Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

Bild:
<< vorherige Seite

der Teutschen Poeterey.
ne Sprach mit fremden Wörtern verbrämet/ und nicht Teutsch
und verständlich gehandelt.

Fast gleichmässige Klage führet H. Fabrizius/ bestelter Artzt der
Stadt Bern/ sagend: Vnsere Teutsche Sprach ist nicht dergestalt so
gar arm und baufällig/ wie sie etliche Nasenweise machen/ die sie mit
Frantzösischen und Jtaliänischen Pletzen also flikken/ daß sie auch nit
ein kleines Brieflein verschikken/ es sey dann mit andern Sprachen
dermassen durchspikket/ daß einer/ der es wolte verstehen/ fast alle
Sprachen der Christen bedürffte.

Daß auch diese Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne
grosse Gefahr sey/ meldet obbelobter Fabrizius in einem besondern
Schreiben an H. D. Zincgräfen/ Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahren
in einer vornemen Zusammenkunft gehöret/ daß als ein solcher geflik-
ter Brief aus einer Fürstlichen Cantzeley an einen Landschuldheissen
were geschikket worden/ einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut-
schen Mann/ der aber im übrigen dieser Nagelneuen Art zu schreiben
noch unerfahren und ungewachsen ware/ und also des Fürsten Mei-
nung widersins verstunde/ er einen feindlich Verklagten/ jedoch Vn-
schuldigen/ hatte zum Tode verdammen und hinrichten lassen. Daher
der Poet Crüger schön singet:

Teutsch fangen wir zwar an/ Lateinspringt mit heraus/
Welsch dringet sich mit ein/ Frantzösisch laufft es naus.
Es kömt mir eben für/ ich liesse mein Hauß stehen
Voll guter Speis und Trank/ und wolte betteln gehen
Für ander Leute Thür: doch einem Kinde schmekt
Viel süsser fremdes Brod/ als das die Mutter bekt.

Betrachtet mit mir die Verfassung der Natur/ wie sie die Län-
der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet/ nur die Wahren
und Güter zu verwechseln und überzutragen/ nicht aber die Sprachen
zu vermengen.

Noch
E

der Teutſchen Poeterey.
ne Sprach mit fremden Woͤrtern verbraͤmet/ und nicht Teutſch
und verſtaͤndlich gehandelt.

Faſt gleichmaͤſſige Klage fuͤhret H. Fabrizius/ beſtelter Artzt der
Stadt Bern/ ſagend: Vnſere Teutſche Sprach iſt nicht dergeſtalt ſo
gar arm und baufaͤllig/ wie ſie etliche Naſenweiſe machen/ die ſie mit
Frantzoͤſiſchẽ und Jtaliaͤniſchen Pletzen alſo flikken/ daß ſie auch nit
ein kleines Brieflein verſchikken/ es ſey dann mit andern Sprachen
dermaſſen durchſpikket/ daß einer/ der es wolte verſtehen/ faſt alle
Sprachen der Chriſten beduͤrffte.

Daß auch dieſe Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne
groſſe Gefahr ſey/ meldet obbelobter Fabrizius in einem beſondern
Schreiben an H. D. Zincgraͤfen/ Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahrẽ
in einer vornemen Zuſammenkunft gehoͤret/ daß als ein ſolcher geflik-
ter Brief aus einer Fuͤrſtlichen Cantzeley an einen Landſchuldheiſſen
were geſchikket wordẽ/ einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut-
ſchen Mann/ der aber im uͤbrigen dieſer Nagelneuen Art zu ſchreiben
noch unerfahren und ungewachſen ware/ und alſo des Fuͤrſten Mei-
nung widerſins verſtunde/ er einen feindlich Verklagten/ jedoch Vn-
ſchuldigen/ hatte zum Tode verdammen und hinrichten laſſen. Daher
der Poet Cruͤger ſchoͤn ſinget:

Teutſch fangen wir zwar an/ Lateinſpringt mit heraus/
Welſch dringet ſich mit ein/ Frantzoͤſiſch laufft es naus.
Es koͤmt mir eben fuͤr/ ich lieſſe mein Hauß ſtehen
Voll guter Speis und Trank/ und wolte betteln gehen
Fuͤr ander Leute Thuͤr: doch einem Kinde ſchmekt
Viel ſuͤſſer fremdes Brod/ als das die Mutter bekt.

Betrachtet mit mir die Verfaſſung der Natur/ wie ſie die Laͤn-
der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet/ nur die Wahren
und Guͤter zu verwechſeln und uͤberzutragen/ nicht aber die Sprachen
zu vermengen.

Noch
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0039" n="25"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Teut&#x017F;chen Poeterey.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">ne Sprach mit fremden Wo&#x0364;rtern verbra&#x0364;met/ und nicht Teut&#x017F;ch<lb/>
und ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich gehandelt.</hi> </p><lb/>
        <p>Fa&#x017F;t gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Klage fu&#x0364;hret H. Fabrizius/ be&#x017F;telter Artzt der<lb/>
Stadt Bern/ &#x017F;agend: <hi rendition="#fr">Vn&#x017F;ere Teut&#x017F;che Sprach i&#x017F;t nicht derge&#x017F;talt &#x017F;o<lb/>
gar arm und baufa&#x0364;llig/ wie &#x017F;ie etliche Na&#x017F;enwei&#x017F;e machen/ die &#x017F;ie mit<lb/>
Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che&#x0303; und Jtalia&#x0364;ni&#x017F;chen Pletzen al&#x017F;o flikken/ daß &#x017F;ie auch nit<lb/>
ein kleines Brieflein ver&#x017F;chikken/ es &#x017F;ey dann mit andern Sprachen<lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en durch&#x017F;pikket/ daß einer/ der es wolte ver&#x017F;tehen/ fa&#x017F;t alle<lb/>
Sprachen der Chri&#x017F;ten bedu&#x0364;rffte.</hi></p><lb/>
        <p>Daß auch die&#x017F;e Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Gefahr &#x017F;ey/ meldet obbelobter Fabrizius in einem be&#x017F;ondern<lb/>
Schreiben an H. D. Zincgra&#x0364;fen/ Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahre&#x0303;<lb/>
in einer vornemen Zu&#x017F;ammenkunft geho&#x0364;ret/ daß als ein &#x017F;olcher geflik-<lb/>
ter Brief aus einer Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Cantzeley an einen Land&#x017F;chuldhei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
were ge&#x017F;chikket worde&#x0303;/ einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut-<lb/>
&#x017F;chen Mann/ der aber im u&#x0364;brigen die&#x017F;er Nagelneuen Art zu &#x017F;chreiben<lb/>
noch unerfahren und ungewach&#x017F;en ware/ und al&#x017F;o des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Mei-<lb/>
nung wider&#x017F;ins ver&#x017F;tunde/ er einen feindlich Verklagten/ jedoch Vn-<lb/>
&#x017F;chuldigen/ hatte zum Tode verdammen und hinrichten la&#x017F;&#x017F;en. Daher<lb/>
der Poet Cru&#x0364;ger &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;inget:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l> <hi rendition="#fr">Teut&#x017F;ch fangen wir zwar an/ Latein&#x017F;pringt mit heraus/</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Wel&#x017F;ch dringet &#x017F;ich mit ein/ Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch laufft es naus.</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Es ko&#x0364;mt mir eben fu&#x0364;r/ ich lie&#x017F;&#x017F;e mein Hauß &#x017F;tehen</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Voll guter Speis und Trank/ und wolte betteln gehen</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;r ander Leute Thu&#x0364;r: doch einem Kinde &#x017F;chmekt</hi> </l><lb/>
          <l> <hi rendition="#fr">Viel &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er fremdes Brod/ als das die Mutter bekt.</hi> </l>
        </lg><lb/>
        <p>Betrachtet mit mir die Verfa&#x017F;&#x017F;ung der Natur/ wie &#x017F;ie die La&#x0364;n-<lb/>
der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet/ nur die Wahren<lb/>
und Gu&#x0364;ter zu verwech&#x017F;eln und u&#x0364;berzutragen/ nicht aber die Sprachen<lb/>
zu vermengen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0039] der Teutſchen Poeterey. ne Sprach mit fremden Woͤrtern verbraͤmet/ und nicht Teutſch und verſtaͤndlich gehandelt. Faſt gleichmaͤſſige Klage fuͤhret H. Fabrizius/ beſtelter Artzt der Stadt Bern/ ſagend: Vnſere Teutſche Sprach iſt nicht dergeſtalt ſo gar arm und baufaͤllig/ wie ſie etliche Naſenweiſe machen/ die ſie mit Frantzoͤſiſchẽ und Jtaliaͤniſchen Pletzen alſo flikken/ daß ſie auch nit ein kleines Brieflein verſchikken/ es ſey dann mit andern Sprachen dermaſſen durchſpikket/ daß einer/ der es wolte verſtehen/ faſt alle Sprachen der Chriſten beduͤrffte. Daß auch dieſe Sprachverirrung und Verwirrung nicht ohne groſſe Gefahr ſey/ meldet obbelobter Fabrizius in einem beſondern Schreiben an H. D. Zincgraͤfen/ Jnhalts: Wie er vor etlichen Jahrẽ in einer vornemen Zuſammenkunft gehoͤret/ daß als ein ſolcher geflik- ter Brief aus einer Fuͤrſtlichen Cantzeley an einen Landſchuldheiſſen were geſchikket wordẽ/ einen zwar guten alten und ehrlieben den Teut- ſchen Mann/ der aber im uͤbrigen dieſer Nagelneuen Art zu ſchreiben noch unerfahren und ungewachſen ware/ und alſo des Fuͤrſten Mei- nung widerſins verſtunde/ er einen feindlich Verklagten/ jedoch Vn- ſchuldigen/ hatte zum Tode verdammen und hinrichten laſſen. Daher der Poet Cruͤger ſchoͤn ſinget: Teutſch fangen wir zwar an/ Lateinſpringt mit heraus/ Welſch dringet ſich mit ein/ Frantzoͤſiſch laufft es naus. Es koͤmt mir eben fuͤr/ ich lieſſe mein Hauß ſtehen Voll guter Speis und Trank/ und wolte betteln gehen Fuͤr ander Leute Thuͤr: doch einem Kinde ſchmekt Viel ſuͤſſer fremdes Brod/ als das die Mutter bekt. Betrachtet mit mir die Verfaſſung der Natur/ wie ſie die Laͤn- der mit Meeren und hohen Gebirgen abgetheilet/ nur die Wahren und Guͤter zu verwechſeln und uͤberzutragen/ nicht aber die Sprachen zu vermengen. Noch E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/39
Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/39>, abgerufen am 09.11.2024.