Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_128.001 §. 189. Die Legende wird gemeiniglich in die pkl_128.016 pkl_128.001 §. 189. Die Legende wird gemeiniglich in die pkl_128.016 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0154" n="128"/><lb n="pkl_128.001"/> in welchem alles das enthalten war, was dem Volke <lb n="pkl_128.002"/> beim Gottesdienste vorgelesen werden sollte. Später <lb n="pkl_128.003"/> trug man, den Begriff des Vorlesens festhaltend, den <lb n="pkl_128.004"/> Namen auf diejenigen Bücher über, welche, als Sammlungen <lb n="pkl_128.005"/> wunderbarer Begebenheiten aus dem Leben der <lb n="pkl_128.006"/> Heiligen und Märtyrer, dazu dienten, in den Klöstern <lb n="pkl_128.007"/> vorgelesen zu werden. Darauf nannte man diese Begebenheiten <lb n="pkl_128.008"/> selbst Legenden; bis endlich der Name für <lb n="pkl_128.009"/> die poetische Behandlung derselben angewendet wurde. <lb n="pkl_128.010"/> Demnach verstehen wir hier unter <hi rendition="#g">Legende die poetische <lb n="pkl_128.011"/> Darstellung einer, dem Sagenkreise <lb n="pkl_128.012"/> der christlichen Kirche entnommenen, in der <lb n="pkl_128.013"/> Regel wunderbaren Begebenheit.</hi> Die Legende <lb n="pkl_128.014"/> ist somit eine besondere Art von poetischer Erzählung.</p> <lb n="pkl_128.015"/> <p> §. 189. Die Legende wird gemeiniglich in die <lb n="pkl_128.016"/> <hi rendition="#g">ernste</hi> und in die <hi rendition="#g">komische</hi> unterschieden. Die erstere <lb n="pkl_128.017"/> stellt mit würdigem Tone, der, wie der behandelte Stoff <lb n="pkl_128.018"/> selber, als Ergebniß schlichter Einfalt und kindlichen <lb n="pkl_128.019"/> Glaubens erscheinen muß, eine wunderbare ernste Begebenheit, <lb n="pkl_128.020"/> als solche dar; die letztere dagegen führt entweder <lb n="pkl_128.021"/> eine, dem Gebiet der Sage angehörende, <hi rendition="#g">heitere</hi> <lb n="pkl_128.022"/> Geschichte aus dem Leben eines Heiligen vor, <lb n="pkl_128.023"/> oder sie sucht durch die Darstellung das Unhaltbare, <lb n="pkl_128.024"/> Abergläubische zu zeigen, worauf sich die erzählte, wunderbare <lb n="pkl_128.025"/> Handlung des betreffenden Heiligen stützt. Jm <lb n="pkl_128.026"/> letzten Falle erhält sonach die komische Legende eine satyrische <lb n="pkl_128.027"/> Tendenz; als eigentliche Satyre kann sie jedoch <lb n="pkl_128.028"/> deshalb nicht angesehen werden. Denn auch die <lb n="pkl_128.029"/> komische Legende soll nicht zur Geißel werden; sie soll <lb n="pkl_128.030"/> nur erheitern, darf aber nie das gläubige Gemüth verletzen <lb n="pkl_128.031"/> und verwunden. Jn diesem Stücke haben viele </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0154]
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in welchem alles das enthalten war, was dem Volke pkl_128.002
beim Gottesdienste vorgelesen werden sollte. Später pkl_128.003
trug man, den Begriff des Vorlesens festhaltend, den pkl_128.004
Namen auf diejenigen Bücher über, welche, als Sammlungen pkl_128.005
wunderbarer Begebenheiten aus dem Leben der pkl_128.006
Heiligen und Märtyrer, dazu dienten, in den Klöstern pkl_128.007
vorgelesen zu werden. Darauf nannte man diese Begebenheiten pkl_128.008
selbst Legenden; bis endlich der Name für pkl_128.009
die poetische Behandlung derselben angewendet wurde. pkl_128.010
Demnach verstehen wir hier unter Legende die poetische pkl_128.011
Darstellung einer, dem Sagenkreise pkl_128.012
der christlichen Kirche entnommenen, in der pkl_128.013
Regel wunderbaren Begebenheit. Die Legende pkl_128.014
ist somit eine besondere Art von poetischer Erzählung.
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§. 189. Die Legende wird gemeiniglich in die pkl_128.016
ernste und in die komische unterschieden. Die erstere pkl_128.017
stellt mit würdigem Tone, der, wie der behandelte Stoff pkl_128.018
selber, als Ergebniß schlichter Einfalt und kindlichen pkl_128.019
Glaubens erscheinen muß, eine wunderbare ernste Begebenheit, pkl_128.020
als solche dar; die letztere dagegen führt entweder pkl_128.021
eine, dem Gebiet der Sage angehörende, heitere pkl_128.022
Geschichte aus dem Leben eines Heiligen vor, pkl_128.023
oder sie sucht durch die Darstellung das Unhaltbare, pkl_128.024
Abergläubische zu zeigen, worauf sich die erzählte, wunderbare pkl_128.025
Handlung des betreffenden Heiligen stützt. Jm pkl_128.026
letzten Falle erhält sonach die komische Legende eine satyrische pkl_128.027
Tendenz; als eigentliche Satyre kann sie jedoch pkl_128.028
deshalb nicht angesehen werden. Denn auch die pkl_128.029
komische Legende soll nicht zur Geißel werden; sie soll pkl_128.030
nur erheitern, darf aber nie das gläubige Gemüth verletzen pkl_128.031
und verwunden. Jn diesem Stücke haben viele
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