und auf ihrer gemeinsamen Tagung in Hamburg haben sich kürzlich die Liberalen der drei freien Hansestädte gleichzeitig zur Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes und des Frauen- stimmrechtes bekannt. Voll und ganz wird diese For- derung nach wie vor vertreten von der äußersten Linken, der sozialdemokratischen Partei und der der "Unab- hängigen Sozialdemokratie", die aus den Kriegserleb- nissen heraus die alte Forderung neu und nachdrücklich begründen.
Wir sehen also die Frauen in ihrem Kampf, der nicht in politischen Debattierklubs, sondern auf dem sehr realen Boden der Männerparlamente ausgefochten werden wird, lediglich angewiesen auf die Hilfe der links- stehenden Männer. Allein schon aus praktischen Erwä- gungen müßten die Frauen daher für das Wahlrecht eintreten, das diesen Männern die Macht im Parlament sichert: Mit der Demokratie steht, und fällt das Frauen- wahlrecht.
Es ist doch auch wahrlich kein Zufall, daß der aus den Stürmen des Revolutionsjahres 1848 herausgeborene Stimmrechtsgedanke nur durch die hingebungsvolle Pio- nierarbeit streng demokratischer Frauen, die Spott, Hohn und Widerwärtigkeiten ruhig auf sich nahmen, überhaupt lebenskräftig wurde. Wenn heute dieser Gedanke bis tief in die Kreise der gemäßigten Frauen eingedrungen ist, wie das Verhalten der Hausfrauenvereine und Stadt- bundorganisationen an manchen Orten beweist, wenn frühere Gegnerinnen heute zu seinen Verfechterinnen geworden sind, so ist das eben ein Zeichen der zuneh- menden Demokratisierung unseres Volkes. Konservative Frauen lehnen auch heute noch diese ketzerischen Ideen vollkommen ab aus dem ganz richtigen Instinkt, daß nur eine der ihren diametral entgegengesetzte Weltanschau- ung ein günstiger Boden für das Frauenstimmrecht ist. Eine Einigung aller Frauen, wie sie denen als Ideal vor- schwebt, die um dieses Gedankens willen das Bekenntnis zum allgemeinen gleichen Wahlrecht verwerfen, scheint mir ganz ausgeschlossen. Denn Frauenstimmrecht ist nicht eine reine Frauensache, sondern eine Angelegen- heit des ganzen Volkes und muß daher nicht frauen- rechtlerisch, sondern politisch begriffen und begründet werden.
und auf ihrer gemeinsamen Tagung in Hamburg haben sich kürzlich die Liberalen der drei freien Hansestädte gleichzeitig zur Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes und des Frauen- stimmrechtes bekannt. Voll und ganz wird diese For- derung nach wie vor vertreten von der äußersten Linken, der sozialdemokratischen Partei und der der „Unab- hängigen Sozialdemokratie“, die aus den Kriegserleb- nissen heraus die alte Forderung neu und nachdrücklich begründen.
Wir sehen also die Frauen in ihrem Kampf, der nicht in politischen Debattierklubs, sondern auf dem sehr realen Boden der Männerparlamente ausgefochten werden wird, lediglich angewiesen auf die Hilfe der links- stehenden Männer. Allein schon aus praktischen Erwä- gungen müßten die Frauen daher für das Wahlrecht eintreten, das diesen Männern die Macht im Parlament sichert: Mit der Demokratie steht, und fällt das Frauen- wahlrecht.
Es ist doch auch wahrlich kein Zufall, daß der aus den Stürmen des Revolutionsjahres 1848 herausgeborene Stimmrechtsgedanke nur durch die hingebungsvolle Pio- nierarbeit streng demokratischer Frauen, die Spott, Hohn und Widerwärtigkeiten ruhig auf sich nahmen, überhaupt lebenskräftig wurde. Wenn heute dieser Gedanke bis tief in die Kreise der gemäßigten Frauen eingedrungen ist, wie das Verhalten der Hausfrauenvereine und Stadt- bundorganisationen an manchen Orten beweist, wenn frühere Gegnerinnen heute zu seinen Verfechterinnen geworden sind, so ist das eben ein Zeichen der zuneh- menden Demokratisierung unseres Volkes. Konservative Frauen lehnen auch heute noch diese ketzerischen Ideen vollkommen ab aus dem ganz richtigen Instinkt, daß nur eine der ihren diametral entgegengesetzte Weltanschau- ung ein günstiger Boden für das Frauenstimmrecht ist. Eine Einigung aller Frauen, wie sie denen als Ideal vor- schwebt, die um dieses Gedankens willen das Bekenntnis zum allgemeinen gleichen Wahlrecht verwerfen, scheint mir ganz ausgeschlossen. Denn Frauenstimmrecht ist nicht eine reine Frauensache, sondern eine Angelegen- heit des ganzen Volkes und muß daher nicht frauen- rechtlerisch, sondern politisch begriffen und begründet werden.
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[7/0007]
und auf ihrer gemeinsamen Tagung in Hamburg haben
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gleichzeitig zur Forderung des allgemeinen, gleichen,
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stimmrechtes bekannt. Voll und ganz wird diese For-
derung nach wie vor vertreten von der äußersten Linken,
der sozialdemokratischen Partei und der der „Unab-
hängigen Sozialdemokratie“, die aus den Kriegserleb-
nissen heraus die alte Forderung neu und nachdrücklich
begründen.
Wir sehen also die Frauen in ihrem Kampf, der nicht
in politischen Debattierklubs, sondern auf dem sehr
realen Boden der Männerparlamente ausgefochten werden
wird, lediglich angewiesen auf die Hilfe der links-
stehenden Männer. Allein schon aus praktischen Erwä-
gungen müßten die Frauen daher für das Wahlrecht
eintreten, das diesen Männern die Macht im Parlament
sichert: Mit der Demokratie steht, und fällt das Frauen-
wahlrecht.
Es ist doch auch wahrlich kein Zufall, daß der aus
den Stürmen des Revolutionsjahres 1848 herausgeborene
Stimmrechtsgedanke nur durch die hingebungsvolle Pio-
nierarbeit streng demokratischer Frauen, die Spott, Hohn
und Widerwärtigkeiten ruhig auf sich nahmen, überhaupt
lebenskräftig wurde. Wenn heute dieser Gedanke bis
tief in die Kreise der gemäßigten Frauen eingedrungen
ist, wie das Verhalten der Hausfrauenvereine und Stadt-
bundorganisationen an manchen Orten beweist, wenn
frühere Gegnerinnen heute zu seinen Verfechterinnen
geworden sind, so ist das eben ein Zeichen der zuneh-
menden Demokratisierung unseres Volkes. Konservative
Frauen lehnen auch heute noch diese ketzerischen Ideen
vollkommen ab aus dem ganz richtigen Instinkt, daß nur
eine der ihren diametral entgegengesetzte Weltanschau-
ung ein günstiger Boden für das Frauenstimmrecht ist.
Eine Einigung aller Frauen, wie sie denen als Ideal vor-
schwebt, die um dieses Gedankens willen das Bekenntnis
zum allgemeinen gleichen Wahlrecht verwerfen, scheint
mir ganz ausgeschlossen. Denn Frauenstimmrecht ist
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Kirchhoff, Auguste: Frauenrechte - Volksrechte. Berlin, 1917, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_volksrechte_1917/7>, abgerufen am 16.07.2024.
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