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Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.

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Nicht wissend, ob ich wache, ob ich träume,
Wenn sich die rasende Behauptung wagt,
Daß mir ein Anderer erschienen sei;
Da ich gleichwohl den heißen Schmerz erwäg'
Amphitryons, und dies sein letztes Wort,
Er geh' den eig'nen Bruder, denke dir!
Den Bruder wider mich zum Zeugniß aufzuru-
fen;
Da ich jetzt frage, hast du wohl geirrt?
Denn Einen äfft der Irrthum doch von beiden,
Nicht ich, nicht er, sind einer Tücke fähig;
Und jener doppelsinn'ge Scherz mir jetzt
Durch das Gedächtniß zuckt, da der Geliebte,
Amphitryon, ich weiß nicht, ob du's hörtest,
Mir auf Amphitryon den Gatten schmähte,
Wie Schaudern jetzt, Entsetzen mich ergreift
Und alle Sinne treulos von mir weichen, --
Fass' ich, o du Geliebte, diesen Stein,
Das einzig, unschätzbare, theure Pfand,
Das ganz untrüglich mir zum Zeugniß dient.
Jetzt fass' ich's, will den werthen Namenszug,
Des lieben Lügners eignen Widersacher,
Nicht wiſſend, ob ich wache, ob ich traͤume,
Wenn ſich die raſende Behauptung wagt,
Daß mir ein Anderer erſchienen ſei;
Da ich gleichwohl den heißen Schmerz erwaͤg’
Amphitryons, und dies ſein letztes Wort,
Er geh’ den eig’nen Bruder, denke dir!
Den Bruder wider mich zum Zeugniß aufzuru-
fen;
Da ich jetzt frage, haſt du wohl geirrt?
Denn Einen aͤfft der Irrthum doch von beiden,
Nicht ich, nicht er, ſind einer Tuͤcke faͤhig;
Und jener doppelſinn’ge Scherz mir jetzt
Durch das Gedaͤchtniß zuckt, da der Geliebte,
Amphitryon, ich weiß nicht, ob du’s hoͤrteſt,
Mir auf Amphitryon den Gatten ſchmaͤhte,
Wie Schaudern jetzt, Entſetzen mich ergreift
Und alle Sinne treulos von mir weichen, —
Faſſ’ ich, o du Geliebte, dieſen Stein,
Das einzig, unſchaͤtzbare, theure Pfand,
Das ganz untruͤglich mir zum Zeugniß dient.
Jetzt faſſ’ ich’s, will den werthen Namenszug,
Des lieben Luͤgners eignen Widerſacher,
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[87/0103] Nicht wiſſend, ob ich wache, ob ich traͤume, Wenn ſich die raſende Behauptung wagt, Daß mir ein Anderer erſchienen ſei; Da ich gleichwohl den heißen Schmerz erwaͤg’ Amphitryons, und dies ſein letztes Wort, Er geh’ den eig’nen Bruder, denke dir! Den Bruder wider mich zum Zeugniß aufzuru- fen; Da ich jetzt frage, haſt du wohl geirrt? Denn Einen aͤfft der Irrthum doch von beiden, Nicht ich, nicht er, ſind einer Tuͤcke faͤhig; Und jener doppelſinn’ge Scherz mir jetzt Durch das Gedaͤchtniß zuckt, da der Geliebte, Amphitryon, ich weiß nicht, ob du’s hoͤrteſt, Mir auf Amphitryon den Gatten ſchmaͤhte, Wie Schaudern jetzt, Entſetzen mich ergreift Und alle Sinne treulos von mir weichen, — Faſſ’ ich, o du Geliebte, dieſen Stein, Das einzig, unſchaͤtzbare, theure Pfand, Das ganz untruͤglich mir zum Zeugniß dient. Jetzt faſſ’ ich’s, will den werthen Namenszug, Des lieben Luͤgners eignen Widerſacher,

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/103>, abgerufen am 23.11.2024.