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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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Volkes lebten, giebt es nicht ganz wenige, welche, abgesehen pkl_140.002
von den Mängeln der Form, als gute Balladen, pkl_140.003
häufiger freilich nur als Bruchstücke und Ueberbleibsel pkl_140.004
von solchen, gelten können. Wenn wir an pkl_140.005
Reliquien dieser Art weniger reich sind, als die Schotten, pkl_140.006
Britten, Schweden, Dänen &c., so rührt das wohl pkl_140.007
ohne Zweifel nur daher, weil in den letzten Jahrhunderten pkl_140.008
vor dem unsrigen leider in Deutschland eine pkl_140.009
große Gleichgültigkeit gegen überlieferte Volkspoesie pkl_140.010
herrschend war, wobei natürlich mancher köstlicher Schatz pkl_140.011
verloren ging. Um so mehr haben wir das Werthvolle pkl_140.012
dieser Art, was uns blieb, hoch zu achten, und es kann pkl_140.013
unseren begabtesten Kunstdichtern bei der Balladendichtung pkl_140.014
als Fingerzeig, in mancher Hinsicht als Muster pkl_140.015
dienen. (Auch die Unregelmäßigkeiten der Form nachzuahmen, pkl_140.016
würde freilich Thorheit sein.) -- Jn der deutschen pkl_140.017
Kunstpoesie wurde das Feld der Ballade und Romanze pkl_140.018
zuerst durch Bürger mit Erfolg angebaut; pkl_140.019
seine "Lenore" wird stets bewundert bleiben, wenn ihr pkl_140.020
auch etwas mehr Gedrängtheit zu wünschen wäre. An pkl_140.021
ihn schlossen sich andere Mitglieder des Göttinger Hainbundes pkl_140.022
an. Herder erwarb sich namentlich durch Bearbeitung pkl_140.023
spanischer Romanzen (des Cid!) und balladenartiger pkl_140.024
nordischer Volkslieder (wir erinnern nur an pkl_140.025
"Edward") große Verdienste um die weitere Pflege derselben. pkl_140.026
Durch Göthe, zum Theil auch durch Schiller, pkl_140.027
und später durch Uhland, wurde das Ausgezeichnetste pkl_140.028
geleistet, was wir in dieser Gattung besitzen. Die Mehrzahl pkl_140.029
der Schiller'schen "Balladen" jedoch stellen wir pkl_140.030
als Gedichte überhaupt zwar eben so hoch, wie die pkl_140.031
Göthe'schen &c., finden sie aber zu sehr ausgemalt

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ohne Zweifel nur daher, weil in den letzten Jahrhunderten pkl_140.008
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als Fingerzeig, in mancher Hinsicht als Muster pkl_140.015
dienen. (Auch die Unregelmäßigkeiten der Form nachzuahmen, pkl_140.016
würde freilich Thorheit sein.) — Jn der deutschen pkl_140.017
Kunstpoesie wurde das Feld der Ballade und Romanze pkl_140.018
zuerst durch Bürger mit Erfolg angebaut; pkl_140.019
seine „Lenore“ wird stets bewundert bleiben, wenn ihr pkl_140.020
auch etwas mehr Gedrängtheit zu wünschen wäre. An pkl_140.021
ihn schlossen sich andere Mitglieder des Göttinger Hainbundes pkl_140.022
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[140/0166] pkl_140.001 Volkes lebten, giebt es nicht ganz wenige, welche, abgesehen pkl_140.002 von den Mängeln der Form, als gute Balladen, pkl_140.003 häufiger freilich nur als Bruchstücke und Ueberbleibsel pkl_140.004 von solchen, gelten können. Wenn wir an pkl_140.005 Reliquien dieser Art weniger reich sind, als die Schotten, pkl_140.006 Britten, Schweden, Dänen &c., so rührt das wohl pkl_140.007 ohne Zweifel nur daher, weil in den letzten Jahrhunderten pkl_140.008 vor dem unsrigen leider in Deutschland eine pkl_140.009 große Gleichgültigkeit gegen überlieferte Volkspoesie pkl_140.010 herrschend war, wobei natürlich mancher köstlicher Schatz pkl_140.011 verloren ging. Um so mehr haben wir das Werthvolle pkl_140.012 dieser Art, was uns blieb, hoch zu achten, und es kann pkl_140.013 unseren begabtesten Kunstdichtern bei der Balladendichtung pkl_140.014 als Fingerzeig, in mancher Hinsicht als Muster pkl_140.015 dienen. (Auch die Unregelmäßigkeiten der Form nachzuahmen, pkl_140.016 würde freilich Thorheit sein.) — Jn der deutschen pkl_140.017 Kunstpoesie wurde das Feld der Ballade und Romanze pkl_140.018 zuerst durch Bürger mit Erfolg angebaut; pkl_140.019 seine „Lenore“ wird stets bewundert bleiben, wenn ihr pkl_140.020 auch etwas mehr Gedrängtheit zu wünschen wäre. An pkl_140.021 ihn schlossen sich andere Mitglieder des Göttinger Hainbundes pkl_140.022 an. Herder erwarb sich namentlich durch Bearbeitung pkl_140.023 spanischer Romanzen (des Cid!) und balladenartiger pkl_140.024 nordischer Volkslieder (wir erinnern nur an pkl_140.025 „Edward“) große Verdienste um die weitere Pflege derselben. pkl_140.026 Durch Göthe, zum Theil auch durch Schiller, pkl_140.027 und später durch Uhland, wurde das Ausgezeichnetste pkl_140.028 geleistet, was wir in dieser Gattung besitzen. Die Mehrzahl pkl_140.029 der Schiller'schen „Balladen“ jedoch stellen wir pkl_140.030 als Gedichte überhaupt zwar eben so hoch, wie die pkl_140.031 Göthe'schen &c., finden sie aber zu sehr ausgemalt

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/166>, abgerufen am 24.11.2024.