Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Poet.
Ha! wie ist mir doch zu Muthe
Jetzt in diesen Frühlingszeiten!
Fühl' ich nicht in meinem Blute
Wunderbares Sehnen, Streiten,
Duften, Singen, Grünen, Blüh'n,
Himmel golden, purpurn, blau.
Rosen, Lilien auf der Au.
Aber auf in ferne Weiten
Treibts mich wie den Blüthenstamm,
Zweige meine Arme breiten
Sich gen Himmel wundersam.
Meine Füße nimmer schreiten,
Wurzeln in die warme Erde,
Und nun ist's nicht zu bestreiten,
Daß ich selbst zur Blume werde.
(Der Gärtner, der ihn belauscht, tritt hervor.)
Der Gärtner.
Gott willkommen, mein Vielgeliebter! wollt ihr des
schönen Abends genießen, der Düfte von Blumen und
Kräutern -- -- aber -- -- wie seht ihr aus! Himmel!
Der Poet.
Ja! und wie ist mir!
Der Gärtner.
Ihr seht ganz wunderbar aus, grün, gelb, und kommt
mir vor, wie -- eine Sonnenblume.
Der Poet.
Ja! und so ist mir!
Der Gärtner.
Und wie ist es euch denn, Vielgeliebter?
Der Poet.
Ha! wie iſt mir doch zu Muthe
Jetzt in dieſen Fruͤhlingszeiten!
Fuͤhl' ich nicht in meinem Blute
Wunderbares Sehnen, Streiten,
Duften, Singen, Gruͤnen, Bluͤh'n,
Himmel golden, purpurn, blau.
Roſen, Lilien auf der Au.
Aber auf in ferne Weiten
Treibts mich wie den Bluͤthenſtamm,
Zweige meine Arme breiten
Sich gen Himmel wunderſam.
Meine Fuͤße nimmer ſchreiten,
Wurzeln in die warme Erde,
Und nun iſt's nicht zu beſtreiten,
Daß ich ſelbſt zur Blume werde.
(Der Gaͤrtner, der ihn belauſcht, tritt hervor.)
Der Gaͤrtner.
Gott willkommen, mein Vielgeliebter! wollt ihr des
ſchoͤnen Abends genießen, der Duͤfte von Blumen und
Kraͤutern — — aber — — wie ſeht ihr aus! Himmel!
Der Poet.
Ja! und wie iſt mir!
Der Gaͤrtner.
Ihr ſeht ganz wunderbar aus, gruͤn, gelb, und kommt
mir vor, wie — eine Sonnenblume.
Der Poet.
Ja! und ſo iſt mir!
Der Gaͤrtner.
Und wie iſt es euch denn, Vielgeliebter?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0216" n="204"/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Poet</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ha! wie i&#x017F;t mir doch zu Muthe<lb/>
Jetzt in die&#x017F;en Fru&#x0364;hlingszeiten!<lb/>
Fu&#x0364;hl' ich nicht in meinem Blute<lb/>
Wunderbares Sehnen, Streiten,<lb/>
Duften, Singen, Gru&#x0364;nen, Blu&#x0364;h'n,<lb/>
Himmel golden, purpurn, blau.<lb/>
Ro&#x017F;en, Lilien auf der Au.<lb/>
Aber auf in ferne Weiten<lb/>
Treibts mich wie den Blu&#x0364;then&#x017F;tamm,<lb/>
Zweige meine Arme breiten<lb/>
Sich gen Himmel wunder&#x017F;am.<lb/>
Meine Fu&#x0364;ße nimmer &#x017F;chreiten,<lb/>
Wurzeln in die warme Erde,<lb/>
Und nun i&#x017F;t's nicht zu be&#x017F;treiten,<lb/>
Daß ich &#x017F;elb&#x017F;t zur Blume werde.</p>
          </sp><lb/>
          <stage>(<hi rendition="#g">Der Ga&#x0364;rtner</hi>, der ihn belau&#x017F;cht, tritt hervor.)</stage><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Ga&#x0364;rtner</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Gott willkommen, mein Vielgeliebter! wollt ihr des<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Abends genießen, der Du&#x0364;fte von Blumen und<lb/>
Kra&#x0364;utern &#x2014; &#x2014; aber &#x2014; &#x2014; wie &#x017F;eht ihr aus! Himmel!</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Poet</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ja! und wie i&#x017F;t mir!</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Ga&#x0364;rtner</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ihr &#x017F;eht ganz wunderbar aus, gru&#x0364;n, gelb, und kommt<lb/>
mir vor, wie &#x2014; eine Sonnenblume.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Poet</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ja! und &#x017F;o i&#x017F;t mir!</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Ga&#x0364;rtner</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Und wie i&#x017F;t es euch denn, Vielgeliebter?</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0216] Der Poet. Ha! wie iſt mir doch zu Muthe Jetzt in dieſen Fruͤhlingszeiten! Fuͤhl' ich nicht in meinem Blute Wunderbares Sehnen, Streiten, Duften, Singen, Gruͤnen, Bluͤh'n, Himmel golden, purpurn, blau. Roſen, Lilien auf der Au. Aber auf in ferne Weiten Treibts mich wie den Bluͤthenſtamm, Zweige meine Arme breiten Sich gen Himmel wunderſam. Meine Fuͤße nimmer ſchreiten, Wurzeln in die warme Erde, Und nun iſt's nicht zu beſtreiten, Daß ich ſelbſt zur Blume werde. (Der Gaͤrtner, der ihn belauſcht, tritt hervor.) Der Gaͤrtner. Gott willkommen, mein Vielgeliebter! wollt ihr des ſchoͤnen Abends genießen, der Duͤfte von Blumen und Kraͤutern — — aber — — wie ſeht ihr aus! Himmel! Der Poet. Ja! und wie iſt mir! Der Gaͤrtner. Ihr ſeht ganz wunderbar aus, gruͤn, gelb, und kommt mir vor, wie — eine Sonnenblume. Der Poet. Ja! und ſo iſt mir! Der Gaͤrtner. Und wie iſt es euch denn, Vielgeliebter?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/216
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/216>, abgerufen am 27.11.2024.