Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.Aber nie und nimmer kann es heißen: wir dürfen uns nicht Wir hätten dann hier in Bremen im Anschluß an Dr. Augspurgs Hierdurch bekannte sich unser Verein vor der Öffentlichkeit fürs allgemeine, Daß der Verband nicht auf dem Boden einer bestimmten Richtung Aber nie und nimmer kann es heißen: wir dürfen uns nicht Wir hätten dann hier in Bremen im Anschluß an Dr. Augspurgs Hierdurch bekannte sich unser Verein vor der Öffentlichkeit fürs allgemeine, Daß der Verband nicht auf dem Boden einer bestimmten Richtung <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0012" n="12"/> <p>Aber nie und <hi rendition="#g">nimmer kann es heißen</hi>: wir dürfen uns nicht<lb/> zu einer Forderung der Gerechtigkeit bekennen – und das allgemeine, gleiche,<lb/> geheime und direkte Wahlrecht ist eine Forderung der Gerechtigkeit –,<lb/> weil zufällig die eine oder andere Partei das auch tut. Sonst dürften<lb/> wir uns logischer Weise auch nicht zur Forderung des Frauenstimmrechts<lb/> bekennen, denn auch dies hat nur <hi rendition="#g">eine</hi> der im Parlament vertretenen<lb/> Parteien, die sozialdemokratische, auf ihrem Programm. Dann dürften<lb/> wir auch nicht, wie wir's so oft getan haben, durch Resolutionen ein-<lb/> treten für Forderungen, die nur die Linksparteien erheben, dürften nicht<lb/> durch scharfe Kritik Stellung nehmen zu Dingen, wie der Reichsver-<lb/> sicherungsordnung, an deren Zustandekommen in dieser von uns so hart<lb/> verurteilten Form alle Parteien, außer der sozialdemokratischen, mit-<lb/> schuldig sind.</p><lb/> <p>Wir hätten dann hier in Bremen im Anschluß an <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Augspurgs<lb/> Vortrag über die elsaß-lothringische Verfassungsfrage am 8. Mai 1911<lb/> auch nicht einstimmig die von unserer Vorsitzenden verlesene Resolution<lb/> annehmen dürfen, in der es heißt:<lb/><hi rendition="#et">„Nur eine die Gleichberechtigung und Selbständigkeit der Reichs-<lb/> lande als bundesstaatliche Republik garantierende Verfassung,<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">nur ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes<lb/> Wahlrecht für Männer und Frauen,</hi></hi> nur die volle Selbst-<lb/> verwaltung in allen innern Angelegenheiten entspricht dem Geiste<lb/> der modernen Zeit, dem hochentwickelten Bürgergefühl und dem<lb/> allgemeinen Kulturniveau des elsaß-lothringischen Volkes und ist<lb/> ihm seitens der gesetzgebenden Körperschaften des Deutschen Reiches<lb/> zu gewähren.“</hi></p><lb/> <p>Hierdurch bekannte sich unser Verein vor der Öffentlichkeit fürs allgemeine,<lb/> gleiche, geheime und direkte Wahlrecht.</p><lb/> <p>Daß der Verband nicht auf dem Boden einer bestimmten Richtung<lb/> der Frauenbewegung steht, kann aber auch nicht so verstanden werden,<lb/> daß er ein farbloses Etwas ist. <hi rendition="#g">Das hieße seiner Geschichte,<lb/> hieße allen Tatsachen ins Gesicht schlagen</hi>. Jch brauche nur<lb/> die Namen seiner Gründerinnen und Vorkämpferinnen zu nennen:<lb/> Hedwig Dohm, Lily v. Gyzicki, Minna Cauer, Anita Augspurg, Lida<lb/> Gustava Heymann, alles Frauen vom <hi rendition="#g">linken Flügel</hi> der fortschritt-<lb/> lichen Frauenbewegung! Jch brauche Sie nur zu erinnern an all' den<lb/> Hohn und Spott, mit dem ein Teil der Presse, Witzblätter und<lb/> Parlamentarier noch vor 10 Jahren die Frauenstimmrechtsidee und ihre<lb/> Trägerinnen übergossen, – <hi rendition="#g">geschieht das einer gut ange-<lb/> schriebenen, gemäßigten, neutralen Bewegung?!</hi></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
Aber nie und nimmer kann es heißen: wir dürfen uns nicht
zu einer Forderung der Gerechtigkeit bekennen – und das allgemeine, gleiche,
geheime und direkte Wahlrecht ist eine Forderung der Gerechtigkeit –,
weil zufällig die eine oder andere Partei das auch tut. Sonst dürften
wir uns logischer Weise auch nicht zur Forderung des Frauenstimmrechts
bekennen, denn auch dies hat nur eine der im Parlament vertretenen
Parteien, die sozialdemokratische, auf ihrem Programm. Dann dürften
wir auch nicht, wie wir's so oft getan haben, durch Resolutionen ein-
treten für Forderungen, die nur die Linksparteien erheben, dürften nicht
durch scharfe Kritik Stellung nehmen zu Dingen, wie der Reichsver-
sicherungsordnung, an deren Zustandekommen in dieser von uns so hart
verurteilten Form alle Parteien, außer der sozialdemokratischen, mit-
schuldig sind.
Wir hätten dann hier in Bremen im Anschluß an Dr. Augspurgs
Vortrag über die elsaß-lothringische Verfassungsfrage am 8. Mai 1911
auch nicht einstimmig die von unserer Vorsitzenden verlesene Resolution
annehmen dürfen, in der es heißt:
„Nur eine die Gleichberechtigung und Selbständigkeit der Reichs-
lande als bundesstaatliche Republik garantierende Verfassung,
nur ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes
Wahlrecht für Männer und Frauen, nur die volle Selbst-
verwaltung in allen innern Angelegenheiten entspricht dem Geiste
der modernen Zeit, dem hochentwickelten Bürgergefühl und dem
allgemeinen Kulturniveau des elsaß-lothringischen Volkes und ist
ihm seitens der gesetzgebenden Körperschaften des Deutschen Reiches
zu gewähren.“
Hierdurch bekannte sich unser Verein vor der Öffentlichkeit fürs allgemeine,
gleiche, geheime und direkte Wahlrecht.
Daß der Verband nicht auf dem Boden einer bestimmten Richtung
der Frauenbewegung steht, kann aber auch nicht so verstanden werden,
daß er ein farbloses Etwas ist. Das hieße seiner Geschichte,
hieße allen Tatsachen ins Gesicht schlagen. Jch brauche nur
die Namen seiner Gründerinnen und Vorkämpferinnen zu nennen:
Hedwig Dohm, Lily v. Gyzicki, Minna Cauer, Anita Augspurg, Lida
Gustava Heymann, alles Frauen vom linken Flügel der fortschritt-
lichen Frauenbewegung! Jch brauche Sie nur zu erinnern an all' den
Hohn und Spott, mit dem ein Teil der Presse, Witzblätter und
Parlamentarier noch vor 10 Jahren die Frauenstimmrechtsidee und ihre
Trägerinnen übergossen, – geschieht das einer gut ange-
schriebenen, gemäßigten, neutralen Bewegung?!
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(2014-07-16T11:00:00Z)
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