Kirchhoff, Auguste: Frauenwahlrechtsdebatte im Bremer Parlament. In: Zeitschrift für Frauenstimmrecht (1914), S. 45-46.
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Und dann erst der gefährliche Zwillingsbruder des Stimmrechts, Mit etwas gemischten Gefühlen werden viele Einen offiziellen Vertreter hatte der Antrag der Es erübrigt zu sagen, daß der sozialdemokratische AIlerhand Gedanken kommen, wenn man das Fazit dieser Aber auch in bezug auf die bürgerlichen Männer Warum gewährt man den für ihre Rechte eintretenden [Spaltenumbruch][irrelevantes Material - 82 Zeilen fehlen][Spaltenumbruch] [Ende Spaltensatz]
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Und dann erst der gefährliche Zwillingsbruder des Stimmrechts, Mit etwas gemischten Gefühlen werden viele Einen offiziellen Vertreter hatte der Antrag der Es erübrigt zu sagen, daß der sozialdemokratische AIlerhand Gedanken kommen, wenn man das Fazit dieser Aber auch in bezug auf die bürgerlichen Männer Warum gewährt man den für ihre Rechte eintretenden [Spaltenumbruch][irrelevantes Material – 82 Zeilen fehlen][Spaltenumbruch] [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <hi rendition="#smaller"><pb facs="#f0002" n="46"/><cb/> Und dann erst der gefährliche Zwillingsbruder des Stimmrechts,<lb/> der Mutterschutz, der auf die Zerstörung von Ehe und Familie<lb/> hinarbeitet, Forderungen aufstellt, die Leute als Verbrecher mit<lb/> Zuchthaus bestraft werden und durch seine jugendvergiftenden<lb/> Bestrebungen uns ebenso gewiß in den moralischen Sumpf führt,<lb/> wie das Frauenstimmrecht zum sozialdemokratischen Staat!</hi> </p><lb/> <p>Mit etwas gemischten Gefühlen werden viele<lb/> Leserinnen auf Grund dieser grausigen Schilderungen<lb/> und Perspektiven sich mit einem Male ihrer ganz unver-<lb/> muteten und ungewollten gemeingefährlichen Bedeutung<lb/> für das Staatsleben bewußt werden. Eins nur erfüllt<lb/> uns mit Staunen und Verwunderung, daß diese Schilde-<lb/> rungen von seiten der „Antis“ bei unserer Volksvertretung<lb/> Zeichen des Beifalls und der Zustimmung zu wecken<lb/> vermochten. Allerdings nicht von allen Seiten; außer<lb/> dem sozialdemokratischen Redner traten auch zwei<lb/> Männer der bürgerlichen Linken für die angegriffenen<lb/> Frauen ein und rückten ihre Bestrebungen in eine etwas<lb/> andere Beleuchtung.</p><lb/> <p>Einen offiziellen Vertreter hatte der Antrag der<lb/> bürgerlichen Frauen unter den bürgerlichen Männern<lb/> nicht. Einer der eben erwähnten Mitglieder der fort-<lb/> schrittlichen Volkspartei erklärte zwar, persönlich die<lb/> Forderungen des Frauenstimmrechts unterstützen zu<lb/> können, aber selbstverständlich von der Erfolglosigkeit<lb/> dieses Eintretens überzeugt zu sein bei der heutigen<lb/> Zusammensetzung unserer bremischen gesetzgebenden<lb/> Körperschaften. So wurde der Antrag des <hi rendition="#g">Frauen-<lb/> stimmrechtsvereins</hi> von dem sozialdemokratischen<lb/> Antragsteller in den Kreis seiner Erörterung mit ein-<lb/> bezogen und zur Sprache gebracht, während ein seinen<lb/> eignen Worten nach überzeugtes Mitglied des Bremer<lb/> Frauenstimmrechtsvereins den Antrag auf <hi rendition="#g">Streichung<lb/> der Worte „für die Frauen“ gestellt hatte</hi>.</p><lb/> <p>Es erübrigt zu sagen, daß der <hi rendition="#g">sozialdemokratische<lb/> Antrag</hi> gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, die<lb/><hi rendition="#g">Abänderungsamendements</hi> „mit großer Mehrheit“<lb/> abgelehnt wurden.</p><lb/> <p>AIlerhand Gedanken kommen, wenn man das Fazit dieser<lb/> Dinge zieht. Einmal mit bezug auf die bürgerlichen Frauen,<lb/> deren Organisation unter schweren innern Kämpfen unsäg-<lb/> lich gelitten hat. Zurückzuführen sind all' diese Kämpfe<lb/> auf den Wunsch weiterer Kreise innerhalb des „Deutschen<lb/> Verbandes für Frauenstimmrecht“ sich nach <hi rendition="#g">rechts</hi> zu er-<lb/> weitern und möglichst auch nationalliberale und konser-<lb/> vative Mitglieder der Organisation zuzuführen. Manche<lb/> Absage von rechts ist aber in nicht mißzuverstehender<lb/> Deutlichkeit schon erfolgt. Immer wieder erleben es<lb/> die Frauen, wenn sie mit ihren Forderungen an die<lb/> Parlamente gehen; niemals von der Rechten, zaghaft<lb/> von der Linken, prinzipiell nur von der äußersten<lb/> Linken erhalten sie Zustimmung. Auch diese Erfahrungen<lb/> werden ihre Früchte tragen. Radikal fortschrittliche<lb/> Ideen wie das Frauenstimmrecht sind niemals im Bunde<lb/> mit reaktionären Mächten, weder mit konservativen<lb/> Männern noch Frauen zu verwirklichen. Da heben Be-<lb/> wegung und Gegenbewegung sich einfach auf.</p><lb/> <p>Aber auch in bezug auf die bürgerlichen Männer<lb/> lösen die Lehren solcher Wahlrechtsdebatten mancher-<lb/> lei Gedanken aus.</p><lb/> <p>Warum gewährt man den für ihre Rechte eintretenden<lb/> Frauen nicht im bürgerlichen Lager Heimatsrecht? Wa-<lb/> rum prüft man nicht einmal unbefangen und vorurteils-<lb/> frei, was da ans Licht will und emporringt, anstatt den<lb/> Frauen, wie es nur allzu oft geschieht, mit Spott oder<lb/> Verunglimpfung die Tür zu weisen? – Wer die Zeichen<lb/> seiner Zeit versteht, der muß gestehen: Aufzuhalten ist<lb/> der Siegeszug des Frauenstimmrechtes durch die Welt<lb/> nicht mehr und wie alle großen Kulturbewegungen wird<lb/> es über die hinweggehen, die sich ihm entgegenstemmen.<lb/> Wäre es da nicht klüger, anstatt Vogel-Strauß-Politik<lb/> zu treiben, sich in den Frauen Bundesgenossen statt<lb/> Gegner heranzuziehen.</p><lb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <cb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="82"/> <cb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [46/0002]
Und dann erst der gefährliche Zwillingsbruder des Stimmrechts,
der Mutterschutz, der auf die Zerstörung von Ehe und Familie
hinarbeitet, Forderungen aufstellt, die Leute als Verbrecher mit
Zuchthaus bestraft werden und durch seine jugendvergiftenden
Bestrebungen uns ebenso gewiß in den moralischen Sumpf führt,
wie das Frauenstimmrecht zum sozialdemokratischen Staat!
Mit etwas gemischten Gefühlen werden viele
Leserinnen auf Grund dieser grausigen Schilderungen
und Perspektiven sich mit einem Male ihrer ganz unver-
muteten und ungewollten gemeingefährlichen Bedeutung
für das Staatsleben bewußt werden. Eins nur erfüllt
uns mit Staunen und Verwunderung, daß diese Schilde-
rungen von seiten der „Antis“ bei unserer Volksvertretung
Zeichen des Beifalls und der Zustimmung zu wecken
vermochten. Allerdings nicht von allen Seiten; außer
dem sozialdemokratischen Redner traten auch zwei
Männer der bürgerlichen Linken für die angegriffenen
Frauen ein und rückten ihre Bestrebungen in eine etwas
andere Beleuchtung.
Einen offiziellen Vertreter hatte der Antrag der
bürgerlichen Frauen unter den bürgerlichen Männern
nicht. Einer der eben erwähnten Mitglieder der fort-
schrittlichen Volkspartei erklärte zwar, persönlich die
Forderungen des Frauenstimmrechts unterstützen zu
können, aber selbstverständlich von der Erfolglosigkeit
dieses Eintretens überzeugt zu sein bei der heutigen
Zusammensetzung unserer bremischen gesetzgebenden
Körperschaften. So wurde der Antrag des Frauen-
stimmrechtsvereins von dem sozialdemokratischen
Antragsteller in den Kreis seiner Erörterung mit ein-
bezogen und zur Sprache gebracht, während ein seinen
eignen Worten nach überzeugtes Mitglied des Bremer
Frauenstimmrechtsvereins den Antrag auf Streichung
der Worte „für die Frauen“ gestellt hatte.
Es erübrigt zu sagen, daß der sozialdemokratische
Antrag gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, die
Abänderungsamendements „mit großer Mehrheit“
abgelehnt wurden.
AIlerhand Gedanken kommen, wenn man das Fazit dieser
Dinge zieht. Einmal mit bezug auf die bürgerlichen Frauen,
deren Organisation unter schweren innern Kämpfen unsäg-
lich gelitten hat. Zurückzuführen sind all' diese Kämpfe
auf den Wunsch weiterer Kreise innerhalb des „Deutschen
Verbandes für Frauenstimmrecht“ sich nach rechts zu er-
weitern und möglichst auch nationalliberale und konser-
vative Mitglieder der Organisation zuzuführen. Manche
Absage von rechts ist aber in nicht mißzuverstehender
Deutlichkeit schon erfolgt. Immer wieder erleben es
die Frauen, wenn sie mit ihren Forderungen an die
Parlamente gehen; niemals von der Rechten, zaghaft
von der Linken, prinzipiell nur von der äußersten
Linken erhalten sie Zustimmung. Auch diese Erfahrungen
werden ihre Früchte tragen. Radikal fortschrittliche
Ideen wie das Frauenstimmrecht sind niemals im Bunde
mit reaktionären Mächten, weder mit konservativen
Männern noch Frauen zu verwirklichen. Da heben Be-
wegung und Gegenbewegung sich einfach auf.
Aber auch in bezug auf die bürgerlichen Männer
lösen die Lehren solcher Wahlrechtsdebatten mancher-
lei Gedanken aus.
Warum gewährt man den für ihre Rechte eintretenden
Frauen nicht im bürgerlichen Lager Heimatsrecht? Wa-
rum prüft man nicht einmal unbefangen und vorurteils-
frei, was da ans Licht will und emporringt, anstatt den
Frauen, wie es nur allzu oft geschieht, mit Spott oder
Verunglimpfung die Tür zu weisen? – Wer die Zeichen
seiner Zeit versteht, der muß gestehen: Aufzuhalten ist
der Siegeszug des Frauenstimmrechtes durch die Welt
nicht mehr und wie alle großen Kulturbewegungen wird
es über die hinweggehen, die sich ihm entgegenstemmen.
Wäre es da nicht klüger, anstatt Vogel-Strauß-Politik
zu treiben, sich in den Frauen Bundesgenossen statt
Gegner heranzuziehen.
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(2017-09-28T14:45:38Z)
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