pkl_104.001 reichen Gedanken, der entweder eine Weisheitslehre,pkl_104.002 oder eine beachtungswerthe Bemerkung, pkl_104.003 Erfahrung enthält, möglichst kurz und in einer pkl_104.004 Form ausspricht, die dem Gedächtniß leicht pkl_104.005 zugänglich ist. Vom Epigramm (siehe §. 156!) pkl_104.006 unterscheidet es sich dadurch, daß es sich immer absolutpkl_104.007 hält, d. h. sich weder an ein äußeres Objektpkl_104.008 knüpft, noch auf eine besondere Situation des Lebens pkl_104.009 bezieht, und daß es immer didaktischer Tendenz ist.
pkl_104.010
Hat der Dichter zur Einkleidung das sogenannte pkl_104.011 elegische Versmaaß gewählt, so nennt man das pkl_104.012 Gnomon auch wohl kurzweg Distichon. Rückert und pkl_104.013 Andere haben es wohl als kleines Gedicht von 4 Zeilen pkl_104.014 erscheinen lassen und es danach mit dem Namen Vierzeilepkl_104.015 belegt. Der Dichter ist weder an die eine, noch pkl_104.016 an die andere Form gebunden, vielmehr steht ihm rücksichtlich pkl_104.017 der Wahl derselben völlige Freiheit zu.
pkl_104.018
§. 155. Wir sind (die in größern z. B. dramatischen pkl_104.019 Dichtungen enthaltenen Sinnsprüche ungerechnet)reich pkl_104.020 an gehaltvollen Gedichtchen dieser Art; unter pkl_104.021 den Dichtern derselben verdienen Göthe, Herder, pkl_104.022 Schiller, Gleim, Lavater, Claudius, Tiedge, pkl_104.023 Rückert, Wilh. Müller &c. eine ehrenvolle Erwähnung.
pkl_104.024 pkl_104.025
X. Das Epigramm.
pkl_104.026
§. 156. Das Epigramm war, wie sein Namepkl_104.027 sagt, ursprünglich eine Aufschrift oder Jnschrift pkl_104.028 auf Denkmälern, bei welcher es dem Dichter pkl_104.029 darauf ankam, den Sinn oder die Bedeutung pkl_104.030 des Denkmals mit wenigen, aber scharf
pkl_104.001 reichen Gedanken, der entweder eine Weisheitslehre,pkl_104.002 oder eine beachtungswerthe Bemerkung, pkl_104.003 Erfahrung enthält, möglichst kurz und in einer pkl_104.004 Form ausspricht, die dem Gedächtniß leicht pkl_104.005 zugänglich ist. Vom Epigramm (siehe §. 156!) pkl_104.006 unterscheidet es sich dadurch, daß es sich immer absolutpkl_104.007 hält, d. h. sich weder an ein äußeres Objektpkl_104.008 knüpft, noch auf eine besondere Situation des Lebens pkl_104.009 bezieht, und daß es immer didaktischer Tendenz ist.
pkl_104.010
Hat der Dichter zur Einkleidung das sogenannte pkl_104.011 elegische Versmaaß gewählt, so nennt man das pkl_104.012 Gnomon auch wohl kurzweg Distichon. Rückert und pkl_104.013 Andere haben es wohl als kleines Gedicht von 4 Zeilen pkl_104.014 erscheinen lassen und es danach mit dem Namen Vierzeilepkl_104.015 belegt. Der Dichter ist weder an die eine, noch pkl_104.016 an die andere Form gebunden, vielmehr steht ihm rücksichtlich pkl_104.017 der Wahl derselben völlige Freiheit zu.
pkl_104.018
§. 155. Wir sind (die in größern z. B. dramatischen pkl_104.019 Dichtungen enthaltenen Sinnsprüche ungerechnet)reich pkl_104.020 an gehaltvollen Gedichtchen dieser Art; unter pkl_104.021 den Dichtern derselben verdienen Göthe, Herder, pkl_104.022 Schiller, Gleim, Lavater, Claudius, Tiedge, pkl_104.023 Rückert, Wilh. Müller &c. eine ehrenvolle Erwähnung.
pkl_104.024 pkl_104.025
X. Das Epigramm.
pkl_104.026
§. 156. Das Epigramm war, wie sein Namepkl_104.027 sagt, ursprünglich eine Aufschrift oder Jnschrift pkl_104.028 auf Denkmälern, bei welcher es dem Dichter pkl_104.029 darauf ankam, den Sinn oder die Bedeutung pkl_104.030 des Denkmals mit wenigen, aber scharf
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pkl_104.001
reichen Gedanken, der entweder eine Weisheitslehre, pkl_104.002
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pkl_104.010
Hat der Dichter zur Einkleidung das sogenannte pkl_104.011
elegische Versmaaß gewählt, so nennt man das pkl_104.012
Gnomon auch wohl kurzweg Distichon. Rückert und pkl_104.013
Andere haben es wohl als kleines Gedicht von 4 Zeilen pkl_104.014
erscheinen lassen und es danach mit dem Namen Vierzeile pkl_104.015
belegt. Der Dichter ist weder an die eine, noch pkl_104.016
an die andere Form gebunden, vielmehr steht ihm rücksichtlich pkl_104.017
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pkl_104.018
§. 155. Wir sind (die in größern z. B. dramatischen pkl_104.019
Dichtungen enthaltenen Sinnsprüche ungerechnet)reich pkl_104.020
an gehaltvollen Gedichtchen dieser Art; unter pkl_104.021
den Dichtern derselben verdienen Göthe, Herder, pkl_104.022
Schiller, Gleim, Lavater, Claudius, Tiedge, pkl_104.023
Rückert, Wilh. Müller &c. eine ehrenvolle Erwähnung.
pkl_104.024
pkl_104.025
X. Das Epigramm. pkl_104.026
§. 156. Das Epigramm war, wie sein Name pkl_104.027
sagt, ursprünglich eine Aufschrift oder Jnschrift pkl_104.028
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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/130>, abgerufen am 16.02.2025.
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