Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Herbstgefühl. Wie mit Gold die Wälder prangen, Rosen gleich die Bäum' erblüh'n! Erde will wie Himmel glüh'n, Eh sie starr liegt und vergangen. Goldne Himmelsburgen tragen Die Gebirg' in stolzer Pracht, Drinnen wandeln längst erwacht Ritter und Frau'n aus alten Tagen. Der verklärten Erde Wonne Füllt mit Licht auch meine Brust, Und das Herz hüpft auf in Lust, Wie ein Vöglein in der Sonne. Solche Lust, -- Herz! währt nicht lange, Herz! Das ist nur ein Erglühn Vor dem gänzlichen Verblüh'n Unterm Hügel kalt und bange! Herbſtgefuͤhl. Wie mit Gold die Waͤlder prangen, Roſen gleich die Baͤum' erbluͤh'n! Erde will wie Himmel gluͤh'n, Eh ſie ſtarr liegt und vergangen. Goldne Himmelsburgen tragen Die Gebirg' in ſtolzer Pracht, Drinnen wandeln laͤngſt erwacht Ritter und Frau'n aus alten Tagen. Der verklaͤrten Erde Wonne Fuͤllt mit Licht auch meine Bruſt, Und das Herz huͤpft auf in Luſt, Wie ein Voͤglein in der Sonne. Solche Luſt, — Herz! waͤhrt nicht lange, Herz! Das iſt nur ein Ergluͤhn Vor dem gaͤnzlichen Verbluͤh'n Unterm Huͤgel kalt und bange! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0055" n="43"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Herbſtgefuͤhl</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Wie mit Gold die Waͤlder prangen,</l><lb/> <l>Roſen gleich die Baͤum' erbluͤh'n!</l><lb/> <l>Erde will wie Himmel gluͤh'n,</l><lb/> <l>Eh ſie ſtarr liegt und vergangen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Goldne Himmelsburgen tragen</l><lb/> <l>Die Gebirg' in ſtolzer Pracht,</l><lb/> <l>Drinnen wandeln laͤngſt erwacht</l><lb/> <l>Ritter und Frau'n aus alten Tagen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Der verklaͤrten Erde Wonne</l><lb/> <l>Fuͤllt mit Licht auch meine Bruſt,</l><lb/> <l>Und das Herz huͤpft auf in Luſt,</l><lb/> <l>Wie ein Voͤglein in der Sonne.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Solche Luſt, — Herz! waͤhrt nicht lange,</l><lb/> <l>Herz! Das iſt nur ein Ergluͤhn</l><lb/> <l>Vor dem gaͤnzlichen Verbluͤh'n</l><lb/> <l>Unterm Huͤgel kalt und bange!</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [43/0055]
Herbſtgefuͤhl.
Wie mit Gold die Waͤlder prangen,
Roſen gleich die Baͤum' erbluͤh'n!
Erde will wie Himmel gluͤh'n,
Eh ſie ſtarr liegt und vergangen.
Goldne Himmelsburgen tragen
Die Gebirg' in ſtolzer Pracht,
Drinnen wandeln laͤngſt erwacht
Ritter und Frau'n aus alten Tagen.
Der verklaͤrten Erde Wonne
Fuͤllt mit Licht auch meine Bruſt,
Und das Herz huͤpft auf in Luſt,
Wie ein Voͤglein in der Sonne.
Solche Luſt, — Herz! waͤhrt nicht lange,
Herz! Das iſt nur ein Ergluͤhn
Vor dem gaͤnzlichen Verbluͤh'n
Unterm Huͤgel kalt und bange!
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