Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

Bild:
<< vorherige Seite

ebenso wie der von Frau Stritt in Dresden außerhalb des Bundes
gegründete sächsische Verein für Frauenstimmrecht bei der Neuorgani-
sation dem Bunde angliederte.

Und nun zur
Geschichte unseres Paragraphen.

Richtig ist, daß er erst im Jahre 1907 auf der Generalversammlung in
Frankfurt a. M. als Programmpunkt in die Satzungen aufgenommen wurde.
"Aus einem sehr einfachen Grunde", wie Fräulein Heymann mir auf
meine diesbezügliche Anfrage schreibt; ich möchte die betreffende Brief-
stelle wörtlich wiedergeben:

"Es hat seine Richtigkeit, daß der § 3 erst nach Frankfurt
in die Satzungen hineingekommen ist, aber aus dem einfachen
Grunde, weil Dr. Augspurg und ich, die ganz allein die Satzungen
verfaßten,
die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und
direkten Wahlrechts, als Selbstverständlichkeit

voraussetzten. War es überhaupt möglich, daß Frauen,
die den Männern den Vorwurf machten, sie vom
politischen Leben auszuschließen, in bezug auf ihr
eigenes Geschlecht denselben Fehler begehen sollten?!

Wir Gründerinnen haben niemals an ein anderes als an das
allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gedacht. Jn dem
Moment aber, wo wir merkten, daß man rechts und links an diesem,
unserm Grundsatz zweifelte, haben wir, d. h. der damalige Vor-
stand, auf meine Anregung und zwar einstimmig erklärt: Jetzt ist
es Zeit auszusprechen, was wir stillschweigend als
selbstverständlich angenommen haben
. Jn Frankfurt
waren es, soviel ich mich erinnere, nur 2 Stimmen, die gegen die
Aufnahme des § 3 waren. Eine von diesen beiden Gegnerinnen
ist aber, soviel mir bekannt, jetzt für den § 3 und zwar mit ihrer
ganzen Ortsgruppe. Als Grund für diese Forderung ist meines
Erachtens nach in erster Linie anzuführen, daß wir alle Frauen
zur Beteiligung am politischen Leben benötigen, weil jeder
Stand am besten weiß, was ihm not tut
. Jm allgemeinen
kann eine Lehrerin, eine Handlungsgehilfin, eine Arbeiterin usw.
immer am besten beurteilen, was sie zur Hebung ihres Standes
für Einrichtungen und Gesetze braucht." Soweit Fräulein Heymann.

Trotzdem man nun heute den § 3 so gern als Hemmnis für die
Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung bezeichnet, ist der Verband

ebenso wie der von Frau Stritt in Dresden außerhalb des Bundes
gegründete sächsische Verein für Frauenstimmrecht bei der Neuorgani-
sation dem Bunde angliederte.

Und nun zur
Geschichte unseres Paragraphen.

Richtig ist, daß er erst im Jahre 1907 auf der Generalversammlung in
Frankfurt a. M. als Programmpunkt in die Satzungen aufgenommen wurde.
„Aus einem sehr einfachen Grunde“, wie Fräulein Heymann mir auf
meine diesbezügliche Anfrage schreibt; ich möchte die betreffende Brief-
stelle wörtlich wiedergeben:

„Es hat seine Richtigkeit, daß der § 3 erst nach Frankfurt
in die Satzungen hineingekommen ist, aber aus dem einfachen
Grunde, weil Dr. Augspurg und ich, die ganz allein die Satzungen
verfaßten,
die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und
direkten Wahlrechts, als Selbstverständlichkeit

voraussetzten. War es überhaupt möglich, daß Frauen,
die den Männern den Vorwurf machten, sie vom
politischen Leben auszuschließen, in bezug auf ihr
eigenes Geschlecht denselben Fehler begehen sollten?!

Wir Gründerinnen haben niemals an ein anderes als an das
allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gedacht. Jn dem
Moment aber, wo wir merkten, daß man rechts und links an diesem,
unserm Grundsatz zweifelte, haben wir, d. h. der damalige Vor-
stand, auf meine Anregung und zwar einstimmig erklärt: Jetzt ist
es Zeit auszusprechen, was wir stillschweigend als
selbstverständlich angenommen haben
. Jn Frankfurt
waren es, soviel ich mich erinnere, nur 2 Stimmen, die gegen die
Aufnahme des § 3 waren. Eine von diesen beiden Gegnerinnen
ist aber, soviel mir bekannt, jetzt für den § 3 und zwar mit ihrer
ganzen Ortsgruppe. Als Grund für diese Forderung ist meines
Erachtens nach in erster Linie anzuführen, daß wir alle Frauen
zur Beteiligung am politischen Leben benötigen, weil jeder
Stand am besten weiß, was ihm not tut
. Jm allgemeinen
kann eine Lehrerin, eine Handlungsgehilfin, eine Arbeiterin usw.
immer am besten beurteilen, was sie zur Hebung ihres Standes
für Einrichtungen und Gesetze braucht.“ Soweit Fräulein Heymann.

Trotzdem man nun heute den § 3 so gern als Hemmnis für die
Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung bezeichnet, ist der Verband

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0006" n="6"/>
ebenso wie der von Frau Stritt in Dresden außerhalb des Bundes<lb/>
gegründete sächsische Verein für Frauenstimmrecht bei der Neuorgani-<lb/>
sation dem Bunde angliederte.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Und nun zur</hi><lb/> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Geschichte unseres Paragraphen.</hi> </hi> </hi> </p><lb/>
        <p>Richtig ist, daß er erst im Jahre 1907 auf der Generalversammlung in<lb/>
Frankfurt a. M. als Programmpunkt in die Satzungen aufgenommen wurde.<lb/>
&#x201E;Aus einem sehr einfachen Grunde&#x201C;, wie Fräulein Heymann mir auf<lb/>
meine diesbezügliche Anfrage schreibt; ich möchte die betreffende Brief-<lb/>
stelle wörtlich wiedergeben:</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Es hat seine Richtigkeit, daß der § 3 erst nach Frankfurt<lb/>
in die Satzungen hineingekommen ist, aber aus dem einfachen<lb/>
Grunde, weil <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Augspurg und ich, die ganz allein die Satzungen<lb/>
verfaßten,<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und<lb/>
direkten Wahlrechts, als Selbstverständlichkeit</hi></hi></hi><lb/>
voraussetzten. <hi rendition="#g">War es überhaupt möglich, daß Frauen,<lb/>
die den Männern den Vorwurf machten, sie vom<lb/>
politischen Leben auszuschließen, in bezug auf ihr<lb/>
eigenes Geschlecht denselben Fehler begehen sollten?!</hi><lb/>
Wir Gründerinnen haben niemals an ein anderes als an das<lb/>
allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gedacht. Jn dem<lb/>
Moment aber, wo wir merkten, daß man rechts und links an diesem,<lb/>
unserm Grundsatz zweifelte, haben wir, d. h. der damalige Vor-<lb/>
stand, auf meine Anregung und zwar einstimmig erklärt: <hi rendition="#g">Jetzt ist<lb/>
es Zeit auszusprechen, was wir stillschweigend als<lb/>
selbstverständlich angenommen haben</hi>. Jn Frankfurt<lb/>
waren es, soviel ich mich erinnere, nur 2 Stimmen, die gegen die<lb/>
Aufnahme des § 3 waren. Eine von diesen beiden Gegnerinnen<lb/>
ist aber, soviel mir bekannt, jetzt für den § 3 und zwar mit ihrer<lb/>
ganzen Ortsgruppe. Als Grund für diese Forderung ist meines<lb/>
Erachtens nach in erster Linie anzuführen, daß wir <hi rendition="#g">alle</hi> Frauen<lb/>
zur Beteiligung am politischen Leben benötigen, <hi rendition="#g">weil jeder<lb/>
Stand am besten weiß, was ihm not tut</hi>. Jm allgemeinen<lb/>
kann eine Lehrerin, eine Handlungsgehilfin, eine Arbeiterin usw.<lb/>
immer am besten beurteilen, was sie zur Hebung ihres Standes<lb/>
für Einrichtungen und Gesetze braucht.&#x201C; Soweit Fräulein Heymann.</hi> </p><lb/>
        <p>Trotzdem man nun heute den § 3 so gern als Hemmnis für die<lb/>
Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung bezeichnet, ist der Verband<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0006] ebenso wie der von Frau Stritt in Dresden außerhalb des Bundes gegründete sächsische Verein für Frauenstimmrecht bei der Neuorgani- sation dem Bunde angliederte. Und nun zur Geschichte unseres Paragraphen. Richtig ist, daß er erst im Jahre 1907 auf der Generalversammlung in Frankfurt a. M. als Programmpunkt in die Satzungen aufgenommen wurde. „Aus einem sehr einfachen Grunde“, wie Fräulein Heymann mir auf meine diesbezügliche Anfrage schreibt; ich möchte die betreffende Brief- stelle wörtlich wiedergeben: „Es hat seine Richtigkeit, daß der § 3 erst nach Frankfurt in die Satzungen hineingekommen ist, aber aus dem einfachen Grunde, weil Dr. Augspurg und ich, die ganz allein die Satzungen verfaßten, die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts, als Selbstverständlichkeit voraussetzten. War es überhaupt möglich, daß Frauen, die den Männern den Vorwurf machten, sie vom politischen Leben auszuschließen, in bezug auf ihr eigenes Geschlecht denselben Fehler begehen sollten?! Wir Gründerinnen haben niemals an ein anderes als an das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gedacht. Jn dem Moment aber, wo wir merkten, daß man rechts und links an diesem, unserm Grundsatz zweifelte, haben wir, d. h. der damalige Vor- stand, auf meine Anregung und zwar einstimmig erklärt: Jetzt ist es Zeit auszusprechen, was wir stillschweigend als selbstverständlich angenommen haben. Jn Frankfurt waren es, soviel ich mich erinnere, nur 2 Stimmen, die gegen die Aufnahme des § 3 waren. Eine von diesen beiden Gegnerinnen ist aber, soviel mir bekannt, jetzt für den § 3 und zwar mit ihrer ganzen Ortsgruppe. Als Grund für diese Forderung ist meines Erachtens nach in erster Linie anzuführen, daß wir alle Frauen zur Beteiligung am politischen Leben benötigen, weil jeder Stand am besten weiß, was ihm not tut. Jm allgemeinen kann eine Lehrerin, eine Handlungsgehilfin, eine Arbeiterin usw. immer am besten beurteilen, was sie zur Hebung ihres Standes für Einrichtungen und Gesetze braucht.“ Soweit Fräulein Heymann. Trotzdem man nun heute den § 3 so gern als Hemmnis für die Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung bezeichnet, ist der Verband

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2014-07-16T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/6
Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/6>, abgerufen am 27.11.2024.