Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909].

Bild:
<< vorherige Seite

Jetzt sprechen, viel sprechen, große Worte, die guten, pathetischen Klang hatten, bei denen sich weite Bewegungen machen ließen, eine Szene, das war die Rettung. "Ich frage nicht weiter. Du mußt vielleicht so handeln. Dir scheint es wohl, als sei dir großes Unrecht geschehen. Was?" Beate schwieg. "Gut! Ich bin im Unrecht, ich gestehe es zu. Einer gewöhnlichen Frau hätte ich nichts mehr zu sagen. Von dir kann ich verlangen, daß du mich trotz allem auch verstehst."

Beate zog die Augenbrauen empor und sagte: "Ich bin eine gewöhnliche Frau. Ich versteh' dich nicht."

Günther wurde durch den Widerspruch wärmer: "Doch, doch! Du verstehst mich. Du weißt, daß ich dich liebe, wie du bist und weil du so bist, und daß ich zuweilen Sehnsucht haben kann - nach - nach heißem Blut - nach Leidenschaft - nach - nach ... nun mein Gott, nach allem, was du nicht geben kannst und sollst."

Das Blut stieg Beate in das schmale, kummervolle Gesicht. Ihre Augen wurden feucht und böse. Sie sprach heiser und mühsam: "Und wer ... wer sagt dir - daß ich nicht auch heißes Blut habe ... daß ich nicht auch ...," sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen. Beate weinte: "Sprich nicht. Ich kann es nicht hören. Was soll ich tun!" klagte sie.

"Soll ich gehn?" fragte Günther kleinlaut. Beate nickte. Da verließ er das Gemach, leise, als fürchtete er einen Schläfer zu wecken.

Jetzt sprechen, viel sprechen, große Worte, die guten, pathetischen Klang hatten, bei denen sich weite Bewegungen machen ließen, eine Szene, das war die Rettung. „Ich frage nicht weiter. Du mußt vielleicht so handeln. Dir scheint es wohl, als sei dir großes Unrecht geschehen. Was?“ Beate schwieg. „Gut! Ich bin im Unrecht, ich gestehe es zu. Einer gewöhnlichen Frau hätte ich nichts mehr zu sagen. Von dir kann ich verlangen, daß du mich trotz allem auch verstehst.“

Beate zog die Augenbrauen empor und sagte: „Ich bin eine gewöhnliche Frau. Ich versteh’ dich nicht.“

Günther wurde durch den Widerspruch wärmer: „Doch, doch! Du verstehst mich. Du weißt, daß ich dich liebe, wie du bist und weil du so bist, und daß ich zuweilen Sehnsucht haben kann – nach – nach heißem Blut – nach Leidenschaft – nach – nach … nun mein Gott, nach allem, was du nicht geben kannst und sollst.“

Das Blut stieg Beate in das schmale, kummervolle Gesicht. Ihre Augen wurden feucht und böse. Sie sprach heiser und mühsam: „Und wer … wer sagt dir – daß ich nicht auch heißes Blut habe … daß ich nicht auch …,“ sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen. Beate weinte: „Sprich nicht. Ich kann es nicht hören. Was soll ich tun!“ klagte sie.

„Soll ich gehn?“ fragte Günther kleinlaut. Beate nickte. Da verließ er das Gemach, leise, als fürchtete er einen Schläfer zu wecken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="120"/>
Jetzt sprechen, viel sprechen, große Worte, die guten, pathetischen Klang hatten, bei denen sich weite Bewegungen machen ließen, eine Szene, das war die Rettung. &#x201E;Ich frage nicht weiter. Du mußt vielleicht so handeln. Dir scheint es wohl, als sei dir großes Unrecht geschehen. Was?&#x201C; Beate schwieg. &#x201E;Gut! Ich bin im Unrecht, ich gestehe es zu. Einer gewöhnlichen Frau hätte ich nichts mehr zu sagen. Von dir kann ich verlangen, daß du mich trotz allem auch verstehst.&#x201C;</p>
        <p>Beate zog die Augenbrauen empor und sagte: &#x201E;Ich bin eine gewöhnliche Frau. Ich versteh&#x2019; dich nicht.&#x201C;</p>
        <p>Günther wurde durch den Widerspruch wärmer: &#x201E;Doch, doch! Du verstehst mich. Du weißt, daß ich dich liebe, wie du bist und weil du so bist, und daß ich zuweilen Sehnsucht haben kann &#x2013; nach &#x2013; nach heißem Blut &#x2013; nach Leidenschaft &#x2013; nach &#x2013; nach &#x2026; nun mein Gott, nach allem, was du nicht geben kannst und sollst.&#x201C;</p>
        <p>Das Blut stieg Beate in das schmale, kummervolle Gesicht. Ihre Augen wurden feucht und böse. Sie sprach heiser und mühsam: &#x201E;Und wer &#x2026; wer sagt dir &#x2013; daß ich nicht auch heißes Blut habe &#x2026; daß ich nicht auch &#x2026;,&#x201C; sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen. Beate weinte: &#x201E;Sprich nicht. Ich kann es nicht hören. Was soll ich tun!&#x201C; klagte sie.</p>
        <p>&#x201E;Soll ich gehn?&#x201C; fragte Günther kleinlaut. Beate nickte. Da verließ er das Gemach, leise, als fürchtete er einen Schläfer zu wecken.</p>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0122] Jetzt sprechen, viel sprechen, große Worte, die guten, pathetischen Klang hatten, bei denen sich weite Bewegungen machen ließen, eine Szene, das war die Rettung. „Ich frage nicht weiter. Du mußt vielleicht so handeln. Dir scheint es wohl, als sei dir großes Unrecht geschehen. Was?“ Beate schwieg. „Gut! Ich bin im Unrecht, ich gestehe es zu. Einer gewöhnlichen Frau hätte ich nichts mehr zu sagen. Von dir kann ich verlangen, daß du mich trotz allem auch verstehst.“ Beate zog die Augenbrauen empor und sagte: „Ich bin eine gewöhnliche Frau. Ich versteh’ dich nicht.“ Günther wurde durch den Widerspruch wärmer: „Doch, doch! Du verstehst mich. Du weißt, daß ich dich liebe, wie du bist und weil du so bist, und daß ich zuweilen Sehnsucht haben kann – nach – nach heißem Blut – nach Leidenschaft – nach – nach … nun mein Gott, nach allem, was du nicht geben kannst und sollst.“ Das Blut stieg Beate in das schmale, kummervolle Gesicht. Ihre Augen wurden feucht und böse. Sie sprach heiser und mühsam: „Und wer … wer sagt dir – daß ich nicht auch heißes Blut habe … daß ich nicht auch …,“ sie kam nicht weiter. Mit beiden Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Sie schämte sich. Die arme geknechtete, verleugnete Sinnlichkeit wollte sich wehren, aber sie schämte sich davor, sich selbst zu bekennen. Beate weinte: „Sprich nicht. Ich kann es nicht hören. Was soll ich tun!“ klagte sie. „Soll ich gehn?“ fragte Günther kleinlaut. Beate nickte. Da verließ er das Gemach, leise, als fürchtete er einen Schläfer zu wecken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Eduard von Keyserlings „Beate und Mareile“ erschi… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/122
Zitationshilfe: von Keyserling, Eduard: Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte. Berlin, [1909], S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keyserling_beatemareile_1903/122>, abgerufen am 25.11.2024.