Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihrer Mädchen. Die blanken Thaler, die er in die Mützen der Musikanten springen ließ, der feurige Wein von Altenahr, den er preisgab, und die frische sommerliche Lebenslust des Gebirges entzündeten bald den wildesten Tanz. Nach dem ersten Walzer zog Nikola seine Margret aus dem Zelt: sie gingen unter die Kirschbäume beim Saume des Waldes, umfaßten sich mit Inbrunst und wechselten ihre Küsse. Es waren die ersten Küsse, die sie gaben und empfingen - die ersten, welche verdienen, Küsse zu heißen. Sie sind gefährlich und verhängnißvoll. Margret fühlte ein leises Beben in allen Gliedern, sie spürte ihr Blut rasch und heiß aus dem Herzen in die Wangen strömen; sie faßte Nikola an der Hand und führte ihn wie im Spiele unter Plaudern und Kosen zu dem Tanzreihen zurück. Dort unter dem Zelt fanden sie ein wildes Leben: die Mädchen glühten wie Pfingstrosen, die Bursche athmeten tief vom Tanze auf. Als das Paar wieder eintrat, bliesen die Musikanten, wie es verabredet war, Tusch, und Alles rief laut und fröhlich mit erhobenen Gläsern: Unser Herr Bräutigam, des Schultheißen Nikola, soll leben, und sein Bräutchen, des Schöffen Margret, auch daneben! Erröthend nahm Margret, lachend Nikola den Glückwunsch an. Die Bursche wollten ihm ihre Gläser zubringen, er aber rief: Wartet ein wenig, mein Verlöbniß muß in Walporzheimer getrunken werden! Der dunkelglühende starke Sohn der Ahrtraube ihrer Mädchen. Die blanken Thaler, die er in die Mützen der Musikanten springen ließ, der feurige Wein von Altenahr, den er preisgab, und die frische sommerliche Lebenslust des Gebirges entzündeten bald den wildesten Tanz. Nach dem ersten Walzer zog Nikola seine Margret aus dem Zelt: sie gingen unter die Kirschbäume beim Saume des Waldes, umfaßten sich mit Inbrunst und wechselten ihre Küsse. Es waren die ersten Küsse, die sie gaben und empfingen - die ersten, welche verdienen, Küsse zu heißen. Sie sind gefährlich und verhängnißvoll. Margret fühlte ein leises Beben in allen Gliedern, sie spürte ihr Blut rasch und heiß aus dem Herzen in die Wangen strömen; sie faßte Nikola an der Hand und führte ihn wie im Spiele unter Plaudern und Kosen zu dem Tanzreihen zurück. Dort unter dem Zelt fanden sie ein wildes Leben: die Mädchen glühten wie Pfingstrosen, die Bursche athmeten tief vom Tanze auf. Als das Paar wieder eintrat, bliesen die Musikanten, wie es verabredet war, Tusch, und Alles rief laut und fröhlich mit erhobenen Gläsern: Unser Herr Bräutigam, des Schultheißen Nikola, soll leben, und sein Bräutchen, des Schöffen Margret, auch daneben! Erröthend nahm Margret, lachend Nikola den Glückwunsch an. Die Bursche wollten ihm ihre Gläser zubringen, er aber rief: Wartet ein wenig, mein Verlöbniß muß in Walporzheimer getrunken werden! Der dunkelglühende starke Sohn der Ahrtraube <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025"/> ihrer Mädchen. Die blanken Thaler, die er in die Mützen der Musikanten springen ließ, der feurige Wein von Altenahr, den er preisgab, und die frische sommerliche Lebenslust des Gebirges entzündeten bald den wildesten Tanz. Nach dem ersten Walzer zog Nikola seine Margret aus dem Zelt: sie gingen unter die Kirschbäume beim Saume des Waldes, umfaßten sich mit Inbrunst und wechselten ihre Küsse. Es waren die ersten Küsse, die sie gaben und empfingen - die ersten, welche verdienen, Küsse zu heißen. Sie sind gefährlich und verhängnißvoll. Margret fühlte ein leises Beben in allen Gliedern, sie spürte ihr Blut rasch und heiß aus dem Herzen in die Wangen strömen; sie faßte Nikola an der Hand und führte ihn wie im Spiele unter Plaudern und Kosen zu dem Tanzreihen zurück.</p><lb/> <p>Dort unter dem Zelt fanden sie ein wildes Leben: die Mädchen glühten wie Pfingstrosen, die Bursche athmeten tief vom Tanze auf. Als das Paar wieder eintrat, bliesen die Musikanten, wie es verabredet war, Tusch, und Alles rief laut und fröhlich mit erhobenen Gläsern: Unser Herr Bräutigam, des Schultheißen Nikola, soll leben, und sein Bräutchen, des Schöffen Margret, auch daneben! Erröthend nahm Margret, lachend Nikola den Glückwunsch an. Die Bursche wollten ihm ihre Gläser zubringen, er aber rief: Wartet ein wenig, mein Verlöbniß muß in Walporzheimer getrunken werden!</p><lb/> <p>Der dunkelglühende starke Sohn der Ahrtraube<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
ihrer Mädchen. Die blanken Thaler, die er in die Mützen der Musikanten springen ließ, der feurige Wein von Altenahr, den er preisgab, und die frische sommerliche Lebenslust des Gebirges entzündeten bald den wildesten Tanz. Nach dem ersten Walzer zog Nikola seine Margret aus dem Zelt: sie gingen unter die Kirschbäume beim Saume des Waldes, umfaßten sich mit Inbrunst und wechselten ihre Küsse. Es waren die ersten Küsse, die sie gaben und empfingen - die ersten, welche verdienen, Küsse zu heißen. Sie sind gefährlich und verhängnißvoll. Margret fühlte ein leises Beben in allen Gliedern, sie spürte ihr Blut rasch und heiß aus dem Herzen in die Wangen strömen; sie faßte Nikola an der Hand und führte ihn wie im Spiele unter Plaudern und Kosen zu dem Tanzreihen zurück.
Dort unter dem Zelt fanden sie ein wildes Leben: die Mädchen glühten wie Pfingstrosen, die Bursche athmeten tief vom Tanze auf. Als das Paar wieder eintrat, bliesen die Musikanten, wie es verabredet war, Tusch, und Alles rief laut und fröhlich mit erhobenen Gläsern: Unser Herr Bräutigam, des Schultheißen Nikola, soll leben, und sein Bräutchen, des Schöffen Margret, auch daneben! Erröthend nahm Margret, lachend Nikola den Glückwunsch an. Die Bursche wollten ihm ihre Gläser zubringen, er aber rief: Wartet ein wenig, mein Verlöbniß muß in Walporzheimer getrunken werden!
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Zitationshilfe: | Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/25>, abgerufen am 17.02.2025. |