Kirchner, Timotheus: Von der Erbsünde was sie eigentlich vnd nach der heiligen Schrifft zu reden sey, vnnd warauff der heuptstreit in dieser sache beruhe. Jena, 1587.Antwort. Dieser Spruch handelt zweierley / Erstlich / das Christus für vns zur sünde gemacht / zum andern / das wir in jhme die gerechtigkeit werden. So viel nu das erste betrifft / kan nicht gesagt werden / das das wort sünde allda so viel heisse / als die sünde selbst ohne vnterscheid sein. Denn wo das wort sünde allda solchen verstand haben solte / so müste Christus die wesentliche sünde worden sein / oder sein menschliche natur / so er angenommen / müste selbst ohne vnterscheid die sünde gewest sein / welches fürgeben eine erschreckliche gotteslesterung ist: sondern das wort sünde / wird alda figurlich genommen / vnnd heist so viel als ein opffer für die sünde / Christus ist für vns zur sünde / das ist / zum opffer für die sünde worden / auff das er vns menschen von der sünden erlösete / wie auch Jesa. 53. stehet. Demnach es denn für augen ist / das das wort sünde im ersten teil ermeltes Sprüchleins nicht eigentlich für die sünde genommen / sondern figurlich / für ein opffer für die sünde / so ligt des Gegentheils folgerey / da es hieraus erhalten wil / das die sünde die verderbte natur selbst sey / oder ein substantz sey / schon darnieder / vnd schleust nichts. Es folgt auch hieraus ferner / das das wort gerechtigkeit / im andern teil erwentes Spruchs nicht müsse von der wesentlichen gerechtigkeit / in welche der bekerte mensch solle verwandelt werden / verstanden werden: sondern müsse nach der analogia fidei erkleret werden. Offenbar ists / das Christi gerechtigkeit / nicht in vnser substantz natur oder wesen / verwandelt / sondern wie Paulus Rom. 4. lehret durch den glauben vns zugerechnet werde. Solcher gestalt werden wir in Christo die gerechti- Antwort. Dieser Spruch handelt zweierley / Erstlich / das Christus für vns zur sünde gemacht / zum andern / das wir in jhme die gerechtigkeit werden. So viel nu das erste betrifft / kan nicht gesagt werden / das das wort sünde allda so viel heisse / als die sünde selbst ohne vnterscheid sein. Denn wo das wort sünde allda solchen verstand haben solte / so müste Christus die wesentliche sünde worden sein / oder sein menschliche natur / so er angenom̃en / müste selbst ohne vnterscheid die sünde gewest sein / welches fürgeben eine erschreckliche gotteslesterung ist: sondern das wort sünde / wird alda figurlich genommen / vnnd heist so viel als ein opffer für die sünde / Christus ist für vns zur sünde / das ist / zum opffer für die sünde worden / auff das er vns menschen von der sünden erlösete / wie auch Jesa. 53. stehet. Demnach es denn für augen ist / das das wort sünde im ersten teil ermeltes Sprüchleins nicht eigentlich für die sünde genommen / sondern figurlich / für ein opffer für die sünde / so ligt des Gegentheils folgerey / da es hieraus erhalten wil / das die sünde die verderbte natur selbst sey / oder ein substantz sey / schon darnieder / vnd schleust nichts. Es folgt auch hieraus ferner / das das wort gerechtigkeit / im andern teil erwentes Spruchs nicht müsse von der wesentlichen gerechtigkeit / in welche der bekerte mensch solle verwandelt werden / verstanden werden: sondern müsse nach der analogia fidei erkleret werden. Offenbar ists / das Christi gerechtigkeit / nicht in vnser substantz natur oder wesen / verwandelt / sondern wie Paulus Rom. 4. lehret durch den glauben vns zugerechnet werde. Solcher gestalt werden wir in Christo die gerechti- <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0199"/> <p>Antwort. Dieser Spruch handelt zweierley / Erstlich / das Christus für vns zur sünde gemacht / zum andern / das wir in jhme die gerechtigkeit werden. So viel nu das erste betrifft / kan nicht gesagt werden / das das wort sünde allda so viel heisse / als die sünde selbst ohne vnterscheid sein. Denn wo das wort sünde allda solchen verstand haben solte / so müste Christus die wesentliche sünde worden sein / oder sein menschliche natur / so er angenom̃en / müste selbst ohne vnterscheid die sünde gewest sein / welches fürgeben eine erschreckliche gotteslesterung ist: sondern das wort sünde / wird alda figurlich genommen / vnnd heist so viel als ein opffer für die sünde / Christus ist für vns zur sünde / das ist / zum opffer für die sünde worden / auff das er vns menschen von der sünden erlösete / wie auch Jesa. 53. stehet.</p> <p>Demnach es denn für augen ist / das das wort sünde im ersten teil ermeltes Sprüchleins nicht eigentlich für die sünde genommen / sondern figurlich / für ein opffer für die sünde / so ligt des Gegentheils folgerey / da es hieraus erhalten wil / das die sünde die verderbte natur selbst sey / oder ein substantz sey / schon darnieder / vnd schleust nichts.</p> <p>Es folgt auch hieraus ferner / das das wort gerechtigkeit / im andern teil erwentes Spruchs nicht müsse von der wesentlichen gerechtigkeit / in welche der bekerte mensch solle verwandelt werden / verstanden werden: sondern müsse nach der analogia fidei erkleret werden.</p> <p>Offenbar ists / das Christi gerechtigkeit / nicht in vnser substantz natur oder wesen / verwandelt / sondern wie Paulus Rom. 4. lehret durch den glauben vns zugerechnet werde.</p> <p>Solcher gestalt werden wir in Christo die gerechti- </p> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
Antwort. Dieser Spruch handelt zweierley / Erstlich / das Christus für vns zur sünde gemacht / zum andern / das wir in jhme die gerechtigkeit werden. So viel nu das erste betrifft / kan nicht gesagt werden / das das wort sünde allda so viel heisse / als die sünde selbst ohne vnterscheid sein. Denn wo das wort sünde allda solchen verstand haben solte / so müste Christus die wesentliche sünde worden sein / oder sein menschliche natur / so er angenom̃en / müste selbst ohne vnterscheid die sünde gewest sein / welches fürgeben eine erschreckliche gotteslesterung ist: sondern das wort sünde / wird alda figurlich genommen / vnnd heist so viel als ein opffer für die sünde / Christus ist für vns zur sünde / das ist / zum opffer für die sünde worden / auff das er vns menschen von der sünden erlösete / wie auch Jesa. 53. stehet.
Demnach es denn für augen ist / das das wort sünde im ersten teil ermeltes Sprüchleins nicht eigentlich für die sünde genommen / sondern figurlich / für ein opffer für die sünde / so ligt des Gegentheils folgerey / da es hieraus erhalten wil / das die sünde die verderbte natur selbst sey / oder ein substantz sey / schon darnieder / vnd schleust nichts.
Es folgt auch hieraus ferner / das das wort gerechtigkeit / im andern teil erwentes Spruchs nicht müsse von der wesentlichen gerechtigkeit / in welche der bekerte mensch solle verwandelt werden / verstanden werden: sondern müsse nach der analogia fidei erkleret werden.
Offenbar ists / das Christi gerechtigkeit / nicht in vnser substantz natur oder wesen / verwandelt / sondern wie Paulus Rom. 4. lehret durch den glauben vns zugerechnet werde.
Solcher gestalt werden wir in Christo die gerechti-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kirchner_erbsuende_1587 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kirchner_erbsuende_1587/199 |
Zitationshilfe: | Kirchner, Timotheus: Von der Erbsünde was sie eigentlich vnd nach der heiligen Schrifft zu reden sey, vnnd warauff der heuptstreit in dieser sache beruhe. Jena, 1587, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchner_erbsuende_1587/199>, abgerufen am 16.07.2024. |