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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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§. 67. 3) Da die verschiedenen Reime pkl_050.002
auch einen verschiedenen Charakter haben, pkl_050.003
so kann nicht jeder derselben für ein bestimmtes pkl_050.004
Gedicht passen.
Hauptsächlich kommt hierbei pkl_050.005
der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen pkl_050.006
Reimen in Betracht. Der männliche Reim charakterisirt pkl_050.007
sich durch Kraft, Bestimmtheit und Abgeschlossenheit pkl_050.008
und eignet sich deshalb für Gedichte kräftigen, ernsten pkl_050.009
Jnhalts; im weiblichen Reime dagegen liegt etwas pkl_050.010
Weiches, Zartes, Sanftes, darum ist er mehr für pkl_050.011
Gedichte, deren Jnhalt ruhige, sanfte Gefühle anzuregen pkl_050.012
bestimmt ist. Jndeß wird auch mitunter, um die pkl_050.013
Kraft etwas zu mildern, bei sehr kräftigem Jnhalt pkl_050.014
der weibliche Reim angewendet, so wie bei Gedichten pkl_050.015
zarten Jnhalts zuweilen der männliche Reim, damit pkl_050.016
das Zarte, Weiche nicht ins Weichliche, Verschwimmende pkl_050.017
übergehe, sondern vielmehr einen festern, bestimmtern pkl_050.018
Charakter erhalte. Eine Abwechselung männlicher pkl_050.019
und weiblicher Reime sagt begreiflicher Weise vielen pkl_050.020
Gedichten besonders zu.

pkl_050.021

§. 68. 4) Des Reimes wegen darf man pkl_050.022
begründete grammatikalische Regeln nicht pkl_050.023
verletzen, die Wortfolge nicht willkührlich pkl_050.024
und unnatürlich verschrauben, die reimenden pkl_050.025
Wörter nicht verstümmeln oder verunstalten, pkl_050.026
auch die Sprache weder durch uneingebürgerte pkl_050.027
Fremdwörter, noch durch Provinzialismen, pkl_050.028
noch durch unedle, gemeine pkl_050.029
Ausdrücke entwürdigen.

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Viele unserer Dichter, namentlich auch Göthe,

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§. 67. 3) Da die verschiedenen Reime pkl_050.002
auch einen verschiedenen Charakter haben, pkl_050.003
so kann nicht jeder derselben für ein bestimmtes pkl_050.004
Gedicht passen.
Hauptsächlich kommt hierbei pkl_050.005
der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen pkl_050.006
Reimen in Betracht. Der männliche Reim charakterisirt pkl_050.007
sich durch Kraft, Bestimmtheit und Abgeschlossenheit pkl_050.008
und eignet sich deshalb für Gedichte kräftigen, ernsten pkl_050.009
Jnhalts; im weiblichen Reime dagegen liegt etwas pkl_050.010
Weiches, Zartes, Sanftes, darum ist er mehr für pkl_050.011
Gedichte, deren Jnhalt ruhige, sanfte Gefühle anzuregen pkl_050.012
bestimmt ist. Jndeß wird auch mitunter, um die pkl_050.013
Kraft etwas zu mildern, bei sehr kräftigem Jnhalt pkl_050.014
der weibliche Reim angewendet, so wie bei Gedichten pkl_050.015
zarten Jnhalts zuweilen der männliche Reim, damit pkl_050.016
das Zarte, Weiche nicht ins Weichliche, Verschwimmende pkl_050.017
übergehe, sondern vielmehr einen festern, bestimmtern pkl_050.018
Charakter erhalte. Eine Abwechselung männlicher pkl_050.019
und weiblicher Reime sagt begreiflicher Weise vielen pkl_050.020
Gedichten besonders zu.

pkl_050.021

§. 68. 4) Des Reimes wegen darf man pkl_050.022
begründete grammatikalische Regeln nicht pkl_050.023
verletzen, die Wortfolge nicht willkührlich pkl_050.024
und unnatürlich verschrauben, die reimenden pkl_050.025
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Fremdwörter, noch durch Provinzialismen, pkl_050.028
noch durch unedle, gemeine pkl_050.029
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[50/0076] pkl_050.001 §. 67. 3) Da die verschiedenen Reime pkl_050.002 auch einen verschiedenen Charakter haben, pkl_050.003 so kann nicht jeder derselben für ein bestimmtes pkl_050.004 Gedicht passen. Hauptsächlich kommt hierbei pkl_050.005 der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen pkl_050.006 Reimen in Betracht. Der männliche Reim charakterisirt pkl_050.007 sich durch Kraft, Bestimmtheit und Abgeschlossenheit pkl_050.008 und eignet sich deshalb für Gedichte kräftigen, ernsten pkl_050.009 Jnhalts; im weiblichen Reime dagegen liegt etwas pkl_050.010 Weiches, Zartes, Sanftes, darum ist er mehr für pkl_050.011 Gedichte, deren Jnhalt ruhige, sanfte Gefühle anzuregen pkl_050.012 bestimmt ist. Jndeß wird auch mitunter, um die pkl_050.013 Kraft etwas zu mildern, bei sehr kräftigem Jnhalt pkl_050.014 der weibliche Reim angewendet, so wie bei Gedichten pkl_050.015 zarten Jnhalts zuweilen der männliche Reim, damit pkl_050.016 das Zarte, Weiche nicht ins Weichliche, Verschwimmende pkl_050.017 übergehe, sondern vielmehr einen festern, bestimmtern pkl_050.018 Charakter erhalte. Eine Abwechselung männlicher pkl_050.019 und weiblicher Reime sagt begreiflicher Weise vielen pkl_050.020 Gedichten besonders zu. pkl_050.021 §. 68. 4) Des Reimes wegen darf man pkl_050.022 begründete grammatikalische Regeln nicht pkl_050.023 verletzen, die Wortfolge nicht willkührlich pkl_050.024 und unnatürlich verschrauben, die reimenden pkl_050.025 Wörter nicht verstümmeln oder verunstalten, pkl_050.026 auch die Sprache weder durch uneingebürgerte pkl_050.027 Fremdwörter, noch durch Provinzialismen, pkl_050.028 noch durch unedle, gemeine pkl_050.029 Ausdrücke entwürdigen. pkl_050.030 Viele unserer Dichter, namentlich auch Göthe,

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/76>, abgerufen am 25.11.2024.