch mehr dir wuͤnſchen, mehr begeh-
ren,
So muß ich meine Duͤrftigkeit geſtehn:
Ich gab dir wirklich Alles, was ich hatte.
Amphitryon.
Wie?
Alkmene.
Und du fragſt noch! Flog ich geſtern nicht,
Als du mich heimlich auf den Nacken kuͤßteſt,
Ich ſpann, in’s Zimmer warſt du eingeſchlichen,
Wie aus der Welt entruͤckt, dir an die Bruſt?
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