Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_185.001
Parodie ist satyrischer Tendenz: beide suchen durch Witz pkl_185.002
und Laune zu unterhalten. Je nach der Art der zum pkl_185.003
Grunde liegenden Gedichte erscheinen die Travestien pkl_185.004
und Parodien bald als lyrisch, bald als episch, bald pkl_185.005
als dramatisch.

pkl_185.006

Parodie und Travestie sind in Deutschland nicht pkl_185.007
besonders viel kultivirt worden und man wird Recht pkl_185.008
haben, wenn man der Meinung ist, daß die Ursache pkl_185.009
hiervon in dem mehr dem Ernsten zugewendeten Charakter pkl_185.010
der Deutschen liegt, der es schwer verträgt, daß pkl_185.011
man das Große und Schöne in irgend einer Weise pkl_185.012
persiflire.

pkl_185.013

§. 248. Das Räthsel. Das Räthsel im allgemeinern pkl_185.014
Sinne ist ein Produkt des Scharfsinnes, bei pkl_185.015
welchem es darauf ankommt, einen ungenannten Gegenstand pkl_185.016
aus der Zusammenstellung einzeln angegebener pkl_185.017
Eigenschaften zu errathen. Soll das Räthsel gut sein, pkl_185.018
so muß es das Errathen des Gegenstandes möglichst pkl_185.019
erschweren, gleichwohl aber diejenigen Merkmale andeuten, pkl_185.020
welche in ihrer Vereinigung ein vollkommen pkl_185.021
treffendes, anschauliches Bild desselben geben. Diesen pkl_185.022
zwiefachen Zweck wird es erreichen, wenn es solche pkl_185.023
Merkmale vorführt, die einander zu widersprechen scheinen, pkl_185.024
oder auch wenn es Eigenschaften angiebt, die einzeln pkl_185.025
-- aber nicht in ihrer Gesammtheit -- zugleich pkl_185.026
andern Gegenständen, und zwar solchen angehören, auf pkl_185.027
die der Rathende leicht fällt. -- Das Räthsel hat demnach pkl_185.028
einen allegorischen Charakter, nach seiner äußern pkl_185.029
Erscheinung ist es dem Epigramm verwandt. Es nimmt pkl_185.030
die verschiedensten poetischen Formen an; häufig erscheint pkl_185.031
es auch im Gewande der Prosa.

pkl_185.001
Parodie ist satyrischer Tendenz: beide suchen durch Witz pkl_185.002
und Laune zu unterhalten. Je nach der Art der zum pkl_185.003
Grunde liegenden Gedichte erscheinen die Travestien pkl_185.004
und Parodien bald als lyrisch, bald als episch, bald pkl_185.005
als dramatisch.

pkl_185.006

Parodie und Travestie sind in Deutschland nicht pkl_185.007
besonders viel kultivirt worden und man wird Recht pkl_185.008
haben, wenn man der Meinung ist, daß die Ursache pkl_185.009
hiervon in dem mehr dem Ernsten zugewendeten Charakter pkl_185.010
der Deutschen liegt, der es schwer verträgt, daß pkl_185.011
man das Große und Schöne in irgend einer Weise pkl_185.012
persiflire.

pkl_185.013

§. 248. Das Räthsel. Das Räthsel im allgemeinern pkl_185.014
Sinne ist ein Produkt des Scharfsinnes, bei pkl_185.015
welchem es darauf ankommt, einen ungenannten Gegenstand pkl_185.016
aus der Zusammenstellung einzeln angegebener pkl_185.017
Eigenschaften zu errathen. Soll das Räthsel gut sein, pkl_185.018
so muß es das Errathen des Gegenstandes möglichst pkl_185.019
erschweren, gleichwohl aber diejenigen Merkmale andeuten, pkl_185.020
welche in ihrer Vereinigung ein vollkommen pkl_185.021
treffendes, anschauliches Bild desselben geben. Diesen pkl_185.022
zwiefachen Zweck wird es erreichen, wenn es solche pkl_185.023
Merkmale vorführt, die einander zu widersprechen scheinen, pkl_185.024
oder auch wenn es Eigenschaften angiebt, die einzeln pkl_185.025
— aber nicht in ihrer Gesammtheit — zugleich pkl_185.026
andern Gegenständen, und zwar solchen angehören, auf pkl_185.027
die der Rathende leicht fällt. — Das Räthsel hat demnach pkl_185.028
einen allegorischen Charakter, nach seiner äußern pkl_185.029
Erscheinung ist es dem Epigramm verwandt. Es nimmt pkl_185.030
die verschiedensten poetischen Formen an; häufig erscheint pkl_185.031
es auch im Gewande der Prosa.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="appendix" n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="185"/><lb n="pkl_185.001"/>
Parodie ist satyrischer Tendenz: beide suchen durch Witz <lb n="pkl_185.002"/>
und Laune zu unterhalten. Je nach der Art der zum <lb n="pkl_185.003"/>
Grunde liegenden Gedichte erscheinen die Travestien <lb n="pkl_185.004"/>
und Parodien bald als lyrisch, bald als episch, bald <lb n="pkl_185.005"/>
als dramatisch.</p>
            <lb n="pkl_185.006"/>
            <p>  Parodie und Travestie sind in Deutschland nicht <lb n="pkl_185.007"/>
besonders viel kultivirt worden und man wird Recht <lb n="pkl_185.008"/>
haben, wenn man der Meinung ist, daß die Ursache <lb n="pkl_185.009"/>
hiervon in dem mehr dem Ernsten zugewendeten Charakter <lb n="pkl_185.010"/>
der Deutschen liegt, der es schwer verträgt, daß <lb n="pkl_185.011"/>
man das Große und Schöne in irgend einer Weise <lb n="pkl_185.012"/>
persiflire.</p>
            <lb n="pkl_185.013"/>
            <p>  §. 248. Das <hi rendition="#g">Räthsel.</hi> Das <hi rendition="#g">Räthsel</hi> im allgemeinern <lb n="pkl_185.014"/>
Sinne ist ein Produkt des Scharfsinnes, bei <lb n="pkl_185.015"/>
welchem es darauf ankommt, einen ungenannten Gegenstand <lb n="pkl_185.016"/>
aus der Zusammenstellung einzeln angegebener <lb n="pkl_185.017"/>
Eigenschaften zu errathen. Soll das Räthsel gut sein, <lb n="pkl_185.018"/>
so muß es das Errathen des Gegenstandes möglichst <lb n="pkl_185.019"/>
erschweren, gleichwohl aber diejenigen Merkmale andeuten, <lb n="pkl_185.020"/>
welche in ihrer Vereinigung ein vollkommen <lb n="pkl_185.021"/>
treffendes, anschauliches Bild desselben geben. Diesen <lb n="pkl_185.022"/>
zwiefachen Zweck wird es erreichen, wenn es solche <lb n="pkl_185.023"/>
Merkmale vorführt, die einander zu widersprechen scheinen, <lb n="pkl_185.024"/>
oder auch wenn es Eigenschaften angiebt, die einzeln <lb n="pkl_185.025"/>
&#x2014; aber nicht in ihrer Gesammtheit &#x2014; zugleich <lb n="pkl_185.026"/>
andern Gegenständen, und zwar solchen angehören, auf <lb n="pkl_185.027"/>
die der Rathende leicht fällt. &#x2014; Das Räthsel hat demnach <lb n="pkl_185.028"/>
einen allegorischen Charakter, nach seiner äußern <lb n="pkl_185.029"/>
Erscheinung ist es dem Epigramm verwandt. Es nimmt <lb n="pkl_185.030"/>
die verschiedensten poetischen Formen an; häufig erscheint <lb n="pkl_185.031"/>
es auch im Gewande der Prosa.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0211] pkl_185.001 Parodie ist satyrischer Tendenz: beide suchen durch Witz pkl_185.002 und Laune zu unterhalten. Je nach der Art der zum pkl_185.003 Grunde liegenden Gedichte erscheinen die Travestien pkl_185.004 und Parodien bald als lyrisch, bald als episch, bald pkl_185.005 als dramatisch. pkl_185.006 Parodie und Travestie sind in Deutschland nicht pkl_185.007 besonders viel kultivirt worden und man wird Recht pkl_185.008 haben, wenn man der Meinung ist, daß die Ursache pkl_185.009 hiervon in dem mehr dem Ernsten zugewendeten Charakter pkl_185.010 der Deutschen liegt, der es schwer verträgt, daß pkl_185.011 man das Große und Schöne in irgend einer Weise pkl_185.012 persiflire. pkl_185.013 §. 248. Das Räthsel. Das Räthsel im allgemeinern pkl_185.014 Sinne ist ein Produkt des Scharfsinnes, bei pkl_185.015 welchem es darauf ankommt, einen ungenannten Gegenstand pkl_185.016 aus der Zusammenstellung einzeln angegebener pkl_185.017 Eigenschaften zu errathen. Soll das Räthsel gut sein, pkl_185.018 so muß es das Errathen des Gegenstandes möglichst pkl_185.019 erschweren, gleichwohl aber diejenigen Merkmale andeuten, pkl_185.020 welche in ihrer Vereinigung ein vollkommen pkl_185.021 treffendes, anschauliches Bild desselben geben. Diesen pkl_185.022 zwiefachen Zweck wird es erreichen, wenn es solche pkl_185.023 Merkmale vorführt, die einander zu widersprechen scheinen, pkl_185.024 oder auch wenn es Eigenschaften angiebt, die einzeln pkl_185.025 — aber nicht in ihrer Gesammtheit — zugleich pkl_185.026 andern Gegenständen, und zwar solchen angehören, auf pkl_185.027 die der Rathende leicht fällt. — Das Räthsel hat demnach pkl_185.028 einen allegorischen Charakter, nach seiner äußern pkl_185.029 Erscheinung ist es dem Epigramm verwandt. Es nimmt pkl_185.030 die verschiedensten poetischen Formen an; häufig erscheint pkl_185.031 es auch im Gewande der Prosa.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/211
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/211>, abgerufen am 24.11.2024.