Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_073.001 §. 110. Die persische Vierzeile ist eine Strophenform, pkl_073.018 Beispiele: pkl_073.024Vom Himmel kam geflogen eine Taube, pkl_073.025 pkl_073.028Und bracht' ein Kleeblatt mit dreifachem Laube. pkl_073.026 Sie ließ es fallen; glücklich, wer es findet! pkl_073.027 Drei Blättlein sind es: Hoffnung, Lieb' und Glaube. Rückert. pkl_073.029 Das Gasel. pkl_073.030 Jm Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her, pkl_073.031
Doch irrst Du, Freund, sobald Du sagst, sie schwanke hin pkl_073.032 und her. pkl_073.001 §. 110. Die persische Vierzeile ist eine Strophenform, pkl_073.018 Beispiele: pkl_073.024Vom Himmel kam geflogen eine Taube, pkl_073.025 pkl_073.028Und bracht' ein Kleeblatt mit dreifachem Laube. pkl_073.026 Sie ließ es fallen; glücklich, wer es findet! pkl_073.027 Drei Blättlein sind es: Hoffnung, Lieb' und Glaube. Rückert. pkl_073.029 Das Gasel. pkl_073.030 Jm Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her, pkl_073.031
Doch irrst Du, Freund, sobald Du sagst, sie schwanke hin pkl_073.032 und her. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0099" n="73"/><lb n="pkl_073.001"/> und <hi rendition="#g">Platen</hi> in die deutsche Poesie eingeführte Form. <lb n="pkl_073.002"/> Es besteht aus zweizeiligen Strophen, von denen die <lb n="pkl_073.003"/> erste ungetrennte Reime bildet. Jn den folgenden Strophen <lb n="pkl_073.004"/> bleibt der erste Vers immer reimlos, der zweite <lb n="pkl_073.005"/> dagegen führt den Reim der ersten Strophe weiter durch. <lb n="pkl_073.006"/> Dieser Reim ist entweder einfach oder er ist aus mehreren <lb n="pkl_073.007"/> Wörtern zusammengesetzt. (Zuweilen ist auch der <lb n="pkl_073.008"/> Anfangsreim angewendet.) Ein bestimmtes Versmaaß <lb n="pkl_073.009"/> ist nicht vorgeschrieben, doch enthalten in der Regel <lb n="pkl_073.010"/> sämmtliche Verse eine gleiche Zahl von Silben. An die <lb n="pkl_073.011"/> orientalische Regel, wonach das Gasel nicht weniger als <lb n="pkl_073.012"/> sieben und nicht mehr als siebenzehn Strophen enthalten <lb n="pkl_073.013"/> soll, so wie an die Forderung, daß in den letzten <lb n="pkl_073.014"/> Versen in passender Verknüpfung der Name des Dichters <lb n="pkl_073.015"/> vorkomme, haben sich die wenigen deutschen Dichter, <lb n="pkl_073.016"/> die Gaselen geliefert, nicht immer gebunden.</p> <lb n="pkl_073.017"/> <p> §. 110. Die <hi rendition="#g">persische Vierzeile</hi> ist eine Strophenform, <lb n="pkl_073.018"/> in welcher die beiden ersten Verse mit dem <lb n="pkl_073.019"/> vierten reimen, während der dritte Vers reimlos bleibt. <lb n="pkl_073.020"/> An ein bestimmtes Versmaaß braucht sich der Dichter <lb n="pkl_073.021"/> nicht zu binden, aber die Zahl der Silben muß in den <lb n="pkl_073.022"/> vier Versen dieselbe sein.</p> <lb n="pkl_073.023"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Beispiele</hi>:</hi> </p> <lb n="pkl_073.024"/> <p> <lg> <l>Vom Himmel kam geflogen eine Taube,</l> <lb n="pkl_073.025"/> <l>Und bracht' ein Kleeblatt mit dreifachem Laube.</l> <lb n="pkl_073.026"/> <l>Sie ließ es fallen; glücklich, wer es findet!</l> <lb n="pkl_073.027"/> <l>Drei Blättlein sind es: Hoffnung, Lieb' und Glaube.</l> </lg> <lb n="pkl_073.028"/> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rückert</hi>.</hi> </p> <lb n="pkl_073.029"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Das Gasel</hi>.</hi> <lb n="pkl_073.030"/> <lg> <l>Jm Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her,</l> <lb n="pkl_073.031"/> <l>Doch irrst Du, Freund, sobald Du sagst, sie schwanke hin <lb n="pkl_073.032"/> <space dim="horizontal"/>und her.</l> </lg> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0099]
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und Platen in die deutsche Poesie eingeführte Form. pkl_073.002
Es besteht aus zweizeiligen Strophen, von denen die pkl_073.003
erste ungetrennte Reime bildet. Jn den folgenden Strophen pkl_073.004
bleibt der erste Vers immer reimlos, der zweite pkl_073.005
dagegen führt den Reim der ersten Strophe weiter durch. pkl_073.006
Dieser Reim ist entweder einfach oder er ist aus mehreren pkl_073.007
Wörtern zusammengesetzt. (Zuweilen ist auch der pkl_073.008
Anfangsreim angewendet.) Ein bestimmtes Versmaaß pkl_073.009
ist nicht vorgeschrieben, doch enthalten in der Regel pkl_073.010
sämmtliche Verse eine gleiche Zahl von Silben. An die pkl_073.011
orientalische Regel, wonach das Gasel nicht weniger als pkl_073.012
sieben und nicht mehr als siebenzehn Strophen enthalten pkl_073.013
soll, so wie an die Forderung, daß in den letzten pkl_073.014
Versen in passender Verknüpfung der Name des Dichters pkl_073.015
vorkomme, haben sich die wenigen deutschen Dichter, pkl_073.016
die Gaselen geliefert, nicht immer gebunden.
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§. 110. Die persische Vierzeile ist eine Strophenform, pkl_073.018
in welcher die beiden ersten Verse mit dem pkl_073.019
vierten reimen, während der dritte Vers reimlos bleibt. pkl_073.020
An ein bestimmtes Versmaaß braucht sich der Dichter pkl_073.021
nicht zu binden, aber die Zahl der Silben muß in den pkl_073.022
vier Versen dieselbe sein.
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Beispiele:
pkl_073.024
Vom Himmel kam geflogen eine Taube, pkl_073.025
Und bracht' ein Kleeblatt mit dreifachem Laube. pkl_073.026
Sie ließ es fallen; glücklich, wer es findet! pkl_073.027
Drei Blättlein sind es: Hoffnung, Lieb' und Glaube.
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Das Gasel. pkl_073.030
Jm Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her, pkl_073.031
Doch irrst Du, Freund, sobald Du sagst, sie schwanke hin pkl_073.032
und her.
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