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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bei jener Lampe aber wacht und klopft ein armes Menschenherz - ein junges Weib beim Sterbebett ihres Kindes. Sie ist nicht Jungfrau, nicht Weib, nicht Wittwe, aber dennoch ist sie Mutter. Ganz einsam und verlassen übt sie ihre Pflicht, über die fiebernde Stirn des Kindes, das in tiefem, starrem Gehirnschlaf mit gespenstig halbgeöffneten Augen theilnahmlos ihre Mühe hinnimmt, schlägt sie rasch wechselnd die nassen, kühlenden Tücher - und zwischen jedem Aufschlag kniet sie vor der Mutter Gottes hin, die zwischen den Fenstern unter der Lampe hängt, und spricht ein stilles, ringendes Gebet.

Gott und seine Heiligen sind furchtbar stumm in solchen Nächten! Die einsame Mutter erfuhr es. Kein Engel kam herab, seine heilende Hand auf die Stirn des kranken Knaben zu legen, das heiße Fieber stieg gegen die Mitternacht hin, immer schneller mußte sie das kühlende Linnen erneuern. Ueber die dunkle Ecke, wo das Kind vor dem Lampenschein geschützt lag, fiel jetzt mit blassem blauen Licht der Mondschein, wob einen Glanz um das blonde müde Köpfchen und schlich nach kurzer Frist wieder darüber hinweg, als hätte er das Sterbende noch einmal mit dem Strahl des Lebens umleuchten wollen und dann der ewigen Nacht geweiht. Die Stunden rannen hin, die Mutter, stumpf von Leid und Ermattung, empfand ihren Gang nicht mehr und hörte gleichgiltig den Schlag der Wanduhr, der ihren Wandel verkündigte.

Bei jener Lampe aber wacht und klopft ein armes Menschenherz - ein junges Weib beim Sterbebett ihres Kindes. Sie ist nicht Jungfrau, nicht Weib, nicht Wittwe, aber dennoch ist sie Mutter. Ganz einsam und verlassen übt sie ihre Pflicht, über die fiebernde Stirn des Kindes, das in tiefem, starrem Gehirnschlaf mit gespenstig halbgeöffneten Augen theilnahmlos ihre Mühe hinnimmt, schlägt sie rasch wechselnd die nassen, kühlenden Tücher - und zwischen jedem Aufschlag kniet sie vor der Mutter Gottes hin, die zwischen den Fenstern unter der Lampe hängt, und spricht ein stilles, ringendes Gebet.

Gott und seine Heiligen sind furchtbar stumm in solchen Nächten! Die einsame Mutter erfuhr es. Kein Engel kam herab, seine heilende Hand auf die Stirn des kranken Knaben zu legen, das heiße Fieber stieg gegen die Mitternacht hin, immer schneller mußte sie das kühlende Linnen erneuern. Ueber die dunkle Ecke, wo das Kind vor dem Lampenschein geschützt lag, fiel jetzt mit blassem blauen Licht der Mondschein, wob einen Glanz um das blonde müde Köpfchen und schlich nach kurzer Frist wieder darüber hinweg, als hätte er das Sterbende noch einmal mit dem Strahl des Lebens umleuchten wollen und dann der ewigen Nacht geweiht. Die Stunden rannen hin, die Mutter, stumpf von Leid und Ermattung, empfand ihren Gang nicht mehr und hörte gleichgiltig den Schlag der Wanduhr, der ihren Wandel verkündigte.

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[0010] Bei jener Lampe aber wacht und klopft ein armes Menschenherz - ein junges Weib beim Sterbebett ihres Kindes. Sie ist nicht Jungfrau, nicht Weib, nicht Wittwe, aber dennoch ist sie Mutter. Ganz einsam und verlassen übt sie ihre Pflicht, über die fiebernde Stirn des Kindes, das in tiefem, starrem Gehirnschlaf mit gespenstig halbgeöffneten Augen theilnahmlos ihre Mühe hinnimmt, schlägt sie rasch wechselnd die nassen, kühlenden Tücher - und zwischen jedem Aufschlag kniet sie vor der Mutter Gottes hin, die zwischen den Fenstern unter der Lampe hängt, und spricht ein stilles, ringendes Gebet. Gott und seine Heiligen sind furchtbar stumm in solchen Nächten! Die einsame Mutter erfuhr es. Kein Engel kam herab, seine heilende Hand auf die Stirn des kranken Knaben zu legen, das heiße Fieber stieg gegen die Mitternacht hin, immer schneller mußte sie das kühlende Linnen erneuern. Ueber die dunkle Ecke, wo das Kind vor dem Lampenschein geschützt lag, fiel jetzt mit blassem blauen Licht der Mondschein, wob einen Glanz um das blonde müde Köpfchen und schlich nach kurzer Frist wieder darüber hinweg, als hätte er das Sterbende noch einmal mit dem Strahl des Lebens umleuchten wollen und dann der ewigen Nacht geweiht. Die Stunden rannen hin, die Mutter, stumpf von Leid und Ermattung, empfand ihren Gang nicht mehr und hörte gleichgiltig den Schlag der Wanduhr, der ihren Wandel verkündigte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/10>, abgerufen am 21.11.2024.