pkl_159.001 Chorgesänge weit mehr vorgehen zu lassen, als nach pkl_159.002 ihrer wirklichen Dauer vorgehen könnte. Seit Shakespearepkl_159.003 zu der ihm gebührenden Anerkennung gekommen pkl_159.004 ist, haben sich übrigens die Dichter nicht mehr pkl_159.005 um diese Forderung gekümmert (nur die sogenannte pkl_159.006 klassische Schule der Franzosen hält sie noch fest). Man pkl_159.007 beobachtet vorzugsweise die Einheit der Handlung, und pkl_159.008 wo Sprünge der Zeit oder dem Orte nach stattfinden, pkl_159.009 sucht man sie durch die Eintheilung oder die Sceneriepkl_159.010 des Dramas zu vermitteln. Dagegen wird der pkl_159.011 Dichter immer die Sprache der Zeit, in der die pkl_159.012 Handlung spielt, möglichst analog gestalten müssen, pkl_159.013 wie auch bei der theatralischen Darstellung die Garderobepkl_159.014 der Darstellenden, die Scenerie &c. immer der pkl_159.015 Zeit und dem Orte der Fabel entsprechen muß.
pkl_159.016
§. 223. "Da schon in der dramatischen Form die pkl_159.017 Voraussetzung der sichtbaren Darstellung und der Anspruch pkl_159.018 darauf liegt, so kann ein dramatisches Werk pkl_159.019 immer aus einem doppelten Gesichtspunkte betrachtet pkl_159.020 werden, inwiefern es poetisch und inwiefern es theatralischpkl_159.021 ist. Eins kann sehr wohl vom andern getrennt pkl_159.022 sein." Ein Drama kann poetisch sein, es kann auf den pkl_159.023 Leser einen ganz vortrefflichen Eindruck machen, *)pkl_159.024 während es den Zuschauer kalt läßt. Wiederum kann pkl_159.025 ein anderes Drama auf der Bühne Effekt machen, es pkl_159.026 kann großen theatralischen Werth haben, während sein pkl_159.027 poetischer Gehalt ein sehr geringer ist. Die besten Dramen pkl_159.028 werden die sein, die theatralische Wirkung mit
*)pkl_159.029 Jm Grunde aber kann, wie A. W. Schlegel richtig bemerkt, pkl_159.030 das nicht für die Bühne berechnete Drama doch pkl_159.031 nur dann wirken, wenn man sich die Bühne hinzudenkt.
pkl_159.001 Chorgesänge weit mehr vorgehen zu lassen, als nach pkl_159.002 ihrer wirklichen Dauer vorgehen könnte. Seit Shakespearepkl_159.003 zu der ihm gebührenden Anerkennung gekommen pkl_159.004 ist, haben sich übrigens die Dichter nicht mehr pkl_159.005 um diese Forderung gekümmert (nur die sogenannte pkl_159.006 klassische Schule der Franzosen hält sie noch fest). Man pkl_159.007 beobachtet vorzugsweise die Einheit der Handlung, und pkl_159.008 wo Sprünge der Zeit oder dem Orte nach stattfinden, pkl_159.009 sucht man sie durch die Eintheilung oder die Sceneriepkl_159.010 des Dramas zu vermitteln. Dagegen wird der pkl_159.011 Dichter immer die Sprache der Zeit, in der die pkl_159.012 Handlung spielt, möglichst analog gestalten müssen, pkl_159.013 wie auch bei der theatralischen Darstellung die Garderobepkl_159.014 der Darstellenden, die Scenerie &c. immer der pkl_159.015 Zeit und dem Orte der Fabel entsprechen muß.
pkl_159.016
§. 223. „Da schon in der dramatischen Form die pkl_159.017 Voraussetzung der sichtbaren Darstellung und der Anspruch pkl_159.018 darauf liegt, so kann ein dramatisches Werk pkl_159.019 immer aus einem doppelten Gesichtspunkte betrachtet pkl_159.020 werden, inwiefern es poetisch und inwiefern es theatralischpkl_159.021 ist. Eins kann sehr wohl vom andern getrennt pkl_159.022 sein.“ Ein Drama kann poetisch sein, es kann auf den pkl_159.023 Leser einen ganz vortrefflichen Eindruck machen, *)pkl_159.024 während es den Zuschauer kalt läßt. Wiederum kann pkl_159.025 ein anderes Drama auf der Bühne Effekt machen, es pkl_159.026 kann großen theatralischen Werth haben, während sein pkl_159.027 poetischer Gehalt ein sehr geringer ist. Die besten Dramen pkl_159.028 werden die sein, die theatralische Wirkung mit
*)pkl_159.029 Jm Grunde aber kann, wie A. W. Schlegel richtig bemerkt, pkl_159.030 das nicht für die Bühne berechnete Drama doch pkl_159.031 nur dann wirken, wenn man sich die Bühne hinzudenkt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0185"n="159"/><lbn="pkl_159.001"/>
Chorgesänge weit mehr vorgehen zu lassen, als nach <lbn="pkl_159.002"/>
ihrer wirklichen Dauer vorgehen könnte. Seit <hirendition="#g">Shakespeare</hi><lbn="pkl_159.003"/>
zu der ihm gebührenden Anerkennung gekommen <lbn="pkl_159.004"/>
ist, haben sich übrigens die Dichter nicht mehr <lbn="pkl_159.005"/>
um diese Forderung gekümmert (nur die sogenannte <lbn="pkl_159.006"/>
klassische Schule der Franzosen hält sie noch fest). Man <lbn="pkl_159.007"/>
beobachtet vorzugsweise die Einheit der Handlung, und <lbn="pkl_159.008"/>
wo <hirendition="#g">Sprünge</hi> der Zeit oder dem Orte nach stattfinden, <lbn="pkl_159.009"/>
sucht man sie durch die <hirendition="#g">Eintheilung</hi> oder die <hirendition="#g">Scenerie</hi><lbn="pkl_159.010"/>
des Dramas zu vermitteln. Dagegen wird der <lbn="pkl_159.011"/>
Dichter immer die <hirendition="#g">Sprache der Zeit,</hi> in der die <lbn="pkl_159.012"/>
Handlung spielt, möglichst <hirendition="#g">analog</hi> gestalten müssen, <lbn="pkl_159.013"/>
wie auch bei der theatralischen Darstellung die <hirendition="#g">Garderobe</hi><lbn="pkl_159.014"/>
der Darstellenden, die <hirendition="#g">Scenerie</hi>&c. immer der <lbn="pkl_159.015"/><hirendition="#g">Zeit</hi> und dem <hirendition="#g">Orte</hi> der Fabel entsprechen muß.</p><lbn="pkl_159.016"/><p> §. 223. „Da schon in der dramatischen Form die <lbn="pkl_159.017"/>
Voraussetzung der sichtbaren Darstellung und der Anspruch <lbn="pkl_159.018"/>
darauf liegt, so kann ein dramatisches Werk <lbn="pkl_159.019"/>
immer aus einem doppelten Gesichtspunkte betrachtet <lbn="pkl_159.020"/>
werden, inwiefern es <hirendition="#g">poetisch</hi> und inwiefern es <hirendition="#g">theatralisch</hi><lbn="pkl_159.021"/>
ist. Eins kann sehr wohl vom andern getrennt <lbn="pkl_159.022"/>
sein.“ Ein Drama kann poetisch sein, es kann auf den <lbn="pkl_159.023"/><hirendition="#g">Leser</hi> einen ganz vortrefflichen Eindruck machen, <notexml:id="PKL_159_1"place="foot"n="*)"><lbn="pkl_159.029"/>
Jm Grunde aber kann, wie A. W. <hirendition="#g">Schlegel</hi> richtig bemerkt, <lbn="pkl_159.030"/>
das nicht für die Bühne berechnete Drama doch <lbn="pkl_159.031"/>
nur dann wirken, wenn man sich die Bühne hinzudenkt.</note><lbn="pkl_159.024"/>
während es den Zuschauer kalt läßt. Wiederum kann <lbn="pkl_159.025"/>
ein anderes Drama auf der Bühne Effekt machen, es <lbn="pkl_159.026"/>
kann großen theatralischen Werth haben, während sein <lbn="pkl_159.027"/>
poetischer Gehalt ein sehr geringer ist. Die besten Dramen <lbn="pkl_159.028"/>
werden die sein, die theatralische Wirkung mit
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[159/0185]
pkl_159.001
Chorgesänge weit mehr vorgehen zu lassen, als nach pkl_159.002
ihrer wirklichen Dauer vorgehen könnte. Seit Shakespeare pkl_159.003
zu der ihm gebührenden Anerkennung gekommen pkl_159.004
ist, haben sich übrigens die Dichter nicht mehr pkl_159.005
um diese Forderung gekümmert (nur die sogenannte pkl_159.006
klassische Schule der Franzosen hält sie noch fest). Man pkl_159.007
beobachtet vorzugsweise die Einheit der Handlung, und pkl_159.008
wo Sprünge der Zeit oder dem Orte nach stattfinden, pkl_159.009
sucht man sie durch die Eintheilung oder die Scenerie pkl_159.010
des Dramas zu vermitteln. Dagegen wird der pkl_159.011
Dichter immer die Sprache der Zeit, in der die pkl_159.012
Handlung spielt, möglichst analog gestalten müssen, pkl_159.013
wie auch bei der theatralischen Darstellung die Garderobe pkl_159.014
der Darstellenden, die Scenerie &c. immer der pkl_159.015
Zeit und dem Orte der Fabel entsprechen muß.
pkl_159.016
§. 223. „Da schon in der dramatischen Form die pkl_159.017
Voraussetzung der sichtbaren Darstellung und der Anspruch pkl_159.018
darauf liegt, so kann ein dramatisches Werk pkl_159.019
immer aus einem doppelten Gesichtspunkte betrachtet pkl_159.020
werden, inwiefern es poetisch und inwiefern es theatralisch pkl_159.021
ist. Eins kann sehr wohl vom andern getrennt pkl_159.022
sein.“ Ein Drama kann poetisch sein, es kann auf den pkl_159.023
Leser einen ganz vortrefflichen Eindruck machen, *) pkl_159.024
während es den Zuschauer kalt läßt. Wiederum kann pkl_159.025
ein anderes Drama auf der Bühne Effekt machen, es pkl_159.026
kann großen theatralischen Werth haben, während sein pkl_159.027
poetischer Gehalt ein sehr geringer ist. Die besten Dramen pkl_159.028
werden die sein, die theatralische Wirkung mit
*) pkl_159.029
Jm Grunde aber kann, wie A. W. Schlegel richtig bemerkt, pkl_159.030
das nicht für die Bühne berechnete Drama doch pkl_159.031
nur dann wirken, wenn man sich die Bühne hinzudenkt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/185>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.