Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_150.001
zusammenhängender Ansichten
über Gegenstände pkl_150.002
der Moral, Wissenschaft oder Kunst Platz; pkl_150.003
oder das Faktische ist solchermaaßen erfunden und geordnet, pkl_150.004
daß es in seinem Gesammt-Eindruck eine Jdee pkl_150.005
veranschaulicht, eine große Lehre bestätigt oder eine pkl_150.006
falsche Zeitansicht bekämpft. Gerade im Tendenz- pkl_150.007
Roman findet der Dichter die beste Gelegenheit, sich pkl_150.008
auszusprechen, -- die Resultate seines Nachdenkens einem pkl_150.009
zahlreichen Leserkreise mitzutheilen. Und in der pkl_150.010
That haben manche unserer ersten Geister in ihren pkl_150.011
Romanen Schätze niedergelegt, welche unsere ganze pkl_150.012
Beachtung verdienen. Nach der Eigenthümlichkeit der pkl_150.013
darin berührten Gegenstände unterscheidet man moralische, pkl_150.014
ascetische, ästhetische, pädagogische, pkl_150.015
theologische
und (im engern Sinne) philosophische pkl_150.016
Romane.

pkl_150.017

§. 215. Abgesehen von der Beschaffenheit des pkl_150.018
Stoffs, aber mit Rücksicht auf die Art der Auffassung pkl_150.019
und Darstellung desselben, unterscheidet man pkl_150.020
ernste, tragische, sentimentale, humoristische, pkl_150.021
komische, satyrische
Romane.

pkl_150.022

Nach den Lebenskreisen, in denen sich die pkl_150.023
Handlung des Romans bewegt, giebt es Ritter-, pkl_150.024
Räuber-, Schäfer-, Künstler-
Romane u. s. w.

pkl_150.025

§. 216. Jn Bezug auf die Darstellung hat pkl_150.026
der Romandichter besonders Folgendes zu beachten: pkl_150.027
Er muß das Jnteresse des Lesers fesseln und spannen pkl_150.028
durch steigernde Verwickelung der Begebenheiten; pkl_150.029
doch muß diese Verwickelung, wie der ganze pkl_150.030
Verlauf, immer den Schein historischer Wahrheit an pkl_150.031
sich tragen und eine naturgemäße, befriedigende Lösung

pkl_150.001
zusammenhängender Ansichten
über Gegenstände pkl_150.002
der Moral, Wissenschaft oder Kunst Platz; pkl_150.003
oder das Faktische ist solchermaaßen erfunden und geordnet, pkl_150.004
daß es in seinem Gesammt-Eindruck eine Jdee pkl_150.005
veranschaulicht, eine große Lehre bestätigt oder eine pkl_150.006
falsche Zeitansicht bekämpft. Gerade im Tendenz- pkl_150.007
Roman findet der Dichter die beste Gelegenheit, sich pkl_150.008
auszusprechen, — die Resultate seines Nachdenkens einem pkl_150.009
zahlreichen Leserkreise mitzutheilen. Und in der pkl_150.010
That haben manche unserer ersten Geister in ihren pkl_150.011
Romanen Schätze niedergelegt, welche unsere ganze pkl_150.012
Beachtung verdienen. Nach der Eigenthümlichkeit der pkl_150.013
darin berührten Gegenstände unterscheidet man moralische, pkl_150.014
ascetische, ästhetische, pädagogische, pkl_150.015
theologische
und (im engern Sinne) philosophische pkl_150.016
Romane.

pkl_150.017

§. 215. Abgesehen von der Beschaffenheit des pkl_150.018
Stoffs, aber mit Rücksicht auf die Art der Auffassung pkl_150.019
und Darstellung desselben, unterscheidet man pkl_150.020
ernste, tragische, sentimentale, humoristische, pkl_150.021
komische, satyrische
Romane.

pkl_150.022

Nach den Lebenskreisen, in denen sich die pkl_150.023
Handlung des Romans bewegt, giebt es Ritter-, pkl_150.024
Räuber-, Schäfer-, Künstler-
Romane u. s. w.

pkl_150.025

§. 216. Jn Bezug auf die Darstellung hat pkl_150.026
der Romandichter besonders Folgendes zu beachten: pkl_150.027
Er muß das Jnteresse des Lesers fesseln und spannen pkl_150.028
durch steigernde Verwickelung der Begebenheiten; pkl_150.029
doch muß diese Verwickelung, wie der ganze pkl_150.030
Verlauf, immer den Schein historischer Wahrheit an pkl_150.031
sich tragen und eine naturgemäße, befriedigende Lösung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0176" n="150"/><lb n="pkl_150.001"/>
zusammenhängender Ansichten</hi> über Gegenstände <lb n="pkl_150.002"/>
der <hi rendition="#g">Moral, Wissenschaft</hi> oder <hi rendition="#g">Kunst</hi> Platz; <lb n="pkl_150.003"/>
oder das Faktische ist solchermaaßen erfunden und geordnet, <lb n="pkl_150.004"/>
daß es in seinem Gesammt-Eindruck eine <hi rendition="#g">Jdee</hi> <lb n="pkl_150.005"/>
veranschaulicht, eine <hi rendition="#g">große Lehre</hi> bestätigt oder eine <lb n="pkl_150.006"/> <hi rendition="#g">falsche Zeitansicht</hi> bekämpft. Gerade im Tendenz- <lb n="pkl_150.007"/>
Roman findet der Dichter die beste Gelegenheit, sich <lb n="pkl_150.008"/>
auszusprechen, &#x2014; die Resultate seines Nachdenkens einem <lb n="pkl_150.009"/>
zahlreichen Leserkreise mitzutheilen. Und in der <lb n="pkl_150.010"/>
That haben manche unserer ersten Geister in ihren <lb n="pkl_150.011"/>
Romanen Schätze niedergelegt, welche unsere ganze <lb n="pkl_150.012"/>
Beachtung verdienen. Nach der Eigenthümlichkeit der <lb n="pkl_150.013"/>
darin berührten Gegenstände unterscheidet man <hi rendition="#g">moralische, <lb n="pkl_150.014"/>
ascetische, ästhetische, pädagogische, <lb n="pkl_150.015"/>
theologische</hi> und (im engern Sinne) <hi rendition="#g">philosophische</hi> <lb n="pkl_150.016"/>
Romane.</p>
              <lb n="pkl_150.017"/>
              <p>  §. 215. Abgesehen von der Beschaffenheit des <lb n="pkl_150.018"/>
Stoffs, aber mit Rücksicht auf die Art der <hi rendition="#g">Auffassung</hi> <lb n="pkl_150.019"/>
und <hi rendition="#g">Darstellung</hi> desselben, unterscheidet man <lb n="pkl_150.020"/> <hi rendition="#g">ernste, tragische, sentimentale, humoristische, <lb n="pkl_150.021"/>
komische, satyrische</hi> Romane.</p>
              <lb n="pkl_150.022"/>
              <p>  Nach den <hi rendition="#g">Lebenskreisen,</hi> in denen sich die <lb n="pkl_150.023"/>
Handlung des Romans bewegt, giebt es <hi rendition="#g">Ritter-, <lb n="pkl_150.024"/>
Räuber-, Schäfer-, Künstler-</hi>Romane u. s. w.</p>
              <lb n="pkl_150.025"/>
              <p>  §. 216. Jn Bezug auf die <hi rendition="#g">Darstellung</hi> hat <lb n="pkl_150.026"/>
der Romandichter besonders Folgendes zu beachten: <lb n="pkl_150.027"/>
Er muß das <hi rendition="#g">Jnteresse</hi> des Lesers fesseln und spannen <lb n="pkl_150.028"/>
durch steigernde <hi rendition="#g">Verwickelung der Begebenheiten;</hi> <lb n="pkl_150.029"/>
doch muß diese Verwickelung, wie der ganze <lb n="pkl_150.030"/>
Verlauf, immer den Schein historischer Wahrheit an <lb n="pkl_150.031"/>
sich tragen und eine naturgemäße, befriedigende <hi rendition="#g">Lösung</hi> </p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0176] pkl_150.001 zusammenhängender Ansichten über Gegenstände pkl_150.002 der Moral, Wissenschaft oder Kunst Platz; pkl_150.003 oder das Faktische ist solchermaaßen erfunden und geordnet, pkl_150.004 daß es in seinem Gesammt-Eindruck eine Jdee pkl_150.005 veranschaulicht, eine große Lehre bestätigt oder eine pkl_150.006 falsche Zeitansicht bekämpft. Gerade im Tendenz- pkl_150.007 Roman findet der Dichter die beste Gelegenheit, sich pkl_150.008 auszusprechen, — die Resultate seines Nachdenkens einem pkl_150.009 zahlreichen Leserkreise mitzutheilen. Und in der pkl_150.010 That haben manche unserer ersten Geister in ihren pkl_150.011 Romanen Schätze niedergelegt, welche unsere ganze pkl_150.012 Beachtung verdienen. Nach der Eigenthümlichkeit der pkl_150.013 darin berührten Gegenstände unterscheidet man moralische, pkl_150.014 ascetische, ästhetische, pädagogische, pkl_150.015 theologische und (im engern Sinne) philosophische pkl_150.016 Romane. pkl_150.017 §. 215. Abgesehen von der Beschaffenheit des pkl_150.018 Stoffs, aber mit Rücksicht auf die Art der Auffassung pkl_150.019 und Darstellung desselben, unterscheidet man pkl_150.020 ernste, tragische, sentimentale, humoristische, pkl_150.021 komische, satyrische Romane. pkl_150.022 Nach den Lebenskreisen, in denen sich die pkl_150.023 Handlung des Romans bewegt, giebt es Ritter-, pkl_150.024 Räuber-, Schäfer-, Künstler-Romane u. s. w. pkl_150.025 §. 216. Jn Bezug auf die Darstellung hat pkl_150.026 der Romandichter besonders Folgendes zu beachten: pkl_150.027 Er muß das Jnteresse des Lesers fesseln und spannen pkl_150.028 durch steigernde Verwickelung der Begebenheiten; pkl_150.029 doch muß diese Verwickelung, wie der ganze pkl_150.030 Verlauf, immer den Schein historischer Wahrheit an pkl_150.031 sich tragen und eine naturgemäße, befriedigende Lösung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/176
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/176>, abgerufen am 25.11.2024.