Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807. Alkmene. O Charis! -- Eh will ich irren in mir selbst! Eh' will ich dieses innerste Gefühl, Das ich am Mutterbusen eingesogen, Und das mir sagt, daß ich Alkmene bin, Für einen Parther oder Perser halten. Ist diese Hand mein? Diese Brust hier mein? Gehört das Bild mir, das der Spiegel strahlt? Er wäre fremder mir, als ich! Nimm mir Das Aug', so hör' ich ihn; das Ohr, ich fühl ihn; Mir das Gefühl hinweg, ich athm' ihn noch; Nimm Aug' und Ohr, Gefühl mir und Ge- ruch, Mir alle Sinn' und gönne mir das Herz: So läßt du mir die Glocke, die ich brauche, Aus einer Welt noch find' ich ihn heraus. Charis. Gewiß! Wie konnt' ich auch nur zweifeln, Fürstin? Wie könnt' ein Weib in solchem Falle irren? Alkmene. O Charis! — Eh will ich irren in mir ſelbſt! Eh’ will ich dieſes innerſte Gefuͤhl, Das ich am Mutterbuſen eingeſogen, Und das mir ſagt, daß ich Alkmene bin, Fuͤr einen Parther oder Perſer halten. Iſt dieſe Hand mein? Dieſe Bruſt hier mein? Gehoͤrt das Bild mir, das der Spiegel ſtrahlt? Er waͤre fremder mir, als ich! Nimm mir Das Aug’, ſo hoͤr’ ich ihn; das Ohr, ich fuͤhl ihn; Mir das Gefuͤhl hinweg, ich athm’ ihn noch; Nimm Aug’ und Ohr, Gefuͤhl mir und Ge- ruch, Mir alle Sinn’ und goͤnne mir das Herz: So laͤßt du mir die Glocke, die ich brauche, Aus einer Welt noch find’ ich ihn heraus. Charis. Gewiß! Wie konnt’ ich auch nur zweifeln, Fuͤrſtin? Wie koͤnnt’ ein Weib in ſolchem Falle irren? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0105" n="89"/> <sp who="#ALK"> <speaker><hi rendition="#g">Alkmene</hi>.</speaker><lb/> <p>O Charis! — Eh will ich irren in mir ſelbſt!<lb/> Eh’ will ich dieſes innerſte Gefuͤhl,<lb/> Das ich am Mutterbuſen eingeſogen,<lb/> Und das mir ſagt, daß ich Alkmene bin,<lb/> Fuͤr einen Parther oder Perſer halten.<lb/> Iſt dieſe Hand mein? Dieſe Bruſt hier mein?<lb/> Gehoͤrt das Bild mir, das der Spiegel ſtrahlt?<lb/> Er waͤre fremder mir, als ich! Nimm mir<lb/> Das Aug’, ſo hoͤr’ ich ihn; das Ohr, ich fuͤhl<lb/> ihn;<lb/> Mir das Gefuͤhl hinweg, ich athm’ ihn noch;<lb/> Nimm Aug’ und Ohr, Gefuͤhl mir und Ge-<lb/> ruch,<lb/> Mir alle Sinn’ und goͤnne mir das Herz:<lb/> So laͤßt du mir die Glocke, die ich brauche,<lb/> Aus einer Welt noch find’ ich ihn heraus.</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker><hi rendition="#g">Charis</hi>.</speaker><lb/> <p>Gewiß! Wie konnt’ ich auch nur zweifeln,<lb/> Fuͤrſtin?<lb/> Wie koͤnnt’ ein Weib in ſolchem Falle irren?<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0105]
Alkmene.
O Charis! — Eh will ich irren in mir ſelbſt!
Eh’ will ich dieſes innerſte Gefuͤhl,
Das ich am Mutterbuſen eingeſogen,
Und das mir ſagt, daß ich Alkmene bin,
Fuͤr einen Parther oder Perſer halten.
Iſt dieſe Hand mein? Dieſe Bruſt hier mein?
Gehoͤrt das Bild mir, das der Spiegel ſtrahlt?
Er waͤre fremder mir, als ich! Nimm mir
Das Aug’, ſo hoͤr’ ich ihn; das Ohr, ich fuͤhl
ihn;
Mir das Gefuͤhl hinweg, ich athm’ ihn noch;
Nimm Aug’ und Ohr, Gefuͤhl mir und Ge-
ruch,
Mir alle Sinn’ und goͤnne mir das Herz:
So laͤßt du mir die Glocke, die ich brauche,
Aus einer Welt noch find’ ich ihn heraus.
Charis.
Gewiß! Wie konnt’ ich auch nur zweifeln,
Fuͤrſtin?
Wie koͤnnt’ ein Weib in ſolchem Falle irren?
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/105>, abgerufen am 16.07.2024. |