Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_162.001 Diese demagogische Kraft im Guten und Bösen pkl_162.021 §. 225. Das Drama ist um des Theaters willen pkl_162.027 pkl_162.001 Diese demagogische Kraft im Guten und Bösen pkl_162.021 §. 225. Das Drama ist um des Theaters willen pkl_162.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0188" n="162"/><lb n="pkl_162.001"/> auf die versammelte Menge wirken zu dürfen, einem <lb n="pkl_162.002"/> sehr gefährlichen Mißbrauche ausgesetzt. Wie man sie <lb n="pkl_162.003"/> für das Edelste und Beste uneigennützig begeistern kann, <lb n="pkl_162.004"/> so läßt sie sich auch auf der andern Seite in sophistischen <lb n="pkl_162.005"/> Truggeweben verstricken, und von dem Schimmer <lb n="pkl_162.006"/> falscher Seelengröße blenden, deren ehrgeizige Verbrechen <lb n="pkl_162.007"/> als Tugend, ja als Aufopferung geschildert <lb n="pkl_162.008"/> werden. Unter den gefälligen Einkleidungen der Poesie <lb n="pkl_162.009"/> schleicht sich die Verführung unmerklich in die Ohren <lb n="pkl_162.010"/> und Herzen ein. Vor allem hat sich der komische Dichter <lb n="pkl_162.011"/> zu hüten, da er vermöge seiner Aufgabe immer an <lb n="pkl_162.012"/> dieser Klippe hinstreift, daß er nicht dem Gemeinen <lb n="pkl_162.013"/> und Niedrigen in der menschlichen Natur Luft mache, <lb n="pkl_162.014"/> sich zuversichtlich zu äußern: ist durch den Anblick der <lb n="pkl_162.015"/> Gemeinschaft auch in solchen unedlen Neigungen die <lb n="pkl_162.016"/> Schaam einmal überwunden, welche sie gewöhnlich in <lb n="pkl_162.017"/> die Gränzen der Anständigkeit zurück drängt, so bricht <lb n="pkl_162.018"/> das Wohlgefallen am Schlechten bald mit zügelloser <lb n="pkl_162.019"/> Frechheit los.</p> <lb n="pkl_162.020"/> <p> Diese demagogische Kraft im Guten und Bösen <lb n="pkl_162.021"/> hat billig von jeher die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber <lb n="pkl_162.022"/> auf das Schauspiel gerichtet. Die Aufgabe dabei ist, <lb n="pkl_162.023"/> die zum Gedeihen schöner Kunst nöthige ungezwungene <lb n="pkl_162.024"/> Bewegung mit den Rücksichten zu vereinbaren, welche <lb n="pkl_162.025"/> die jedesmalige Staats- und Sittenverfassung fordern.“</p> <lb n="pkl_162.026"/> <p> §. 225. Das Drama ist um des <hi rendition="#g">Theaters</hi> willen <lb n="pkl_162.027"/> da, es erreicht seine <hi rendition="#g">Bestimmung</hi> erst <hi rendition="#g">dadurch</hi> <lb n="pkl_162.028"/> ganz, daß es <hi rendition="#g">vorgestellt, aufgeführt</hi> wird. Es ist <lb n="pkl_162.029"/> billig, daß wir auf diesen Punkt etwas näher eingehen <lb n="pkl_162.030"/> und uns <hi rendition="#g">über die Stellung des Theaters zum <lb n="pkl_162.031"/> Leben</hi> ins Klare setzen. Wir legen dem Theater eine </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0188]
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auf die versammelte Menge wirken zu dürfen, einem pkl_162.002
sehr gefährlichen Mißbrauche ausgesetzt. Wie man sie pkl_162.003
für das Edelste und Beste uneigennützig begeistern kann, pkl_162.004
so läßt sie sich auch auf der andern Seite in sophistischen pkl_162.005
Truggeweben verstricken, und von dem Schimmer pkl_162.006
falscher Seelengröße blenden, deren ehrgeizige Verbrechen pkl_162.007
als Tugend, ja als Aufopferung geschildert pkl_162.008
werden. Unter den gefälligen Einkleidungen der Poesie pkl_162.009
schleicht sich die Verführung unmerklich in die Ohren pkl_162.010
und Herzen ein. Vor allem hat sich der komische Dichter pkl_162.011
zu hüten, da er vermöge seiner Aufgabe immer an pkl_162.012
dieser Klippe hinstreift, daß er nicht dem Gemeinen pkl_162.013
und Niedrigen in der menschlichen Natur Luft mache, pkl_162.014
sich zuversichtlich zu äußern: ist durch den Anblick der pkl_162.015
Gemeinschaft auch in solchen unedlen Neigungen die pkl_162.016
Schaam einmal überwunden, welche sie gewöhnlich in pkl_162.017
die Gränzen der Anständigkeit zurück drängt, so bricht pkl_162.018
das Wohlgefallen am Schlechten bald mit zügelloser pkl_162.019
Frechheit los.
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Diese demagogische Kraft im Guten und Bösen pkl_162.021
hat billig von jeher die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber pkl_162.022
auf das Schauspiel gerichtet. Die Aufgabe dabei ist, pkl_162.023
die zum Gedeihen schöner Kunst nöthige ungezwungene pkl_162.024
Bewegung mit den Rücksichten zu vereinbaren, welche pkl_162.025
die jedesmalige Staats- und Sittenverfassung fordern.“
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§. 225. Das Drama ist um des Theaters willen pkl_162.027
da, es erreicht seine Bestimmung erst dadurch pkl_162.028
ganz, daß es vorgestellt, aufgeführt wird. Es ist pkl_162.029
billig, daß wir auf diesen Punkt etwas näher eingehen pkl_162.030
und uns über die Stellung des Theaters zum pkl_162.031
Leben ins Klare setzen. Wir legen dem Theater eine
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