pkl_111.001 Manieren in der Darstellung zu hüten. So erhalten pkl_111.002 viele unserer, zum Theil berühmten Satyren dadurch pkl_111.003 etwas Widerliches, daß in ihnen die direkte Jronie, pkl_111.004 wonach man das Tadelnswürdige lobt und das Lobenswürdige pkl_111.005 tadelt, zu viel angewendet ist.
pkl_111.006
§. 164. Die Satyre kann nicht nur als lyrisches,pkl_111.007 sondern auch als dramatisches oder epischespkl_111.008 Gedicht (als Lustspiel, Erzählung, Fabel, Brief &c.) in pkl_111.009 metrischer, wie in prosaischer Form auftreten. pkl_111.010 Wenn wir sie als lyrische Dichtungsart aufführen, pkl_111.011 so geschieht dies, weil sie in jedem Falle als pkl_111.012 subjektive Aeußerung des Dichters erscheint. pkl_111.013 Wo sie, als eigentlich lyrisch, metrischer Formen bedarf, pkl_111.014 hat man meist den gereimten Alexandriner, die Stanze, pkl_111.015 das Sonett und den Hexameter angewendet; doch sind pkl_111.016 andere Formen natürlich nicht ausgeschlossen.
pkl_111.017
§. 165. Wenn wir über die Leistungen deutscher pkl_111.018 Dichter auf dem Felde der Satyre berichten sollen, so pkl_111.019 können wir kurzweg sagen: wir haben viele Satyriker, pkl_111.020 aber wenig Satyren. Was man bei pkl_111.021 uns so nennt, verdient mit wenigen Ausnahmen den pkl_111.022 Namen nicht. Das liegt nicht an unsern Dichtern, pkl_111.023 sondern wird durch unsere Verhältnisse herbeigeführt. pkl_111.024 Die Dichter müssen es ja scheuen, "die Größe, den pkl_111.025 Glanz, die den großen Haufen blenden, falsche Anmaaßung pkl_111.026 und leeren, eitlen Schein zu verhöhnen" und pkl_111.027 "die eigentlichen Feinde der Menschheit, die Leute, pkl_111.028 welche ganz ungescheut der öffentlichen Meinung Hohn pkl_111.029 sprechen dürfen," *) mit ihrer satyrischen Ruthe zu
*)pkl_111.030 Schlosser am angeführten Orte.
pkl_111.001 Manieren in der Darstellung zu hüten. So erhalten pkl_111.002 viele unserer, zum Theil berühmten Satyren dadurch pkl_111.003 etwas Widerliches, daß in ihnen die direkte Jronie, pkl_111.004 wonach man das Tadelnswürdige lobt und das Lobenswürdige pkl_111.005 tadelt, zu viel angewendet ist.
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§. 164. Die Satyre kann nicht nur als lyrisches,pkl_111.007 sondern auch als dramatisches oder epischespkl_111.008 Gedicht (als Lustspiel, Erzählung, Fabel, Brief &c.) in pkl_111.009 metrischer, wie in prosaischer Form auftreten. pkl_111.010 Wenn wir sie als lyrische Dichtungsart aufführen, pkl_111.011 so geschieht dies, weil sie in jedem Falle als pkl_111.012 subjektive Aeußerung des Dichters erscheint. pkl_111.013 Wo sie, als eigentlich lyrisch, metrischer Formen bedarf, pkl_111.014 hat man meist den gereimten Alexandriner, die Stanze, pkl_111.015 das Sonett und den Hexameter angewendet; doch sind pkl_111.016 andere Formen natürlich nicht ausgeschlossen.
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pkl_111.017
§. 165. Wenn wir über die Leistungen deutscher pkl_111.018
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können wir kurzweg sagen: wir haben viele Satyriker, pkl_111.020
aber wenig Satyren. Was man bei pkl_111.021
uns so nennt, verdient mit wenigen Ausnahmen den pkl_111.022
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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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