Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).

Bild:
<< vorherige Seite
Gleiche Bildung für Mann und Frau! ausdrücklich die Versicherung verlangt, daß er ihn nur zu dessen Bestem hart bestraft und ungerecht behandelt habe? Nein, einen solchen Erzieher gebe es nicht, meinen Sie? Doch, es giebt ihn, dieser Erzieher ist der Mann, und diese Erzogene ist die Frau; dieser Mann, der von der Frau kaltblütig die Versicherung verlangt, "er kann nichts dafür, daß er mich schlecht behandelt, das liegt eben in meiner Natur", und diese Frau, die diese Versicherung ebenso kaltblütig zu geben vermag. Und diese Ungerechtigkeit und Härte, die unwissende Kinder zu empören vermöchte, vermag wissende Erwachsene - ganz kühl zu lassen. Verehrte Anwesende! Auf Männer, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu üben, oder auf Frauen, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu dulden - was meinen Sie, auf welche von beiden kann eine Nation stolzer sein? Sehen Sie, der Mann hat es der Frau unmöglich gemacht, mitzu reden, und nachdem er das gethan hat, sagt er ihr: "weil du Ärmste ja nicht reden kannst, darum will ich für dich mitreden. " Nun, und wie er da für sie mitgeredet hat, wie ritterlich - das wissen wir ja, das ist ja in allen Gesetzesparagraphen niedergeschrieben. Und glauben Sie mir, von vielen dieser Gesetzesparagraphen wissen viele Frauen zu erzählen! Wenn nun unter Umständen diese Vormundschaft ihr Amt dazu be nutzt, daß sie die Bevormundeten, statt sie an Leib und Seele zu schützen, an Leib und Seele - ruiniert (ich übertreibe nicht, der materielle und geistige Notstand der Frauen beweist das), so möchte ich mir die Anfrage erlauben, ob man den Mut hat, eine solche Vormundschaft auf die Dauer zu empfehlen, ob man den Mut hat, zu sagen: "Es ist nicht nötig, daß die Frau mündig werde, sie hat ja den besten Vormund." Jch glaube, kein Gerichtshof der Welt würde einem Vormunde, der seine Qualifikation zu seinem Amte auf solche eigenartige Manier zu erbringen vermöchte, auch nur ein einziges unmündiges Kind anvertrauen. Jch glaube, daß es die höchste Zeit ist, die Frau mündig zu machen, damit sie diesen Vormund ent behren kann! Ja, ich glaube sogar, daß es in Zukunft einen Gerichtshof geben wird, der strenges Urteil spricht über jeden zum Nachteil des Beschützten ausge übten Schutz, über jede unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ausgeübte Teufelei, mit einem Wort: über jedes unter dem Titel des Rechts be gangene Unrecht. Und die Richter dieses Tribunals werden alle rechtlich und hoch denkenden Männer und Frauen der ganzen Nation sein; dies Tri bunal selbst aber, das kräftige und unbestechliche, wird heißen: die öffent-
Gleiche Bildung für Mann und Frau! ausdrücklich die Versicherung verlangt, daß er ihn nur zu dessen Bestem hart bestraft und ungerecht behandelt habe? Nein, einen solchen Erzieher gebe es nicht, meinen Sie? Doch, es giebt ihn, dieser Erzieher ist der Mann, und diese Erzogene ist die Frau; dieser Mann, der von der Frau kaltblütig die Versicherung verlangt, „er kann nichts dafür, daß er mich schlecht behandelt, das liegt eben in meiner Natur“, und diese Frau, die diese Versicherung ebenso kaltblütig zu geben vermag. Und diese Ungerechtigkeit und Härte, die unwissende Kinder zu empören vermöchte, vermag wissende Erwachsene – ganz kühl zu lassen. Verehrte Anwesende! Auf Männer, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu üben, oder auf Frauen, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu dulden – was meinen Sie, auf welche von beiden kann eine Nation stolzer sein? Sehen Sie, der Mann hat es der Frau unmöglich gemacht, mitzu­ reden, und nachdem er das gethan hat, sagt er ihr: „weil du Ärmste ja nicht reden kannst, darum will ich für dich mitreden. “ Nun, und wie er da für sie mitgeredet hat, wie ritterlich – das wissen wir ja, das ist ja in allen Gesetzesparagraphen niedergeschrieben. Und glauben Sie mir, von vielen dieser Gesetzesparagraphen wissen viele Frauen zu erzählen! Wenn nun unter Umständen diese Vormundschaft ihr Amt dazu be­ nutzt, daß sie die Bevormundeten, statt sie an Leib und Seele zu schützen, an Leib und Seele – ruiniert (ich übertreibe nicht, der materielle und geistige Notstand der Frauen beweist das), so möchte ich mir die Anfrage erlauben, ob man den Mut hat, eine solche Vormundschaft auf die Dauer zu empfehlen, ob man den Mut hat, zu sagen: „Es ist nicht nötig, daß die Frau mündig werde, sie hat ja den besten Vormund.“ Jch glaube, kein Gerichtshof der Welt würde einem Vormunde, der seine Qualifikation zu seinem Amte auf solche eigenartige Manier zu erbringen vermöchte, auch nur ein einziges unmündiges Kind anvertrauen. Jch glaube, daß es die höchste Zeit ist, die Frau mündig zu machen, damit sie diesen Vormund ent­ behren kann! Ja, ich glaube sogar, daß es in Zukunft einen Gerichtshof geben wird, der strenges Urteil spricht über jeden zum Nachteil des Beschützten ausge­ übten Schutz, über jede unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ausgeübte Teufelei, mit einem Wort: über jedes unter dem Titel des Rechts be­ gangene Unrecht. Und die Richter dieses Tribunals werden alle rechtlich und hoch denkenden Männer und Frauen der ganzen Nation sein; dies Tri­ bunal selbst aber, das kräftige und unbestechliche, wird heißen: die öffent-
<TEI xmlns="https://www.tei-c.org/ns/1.0">
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="14"/><fw place="top" type="header">Gleiche Bildung für Mann und Frau!</fw><lb/>
ausdrücklich die Versicherung verlangt, daß er ihn nur zu dessen Bestem<lb/>
hart bestraft und ungerecht behandelt habe? Nein, einen solchen Erzieher<lb/>
gebe es nicht, meinen Sie? Doch, es giebt ihn, dieser Erzieher ist der<lb/>
Mann, und diese Erzogene ist die Frau; dieser Mann, der von der Frau<lb/>
kaltblütig die Versicherung verlangt, &#x201E;er kann nichts dafür, daß er
                     mich<lb/>
schlecht behandelt, das liegt eben in meiner Natur&#x201C;, und diese
                     Frau, die<lb/>
diese Versicherung ebenso kaltblütig zu geben vermag.</p><lb/>
        <p>Und diese Ungerechtigkeit und Härte, die unwissende Kinder zu empören<lb/>
vermöchte, vermag wissende Erwachsene &#x2013; ganz kühl zu lassen.
                     Verehrte<lb/>
Anwesende! Auf Männer, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu
                     üben,<lb/>
oder auf Frauen, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu dulden
                     &#x2013; was<lb/>
meinen Sie, auf welche von beiden kann eine Nation stolzer
                     sein?</p><lb/>
        <p>Sehen Sie, der Mann hat es der Frau unmöglich gemacht, mitzu­<lb/>
reden, und
                     nachdem er das gethan hat, sagt er ihr: &#x201E;weil du Ärmste ja<lb/>
nicht
                     reden <hi rendition="#g">kannst</hi>, darum will ich für dich mitreden. &#x201C;
                     Nun, und wie<lb/>
er da für sie mitgeredet hat, wie ritterlich &#x2013; das
                     wissen wir ja, das ist<lb/>
ja in allen Gesetzesparagraphen niedergeschrieben.
                     Und glauben Sie mir,<lb/>
von vielen dieser Gesetzesparagraphen wissen viele
                     Frauen zu erzählen!</p><lb/>
        <p>Wenn nun unter Umständen diese Vormundschaft ihr Amt dazu be­<lb/>
nutzt, daß sie
                     die Bevormundeten, statt sie an Leib und Seele zu schützen,<lb/>
an Leib und
                     Seele &#x2013; ruiniert (ich übertreibe nicht, der materielle und<lb/>
geistige
                     Notstand der Frauen beweist das), so möchte ich mir die Anfrage<lb/>
erlauben,
                     ob man den Mut hat, eine solche Vormundschaft auf die Dauer zu<lb/>
empfehlen,
                     ob man den Mut hat, zu sagen: &#x201E;Es ist nicht nötig, daß die<lb/>
Frau
                     mündig werde, sie hat ja den besten Vormund.&#x201C; Jch glaube, kein<lb/>
Gerichtshof der Welt würde einem Vormunde, der seine Qualifikation zu<lb/>
seinem Amte auf solche eigenartige Manier zu erbringen vermöchte, auch<lb/>
nur
                     ein einziges unmündiges Kind anvertrauen. Jch glaube, daß es die<lb/>
höchste
                     Zeit ist, die Frau mündig zu machen, damit sie diesen Vormund ent­<lb/>
behren
                     kann!</p><lb/>
        <p>Ja, ich glaube sogar, daß es in Zukunft einen Gerichtshof geben wird,<lb/>
der
                     strenges Urteil spricht über jeden zum Nachteil des Beschützten ausge­<lb/>
übten Schutz, über jede unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ausgeübte<lb/>
Teufelei, mit einem Wort: über jedes unter dem Titel des Rechts be­<lb/>
gangene
                     Unrecht. Und die Richter dieses Tribunals werden alle rechtlich<lb/>
und hoch
                     denkenden Männer und Frauen der ganzen Nation sein; dies Tri­<lb/>
bunal selbst
                     aber, das kräftige und unbestechliche, wird heißen: die öffent-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
Gleiche Bildung für Mann und Frau! ausdrücklich die Versicherung verlangt, daß er ihn nur zu dessen Bestem hart bestraft und ungerecht behandelt habe? Nein, einen solchen Erzieher gebe es nicht, meinen Sie? Doch, es giebt ihn, dieser Erzieher ist der Mann, und diese Erzogene ist die Frau; dieser Mann, der von der Frau kaltblütig die Versicherung verlangt, „er kann nichts dafür, daß er mich schlecht behandelt, das liegt eben in meiner Natur“, und diese Frau, die diese Versicherung ebenso kaltblütig zu geben vermag. Und diese Ungerechtigkeit und Härte, die unwissende Kinder zu empören vermöchte, vermag wissende Erwachsene – ganz kühl zu lassen. Verehrte Anwesende! Auf Männer, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu üben, oder auf Frauen, die sich nicht scheuen, Ungerechtigkeit zu dulden – was meinen Sie, auf welche von beiden kann eine Nation stolzer sein? Sehen Sie, der Mann hat es der Frau unmöglich gemacht, mitzu­ reden, und nachdem er das gethan hat, sagt er ihr: „weil du Ärmste ja nicht reden kannst, darum will ich für dich mitreden. “ Nun, und wie er da für sie mitgeredet hat, wie ritterlich – das wissen wir ja, das ist ja in allen Gesetzesparagraphen niedergeschrieben. Und glauben Sie mir, von vielen dieser Gesetzesparagraphen wissen viele Frauen zu erzählen! Wenn nun unter Umständen diese Vormundschaft ihr Amt dazu be­ nutzt, daß sie die Bevormundeten, statt sie an Leib und Seele zu schützen, an Leib und Seele – ruiniert (ich übertreibe nicht, der materielle und geistige Notstand der Frauen beweist das), so möchte ich mir die Anfrage erlauben, ob man den Mut hat, eine solche Vormundschaft auf die Dauer zu empfehlen, ob man den Mut hat, zu sagen: „Es ist nicht nötig, daß die Frau mündig werde, sie hat ja den besten Vormund.“ Jch glaube, kein Gerichtshof der Welt würde einem Vormunde, der seine Qualifikation zu seinem Amte auf solche eigenartige Manier zu erbringen vermöchte, auch nur ein einziges unmündiges Kind anvertrauen. Jch glaube, daß es die höchste Zeit ist, die Frau mündig zu machen, damit sie diesen Vormund ent­ behren kann! Ja, ich glaube sogar, daß es in Zukunft einen Gerichtshof geben wird, der strenges Urteil spricht über jeden zum Nachteil des Beschützten ausge­ übten Schutz, über jede unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ausgeübte Teufelei, mit einem Wort: über jedes unter dem Titel des Rechts be­ gangene Unrecht. Und die Richter dieses Tribunals werden alle rechtlich und hoch denkenden Männer und Frauen der ganzen Nation sein; dies Tri­ bunal selbst aber, das kräftige und unbestechliche, wird heißen: die öffent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-02-08T18:24:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Neumann, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-02-08T18:24:57Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891/16
Zitationshilfe: Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6), S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kettler_bildung_1891/16>, abgerufen am 22.11.2024.