Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_182.001
standen werden.
So tritt die Poesie selbst ganz in pkl_182.002
den Hintergrund. Dies ist um so mehr der Fall, je pkl_182.003
mehr die Oper durch die Beihülfe anderer Künste, pkl_182.004
durch Tanz und Dekoration zu wirken sucht. Der pkl_182.005
Dichter hat, wie A. W. Schlegel bemerkt, nur eine pkl_182.006
poetische Skizze zu liefern, deren Umrisse nachher durch pkl_182.007
die übrigen Künste ausgefüllt und gefärbt werden. Die pkl_182.008
Oper zeichnet sich gewöhnlich durch äußeren Glanz pkl_182.009
aus: sie wirkt vorzugsweise mittelst der Sinne. pkl_182.010
Dieser Umstand bestimmt denn auch die Beschaffenheit pkl_182.011
ihres Stoffes. Größtentheils wird derselbe ganz romantischer pkl_182.012
Natur sein. -- Die untergeordnete Rolle, pkl_182.013
die die Poesie in der Oper spielt, ist wohl die Hauptursache pkl_182.014
davon, daß wir fast keine Oper von eigentlich pkl_182.015
poetischem Gehalte besitzen. Dichter von Beruf und pkl_182.016
von Ruf wollen sich nicht dazu hergeben, ihre Kunst pkl_182.017
zur Magd der andern zu machen und ihrem Ehrgefühl pkl_182.018
kann es auch nicht gleichgültig sein, wenn das gesammte pkl_182.019
Publikum bei den Opern nur von der Komposition und pkl_182.020
dem Komponisten spricht und des Gedichts und des pkl_182.021
Dichters mit keiner Silbe gedenkt. Dazu kommt noch pkl_182.022
der Umstand, daß man nur dann musikalisch dichten pkl_182.023
kann, wenn man entweder selbst musikalisch, oder doch pkl_182.024
aufs Jnnigste mit dem Wesen der Musik vertraut ist. pkl_182.025
Da das auch bei wenigen Dichtern der Fall ist, so bekommen pkl_182.026
wir -- Texte, und zwar der großen Menge pkl_182.027
nach solche, die der Oper als Dichtungsart eine so unbedeutende pkl_182.028
Stelle anweisen, daß, hätten wir nicht der pkl_182.029
Vollständigkeit zu Liebe gehandelt, wir ganz über sie pkl_182.030
würden geschwiegen haben.

pkl_182.031

§. 244. Nach der Art des Stoffes, so wie

pkl_182.001
standen werden.
So tritt die Poesie selbst ganz in pkl_182.002
den Hintergrund. Dies ist um so mehr der Fall, je pkl_182.003
mehr die Oper durch die Beihülfe anderer Künste, pkl_182.004
durch Tanz und Dekoration zu wirken sucht. Der pkl_182.005
Dichter hat, wie A. W. Schlegel bemerkt, nur eine pkl_182.006
poetische Skizze zu liefern, deren Umrisse nachher durch pkl_182.007
die übrigen Künste ausgefüllt und gefärbt werden. Die pkl_182.008
Oper zeichnet sich gewöhnlich durch äußeren Glanz pkl_182.009
aus: sie wirkt vorzugsweise mittelst der Sinne. pkl_182.010
Dieser Umstand bestimmt denn auch die Beschaffenheit pkl_182.011
ihres Stoffes. Größtentheils wird derselbe ganz romantischer pkl_182.012
Natur sein. — Die untergeordnete Rolle, pkl_182.013
die die Poesie in der Oper spielt, ist wohl die Hauptursache pkl_182.014
davon, daß wir fast keine Oper von eigentlich pkl_182.015
poetischem Gehalte besitzen. Dichter von Beruf und pkl_182.016
von Ruf wollen sich nicht dazu hergeben, ihre Kunst pkl_182.017
zur Magd der andern zu machen und ihrem Ehrgefühl pkl_182.018
kann es auch nicht gleichgültig sein, wenn das gesammte pkl_182.019
Publikum bei den Opern nur von der Komposition und pkl_182.020
dem Komponisten spricht und des Gedichts und des pkl_182.021
Dichters mit keiner Silbe gedenkt. Dazu kommt noch pkl_182.022
der Umstand, daß man nur dann musikalisch dichten pkl_182.023
kann, wenn man entweder selbst musikalisch, oder doch pkl_182.024
aufs Jnnigste mit dem Wesen der Musik vertraut ist. pkl_182.025
Da das auch bei wenigen Dichtern der Fall ist, so bekommen pkl_182.026
wir — Texte, und zwar der großen Menge pkl_182.027
nach solche, die der Oper als Dichtungsart eine so unbedeutende pkl_182.028
Stelle anweisen, daß, hätten wir nicht der pkl_182.029
Vollständigkeit zu Liebe gehandelt, wir ganz über sie pkl_182.030
würden geschwiegen haben.

pkl_182.031

§. 244. Nach der Art des Stoffes, so wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0208" n="182"/><lb n="pkl_182.001"/>
standen werden.</hi> So tritt die Poesie selbst ganz in <lb n="pkl_182.002"/>
den Hintergrund. Dies ist um so mehr der Fall, je <lb n="pkl_182.003"/>
mehr die Oper durch die Beihülfe anderer Künste, <lb n="pkl_182.004"/>
durch Tanz und Dekoration zu wirken sucht. Der <lb n="pkl_182.005"/>
Dichter hat, wie A. W. <hi rendition="#g">Schlegel</hi> bemerkt, nur eine <lb n="pkl_182.006"/>
poetische Skizze zu liefern, deren Umrisse nachher durch <lb n="pkl_182.007"/>
die übrigen Künste ausgefüllt und gefärbt werden. Die <lb n="pkl_182.008"/>
Oper zeichnet sich gewöhnlich durch <hi rendition="#g">äußeren Glanz</hi> <lb n="pkl_182.009"/>
aus: sie wirkt vorzugsweise <hi rendition="#g">mittelst der Sinne.</hi> <lb n="pkl_182.010"/>
Dieser Umstand bestimmt denn auch die Beschaffenheit <lb n="pkl_182.011"/>
ihres <hi rendition="#g">Stoffes.</hi> Größtentheils wird derselbe ganz <hi rendition="#g">romantischer</hi> <lb n="pkl_182.012"/>
Natur sein. &#x2014; Die untergeordnete Rolle, <lb n="pkl_182.013"/>
die die Poesie in der Oper spielt, ist wohl die Hauptursache <lb n="pkl_182.014"/>
davon, daß wir fast keine Oper von eigentlich <lb n="pkl_182.015"/>
poetischem Gehalte besitzen. Dichter von Beruf und <lb n="pkl_182.016"/>
von Ruf wollen sich nicht dazu hergeben, ihre Kunst <lb n="pkl_182.017"/>
zur Magd der andern zu machen und ihrem Ehrgefühl <lb n="pkl_182.018"/>
kann es auch nicht gleichgültig sein, wenn das gesammte <lb n="pkl_182.019"/>
Publikum bei den Opern nur von der Komposition und <lb n="pkl_182.020"/>
dem Komponisten spricht und des Gedichts und des <lb n="pkl_182.021"/>
Dichters mit keiner Silbe gedenkt. Dazu kommt noch <lb n="pkl_182.022"/>
der Umstand, daß man nur dann musikalisch dichten <lb n="pkl_182.023"/>
kann, wenn man entweder selbst musikalisch, oder doch <lb n="pkl_182.024"/>
aufs Jnnigste mit dem Wesen der Musik vertraut ist. <lb n="pkl_182.025"/>
Da das auch bei wenigen Dichtern der Fall ist, so bekommen <lb n="pkl_182.026"/>
wir &#x2014; <hi rendition="#g">Texte,</hi> und zwar der großen Menge <lb n="pkl_182.027"/>
nach solche, die der Oper als Dichtungsart eine so unbedeutende <lb n="pkl_182.028"/>
Stelle anweisen, daß, hätten wir nicht der <lb n="pkl_182.029"/>
Vollständigkeit zu Liebe gehandelt, wir ganz über sie <lb n="pkl_182.030"/>
würden geschwiegen haben.</p>
              <lb n="pkl_182.031"/>
              <p>  §. 244. Nach der <hi rendition="#g">Art</hi> des <hi rendition="#g">Stoffes,</hi> so wie
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0208] pkl_182.001 standen werden. So tritt die Poesie selbst ganz in pkl_182.002 den Hintergrund. Dies ist um so mehr der Fall, je pkl_182.003 mehr die Oper durch die Beihülfe anderer Künste, pkl_182.004 durch Tanz und Dekoration zu wirken sucht. Der pkl_182.005 Dichter hat, wie A. W. Schlegel bemerkt, nur eine pkl_182.006 poetische Skizze zu liefern, deren Umrisse nachher durch pkl_182.007 die übrigen Künste ausgefüllt und gefärbt werden. Die pkl_182.008 Oper zeichnet sich gewöhnlich durch äußeren Glanz pkl_182.009 aus: sie wirkt vorzugsweise mittelst der Sinne. pkl_182.010 Dieser Umstand bestimmt denn auch die Beschaffenheit pkl_182.011 ihres Stoffes. Größtentheils wird derselbe ganz romantischer pkl_182.012 Natur sein. — Die untergeordnete Rolle, pkl_182.013 die die Poesie in der Oper spielt, ist wohl die Hauptursache pkl_182.014 davon, daß wir fast keine Oper von eigentlich pkl_182.015 poetischem Gehalte besitzen. Dichter von Beruf und pkl_182.016 von Ruf wollen sich nicht dazu hergeben, ihre Kunst pkl_182.017 zur Magd der andern zu machen und ihrem Ehrgefühl pkl_182.018 kann es auch nicht gleichgültig sein, wenn das gesammte pkl_182.019 Publikum bei den Opern nur von der Komposition und pkl_182.020 dem Komponisten spricht und des Gedichts und des pkl_182.021 Dichters mit keiner Silbe gedenkt. Dazu kommt noch pkl_182.022 der Umstand, daß man nur dann musikalisch dichten pkl_182.023 kann, wenn man entweder selbst musikalisch, oder doch pkl_182.024 aufs Jnnigste mit dem Wesen der Musik vertraut ist. pkl_182.025 Da das auch bei wenigen Dichtern der Fall ist, so bekommen pkl_182.026 wir — Texte, und zwar der großen Menge pkl_182.027 nach solche, die der Oper als Dichtungsart eine so unbedeutende pkl_182.028 Stelle anweisen, daß, hätten wir nicht der pkl_182.029 Vollständigkeit zu Liebe gehandelt, wir ganz über sie pkl_182.030 würden geschwiegen haben. pkl_182.031 §. 244. Nach der Art des Stoffes, so wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/208
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/208>, abgerufen am 24.11.2024.