Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Da lieg' ich ach in Augsburg
Gefangen auf der Wacht.
Und morgens muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schwank' ich in freyer Luft.
(Er zieht vorüber).
Zwei Knaben mit einem papiernen Drachen erscheinen.
Erster Knabe.
Jezt weht der Wind! Das wird herrlich seyn!
Die Schnur ist gar entsetzlich lange.
Soll ich springen?
Zweiter Knabe.
Spring! (Für sich)
Mir wird bange.
Der Drache fliegt in den Himmel hinein
Und stört die Engel im Gesange.

Geht ab.
Ein Handwerker mit seinem Kinde erscheint.
Das Kind.
Aber die Vögel die pfeifen heut laut!
Sie springen herum im Gras und im Kraut
Sie fliegen hinaus in alle Weit!
Der Vater.
Närrchen! Drum ist es Sonntag heut.
Ein Schmetterling fliegt herbey.
Das Kind.
Ey! ey! das ist ein prächtig Ding!
Da lieg' ich ach in Augsburg
Gefangen auf der Wacht.
Und morgens muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schwank' ich in freyer Luft.
(Er zieht voruͤber).
Zwei Knaben mit einem papiernen Drachen erſcheinen.
Erſter Knabe.
Jezt weht der Wind! Das wird herrlich ſeyn!
Die Schnur iſt gar entſetzlich lange.
Soll ich ſpringen?
Zweiter Knabe.
Spring! (Fuͤr ſich)
Mir wird bange.
Der Drache fliegt in den Himmel hinein
Und ſtoͤrt die Engel im Geſange.

Geht ab.
Ein Handwerker mit ſeinem Kinde erſcheint.
Das Kind.
Aber die Voͤgel die pfeifen heut laut!
Sie ſpringen herum im Gras und im Kraut
Sie fliegen hinaus in alle Weit!
Der Vater.
Naͤrrchen! Drum iſt es Sonntag heut.
Ein Schmetterling fliegt herbey.
Das Kind.
Ey! ey! das iſt ein praͤchtig Ding!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0210" n="198"/>
Da lieg' ich ach in Augsburg<lb/>
Gefangen auf der Wacht.<lb/>
Und morgens muß ich hangen,<lb/>
Feinslieb mich nicht mehr ruft,<lb/>
Wohl morgen als ein Vogel<lb/>
Schwank' ich in freyer Luft.</p>
          </sp><lb/>
          <stage>(Er zieht voru&#x0364;ber).</stage><lb/>
          <stage><hi rendition="#g">Zwei Knaben</hi> mit einem papiernen Drachen er&#x017F;cheinen.</stage><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Knabe</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Jezt weht der Wind! Das wird herrlich &#x017F;eyn!<lb/>
Die Schnur i&#x017F;t gar ent&#x017F;etzlich lange.<lb/>
Soll ich &#x017F;pringen?</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Zweiter Knabe</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Spring!</p>
            <stage>(Fu&#x0364;r &#x017F;ich)</stage><lb/>
            <p>Mir wird bange.<lb/>
Der Drache fliegt in den Himmel hinein<lb/>
Und &#x017F;to&#x0364;rt die Engel im Ge&#x017F;ange.</p><lb/>
            <stage>Geht ab.</stage>
          </sp><lb/>
          <stage><hi rendition="#g">Ein Handwerker</hi> mit &#x017F;einem <hi rendition="#g">Kinde</hi> er&#x017F;cheint.</stage><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Das Kind</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Aber die Vo&#x0364;gel die pfeifen heut laut!<lb/>
Sie &#x017F;pringen herum im Gras und im Kraut<lb/>
Sie fliegen hinaus in alle Weit!</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Der Vater</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Na&#x0364;rrchen! Drum i&#x017F;t es Sonntag heut.</p>
          </sp><lb/>
          <stage>Ein Schmetterling fliegt herbey.</stage><lb/>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#g">Das Kind</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ey! ey! das i&#x017F;t ein pra&#x0364;chtig Ding!</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0210] Da lieg' ich ach in Augsburg Gefangen auf der Wacht. Und morgens muß ich hangen, Feinslieb mich nicht mehr ruft, Wohl morgen als ein Vogel Schwank' ich in freyer Luft. (Er zieht voruͤber). Zwei Knaben mit einem papiernen Drachen erſcheinen. Erſter Knabe. Jezt weht der Wind! Das wird herrlich ſeyn! Die Schnur iſt gar entſetzlich lange. Soll ich ſpringen? Zweiter Knabe. Spring! (Fuͤr ſich) Mir wird bange. Der Drache fliegt in den Himmel hinein Und ſtoͤrt die Engel im Geſange. Geht ab. Ein Handwerker mit ſeinem Kinde erſcheint. Das Kind. Aber die Voͤgel die pfeifen heut laut! Sie ſpringen herum im Gras und im Kraut Sie fliegen hinaus in alle Weit! Der Vater. Naͤrrchen! Drum iſt es Sonntag heut. Ein Schmetterling fliegt herbey. Das Kind. Ey! ey! das iſt ein praͤchtig Ding!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/210
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/210>, abgerufen am 21.11.2024.