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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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man im Dorf eilfertig die Suppe und das Sonntagsrindfleisch aß, und noch stand die Sonne mittem am Himmel, als gegen den monströsen hölzernen Vogel, dessen Gleichen auch Raff's Naturgeschichte nicht kennt, das muntere Pfeifen der Büchsenkugeln begann.

Glückliche Schüsse fegten den Schwanz, die Flügel und zuletzt auch den Kopf weg; ein lautes Triumphgeschrei der Jugend folgte jedem herabsplitternden Theile, und die kleinen Jungen balgten sich um die Holzspäne. Aber der Rumpf, obwohl am Ende klein wie eine Hand und ganz ungestalt von Streifschüssen, haftete noch auf dem letzten starken Nagel. Die Entscheidung konnte jetzt jeder nächste Schuß bringen, die heiße Spannung der Schützen gab ihnen eine vorher seltene Sicherheit im Zielen, und oft zitterte der Vogel, wenn die Kugeln dicht unter ihm gegen den eisenbeschlagenen Mast prallten. Dem Nikola bebte die Büchse in der Hand; krampfhaft zählte er die Schützen, die noch vor ihm an der Reihe waren; der letzte hatte den Nagel krummgeschossen, an welchem das kleine Holzstück jetzt wie an einem einzigen Splitter im Wind schwankte. Da spannte Nikola den Hahn, trank ein großes Glas des besten Ahrweins, drückte den Hut fester in die Stirne und warf unter der Krempe einen Blick auf Margret herüber, die grade vor ihm am Waldabhang unter andern Mädchen stand. Alsdann schritt er zum Schützenstand, legte an und wartete einen Augenblick ab, als der Abendwind den Vogel nicht

man im Dorf eilfertig die Suppe und das Sonntagsrindfleisch aß, und noch stand die Sonne mittem am Himmel, als gegen den monströsen hölzernen Vogel, dessen Gleichen auch Raff's Naturgeschichte nicht kennt, das muntere Pfeifen der Büchsenkugeln begann.

Glückliche Schüsse fegten den Schwanz, die Flügel und zuletzt auch den Kopf weg; ein lautes Triumphgeschrei der Jugend folgte jedem herabsplitternden Theile, und die kleinen Jungen balgten sich um die Holzspäne. Aber der Rumpf, obwohl am Ende klein wie eine Hand und ganz ungestalt von Streifschüssen, haftete noch auf dem letzten starken Nagel. Die Entscheidung konnte jetzt jeder nächste Schuß bringen, die heiße Spannung der Schützen gab ihnen eine vorher seltene Sicherheit im Zielen, und oft zitterte der Vogel, wenn die Kugeln dicht unter ihm gegen den eisenbeschlagenen Mast prallten. Dem Nikola bebte die Büchse in der Hand; krampfhaft zählte er die Schützen, die noch vor ihm an der Reihe waren; der letzte hatte den Nagel krummgeschossen, an welchem das kleine Holzstück jetzt wie an einem einzigen Splitter im Wind schwankte. Da spannte Nikola den Hahn, trank ein großes Glas des besten Ahrweins, drückte den Hut fester in die Stirne und warf unter der Krempe einen Blick auf Margret herüber, die grade vor ihm am Waldabhang unter andern Mädchen stand. Alsdann schritt er zum Schützenstand, legte an und wartete einen Augenblick ab, als der Abendwind den Vogel nicht

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[0023] man im Dorf eilfertig die Suppe und das Sonntagsrindfleisch aß, und noch stand die Sonne mittem am Himmel, als gegen den monströsen hölzernen Vogel, dessen Gleichen auch Raff's Naturgeschichte nicht kennt, das muntere Pfeifen der Büchsenkugeln begann. Glückliche Schüsse fegten den Schwanz, die Flügel und zuletzt auch den Kopf weg; ein lautes Triumphgeschrei der Jugend folgte jedem herabsplitternden Theile, und die kleinen Jungen balgten sich um die Holzspäne. Aber der Rumpf, obwohl am Ende klein wie eine Hand und ganz ungestalt von Streifschüssen, haftete noch auf dem letzten starken Nagel. Die Entscheidung konnte jetzt jeder nächste Schuß bringen, die heiße Spannung der Schützen gab ihnen eine vorher seltene Sicherheit im Zielen, und oft zitterte der Vogel, wenn die Kugeln dicht unter ihm gegen den eisenbeschlagenen Mast prallten. Dem Nikola bebte die Büchse in der Hand; krampfhaft zählte er die Schützen, die noch vor ihm an der Reihe waren; der letzte hatte den Nagel krummgeschossen, an welchem das kleine Holzstück jetzt wie an einem einzigen Splitter im Wind schwankte. Da spannte Nikola den Hahn, trank ein großes Glas des besten Ahrweins, drückte den Hut fester in die Stirne und warf unter der Krempe einen Blick auf Margret herüber, die grade vor ihm am Waldabhang unter andern Mädchen stand. Alsdann schritt er zum Schützenstand, legte an und wartete einen Augenblick ab, als der Abendwind den Vogel nicht

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/23>, abgerufen am 24.11.2024.