Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Der bange Traum. An Kreh.Von wilden Meereswogen Sah ich uns fortgezogen, Bey Nacht im Traume bang. Das Meer hieß: Meer der Mängel, Zwey Kinder lieb wie Engel Dein Vaterarm umschlang. Wie war der Himmel düstern! Aus Wolken hört' ich flüstern: "Laßt doch die Kindlein los! Ihr wohl schwimmt in der Trübe, Die aber nimmt in Liebe Dieß Eiland dort in Schooß." Ich hört' dich weinen, klagen,
Doch ferne sah ich tagen Ein Eiland licht und warm. Es thürmt' sich Well' auf Welle, Und riß die Kinder schnelle Dahin aus deinem Arm. Der bange Traum. An Kreh.Von wilden Meereswogen Sah ich uns fortgezogen, Bey Nacht im Traume bang. Das Meer hieß: Meer der Maͤngel, Zwey Kinder lieb wie Engel Dein Vaterarm umſchlang. Wie war der Himmel duͤſtern! Aus Wolken hoͤrt' ich fluͤſtern: „Laßt doch die Kindlein los! Ihr wohl ſchwimmt in der Truͤbe, Die aber nimmt in Liebe Dieß Eiland dort in Schooß.“ Ich hoͤrt' dich weinen, klagen,
Doch ferne ſah ich tagen Ein Eiland licht und warm. Es thuͤrmt' ſich Well' auf Welle, Und riß die Kinder ſchnelle Dahin aus deinem Arm. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0183" n="171"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Der bange Traum</hi>.</head><lb/> <l> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">An Kreh</hi>.</hi> </l><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Von wilden Meereswogen</l><lb/> <l>Sah ich uns fortgezogen,</l><lb/> <l>Bey Nacht im Traume bang.</l><lb/> <l>Das Meer hieß: Meer der Maͤngel,</l><lb/> <l>Zwey Kinder lieb wie Engel</l><lb/> <l>Dein Vaterarm umſchlang.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie war der Himmel duͤſtern!</l><lb/> <l>Aus Wolken hoͤrt' ich fluͤſtern:</l><lb/> <l>„Laßt doch die Kindlein los!</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Ihr</hi> wohl ſchwimmt in der Truͤbe,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Die</hi> aber nimmt in Liebe</l><lb/> <l>Dieß Eiland dort in Schooß.“</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich hoͤrt' dich weinen, klagen,</l><lb/> <l>Doch ferne ſah ich tagen</l><lb/> <l>Ein Eiland licht und warm.</l><lb/> <l>Es thuͤrmt' ſich Well' auf Welle,</l><lb/> <l>Und riß die Kinder ſchnelle</l><lb/> <l>Dahin aus deinem Arm.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </body> </text> </TEI> [171/0183]
Der bange Traum.
An Kreh.
Von wilden Meereswogen
Sah ich uns fortgezogen,
Bey Nacht im Traume bang.
Das Meer hieß: Meer der Maͤngel,
Zwey Kinder lieb wie Engel
Dein Vaterarm umſchlang.
Wie war der Himmel duͤſtern!
Aus Wolken hoͤrt' ich fluͤſtern:
„Laßt doch die Kindlein los!
Ihr wohl ſchwimmt in der Truͤbe,
Die aber nimmt in Liebe
Dieß Eiland dort in Schooß.“
Ich hoͤrt' dich weinen, klagen,
Doch ferne ſah ich tagen
Ein Eiland licht und warm.
Es thuͤrmt' ſich Well' auf Welle,
Und riß die Kinder ſchnelle
Dahin aus deinem Arm.
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/183>, abgerufen am 16.07.2024. |