Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_023.001 Beispiel: pkl_023.002Uns ist in alten maeren wunders viel geseit pkl_023.003 pkl_023.006von helden lobebaeren, von grozer kuenheit, pkl_023.004 von fröuden und hochgeziten, von weinen und von klagen, pkl_023.005 von küener recken striten muget ir nu wunder hoeren sagen. (Oft noch viel unregelmäßiger.) pkl_023.007 §. 31. Der siebenfüßige Jambus hat, wie auch pkl_023.008 Ein Mühlstein und ein Menschenherz | wird stets herumgetrieben: pkl_023.010 pkl_023.011Wo beides nichts zu reiben hat |, wird beides selbst zerrieben. Logau. pkl_023.012 Die Dummheit ist die größte Macht, | sie führt der Heere stärkstes an; pkl_023.013 pkl_023.014Jch glaube, daß sie nie ein Held | bekämpfen und besiegen kann. Kopisch. pkl_023.015 §. 32. Noch müssen wir des hinkenden Jambus, pkl_023.016 Der Choliambe scheint ein Vers für Kunstrichter, pkl_023.022 pkl_023.028Die immerfort voll Naseweisheit mitsprechen, pkl_023.023 Und eins nur wissen sollten, daß sie nichts wissen; pkl_023.024 Wo die Kritik hinkt, muß ja auch der Vers lahm sein. pkl_023.025 Wer sein Gemüth labt am Gesang der Nachteulen, pkl_023.026 Und wenn die Nachtigall beginnt, das Ohr zustopft, pkl_023.027 Dem sollte man's mit scharfer Dissonanz abhau'n. II. Trochäische Verse. pkl_023.029§. 33. Die trochäischen Verse eignen sich zufolge pkl_023.030 §. 34. Zwei- und dreifüßige Trochäen hat pkl_023.033 pkl_023.001 Beispiel: pkl_023.002Uns ist in alten maeren wunders viel geseit pkl_023.003 pkl_023.006von helden lobebaeren, von grozer kuenheit, pkl_023.004 von fröuden und hochgeziten, von weinen und von klagen, pkl_023.005 von küener recken striten muget ir nu wunder hoeren sagen. (Oft noch viel unregelmäßiger.) pkl_023.007 §. 31. 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W. <hi rendition="#g">Schlegel</hi> beschreibt ihn <lb n="pkl_023.020"/> folgendermaaßen:</p> <lb n="pkl_023.021"/> <lg> <l>Der Choliambe scheint ein Vers für Kunstrichter,</l> <lb n="pkl_023.022"/> <l>Die immerfort voll Naseweisheit mitsprechen,</l> <lb n="pkl_023.023"/> <l>Und eins nur wissen sollten, daß sie nichts wissen;</l> <lb n="pkl_023.024"/> <l>Wo die Kritik hinkt, muß ja auch der Vers lahm sein.</l> <lb n="pkl_023.025"/> <l>Wer sein Gemüth labt am Gesang der Nachteulen,</l> <lb n="pkl_023.026"/> <l>Und wenn die Nachtigall beginnt, das Ohr zustopft,</l> <lb n="pkl_023.027"/> <l>Dem sollte man's mit scharfer Dissonanz abhau'n.</l> </lg> <lb n="pkl_023.028"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">II</hi>. <hi rendition="#g">Trochäische Verse.</hi></hi> </head> <lb n="pkl_023.029"/> <p>§. 33. 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von helden lobebaeren, von grozer kuenheit, pkl_023.004
von fröuden und hochgeziten, von weinen und von klagen, pkl_023.005
von küener recken striten muget ir nu wunder hoeren sagen.
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(Oft noch viel unregelmäßiger.)
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§. 31. Der siebenfüßige Jambus hat, wie auch pkl_023.008
der achtfüßige, immer die Cäsur nach dem vierten Takte.
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Ein Mühlstein und ein Menschenherz | wird stets herumgetrieben: pkl_023.010
Wo beides nichts zu reiben hat |, wird beides selbst zerrieben.
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pkl_023.012
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II. Trochäische Verse. pkl_023.029
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ernste Gedichte.
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Zitationshilfe: | Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/49>, abgerufen am 16.02.2025. |