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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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angewendet; die zum Aussprechen einer Silbe nöthige pkl_010.002
Zeitdauer (ihre Quantität) kommt nämlich bei pkl_010.003
uns nicht in Betracht. Eine Silbe mag noch so kurz pkl_010.004
sein und noch so schnell ausgesprochen werden: wir pkl_010.005
nennen sie dennoch lang, sobald sie betont ist. Das pkl_010.006
Wort "Heller" z. B. bestände nach der wirklichen pkl_010.007
Zeitmessung aus zwei kurzen Silben, "Hehler" dagegen pkl_010.008
aus einer langen (gedehnten) und einer kurzen pkl_010.009
Silbe; unsere Verslehre nennt aber sowohl in "Heller" pkl_010.010
als in "Hehler" die erste Silbe lang (schwer), die pkl_010.011
zweite kurz (leicht). Wir messen also die Silben pkl_010.012
nicht, obgleich wir uns dieses Ausdrucks bedienen, sondern pkl_010.013
wir wägen sie, nach dem Gewicht, dem Ton, pkl_010.014
der darauf gelegt wird. Jm Altgriechischen und im pkl_010.015
Lateinischen ist dies anders: da wird die Zeitdauer pkl_010.016
(Quantität
) wirklich berücksichtigt und ist von dem pkl_010.017
Accent unabhängig. Man nennt daher diese Sprachen pkl_010.018
quantitirend, die deutsche dagegen accentuirend.

pkl_010.019

§. 13. Auch die Stärke (das Gewicht, der Grad) pkl_010.020
der Betonung kommt in der Regel nur insofern in pkl_010.021
Betracht, als dadurch bestimmt wird, welche Silben pkl_010.022
des Verses als lang, welche als kurz anzusehen sind. pkl_010.023
Es braucht also in gleichartigen größern Versen auch pkl_010.024
nicht gerade der Haupt-Satzaccent immer auf dieselbe pkl_010.025
Stelle zu fallen. Bei Liedern ist das in Rücksicht auf pkl_010.026
den Gesangvortrag oft wünschenswerth, dagegen würde pkl_010.027
in andern Gedichten dadurch zu viel Eintönigkeit eintreten.

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angewendet; die zum Aussprechen einer Silbe nöthige pkl_010.002
Zeitdauer (ihre Quantität) kommt nämlich bei pkl_010.003
uns nicht in Betracht. Eine Silbe mag noch so kurz pkl_010.004
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nennen sie dennoch lang, sobald sie betont ist. Das pkl_010.006
Wort „Heller“ z. B. bestände nach der wirklichen pkl_010.007
Zeitmessung aus zwei kurzen Silben, „Hehler“ dagegen pkl_010.008
aus einer langen (gedehnten) und einer kurzen pkl_010.009
Silbe; unsere Verslehre nennt aber sowohl in „Heller“ pkl_010.010
als in „Hehler“ die erste Silbe lang (schwer), die pkl_010.011
zweite kurz (leicht). Wir messen also die Silben pkl_010.012
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Lateinischen ist dies anders: da wird die Zeitdauer pkl_010.016
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quantitirend, die deutsche dagegen accentuirend.

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§. 13. Auch die Stärke (das Gewicht, der Grad) pkl_010.020
der Betonung kommt in der Regel nur insofern in pkl_010.021
Betracht, als dadurch bestimmt wird, welche Silben pkl_010.022
des Verses als lang, welche als kurz anzusehen sind. pkl_010.023
Es braucht also in gleichartigen größern Versen auch pkl_010.024
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Stelle zu fallen. Bei Liedern ist das in Rücksicht auf pkl_010.026
den Gesangvortrag oft wünschenswerth, dagegen würde pkl_010.027
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[10/0036] pkl_010.001 angewendet; die zum Aussprechen einer Silbe nöthige pkl_010.002 Zeitdauer (ihre Quantität) kommt nämlich bei pkl_010.003 uns nicht in Betracht. Eine Silbe mag noch so kurz pkl_010.004 sein und noch so schnell ausgesprochen werden: wir pkl_010.005 nennen sie dennoch lang, sobald sie betont ist. Das pkl_010.006 Wort „Heller“ z. B. bestände nach der wirklichen pkl_010.007 Zeitmessung aus zwei kurzen Silben, „Hehler“ dagegen pkl_010.008 aus einer langen (gedehnten) und einer kurzen pkl_010.009 Silbe; unsere Verslehre nennt aber sowohl in „Heller“ pkl_010.010 als in „Hehler“ die erste Silbe lang (schwer), die pkl_010.011 zweite kurz (leicht). Wir messen also die Silben pkl_010.012 nicht, obgleich wir uns dieses Ausdrucks bedienen, sondern pkl_010.013 wir wägen sie, nach dem Gewicht, dem Ton, pkl_010.014 der darauf gelegt wird. Jm Altgriechischen und im pkl_010.015 Lateinischen ist dies anders: da wird die Zeitdauer pkl_010.016 (Quantität) wirklich berücksichtigt und ist von dem pkl_010.017 Accent unabhängig. Man nennt daher diese Sprachen pkl_010.018 quantitirend, die deutsche dagegen accentuirend. pkl_010.019 §. 13. Auch die Stärke (das Gewicht, der Grad) pkl_010.020 der Betonung kommt in der Regel nur insofern in pkl_010.021 Betracht, als dadurch bestimmt wird, welche Silben pkl_010.022 des Verses als lang, welche als kurz anzusehen sind. pkl_010.023 Es braucht also in gleichartigen größern Versen auch pkl_010.024 nicht gerade der Haupt-Satzaccent immer auf dieselbe pkl_010.025 Stelle zu fallen. Bei Liedern ist das in Rücksicht auf pkl_010.026 den Gesangvortrag oft wünschenswerth, dagegen würde pkl_010.027 in andern Gedichten dadurch zu viel Eintönigkeit eintreten. pkl_010.028 pkl_010.029 [Abbildung]

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/36>, abgerufen am 23.11.2024.