Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Todtenopfer.

1.
Frisch aufgeblühet stand die Heimat wieder,
Versöhnt dich lieben Flüchtling zu empfangen,
Aus dunklem Grün mondhelle Blüten drangen,
Den Vögeln wuchs ein farbig neu Gefieder.
Aus wolk'gen Wäldern tönten ihre Lieder,
Im Thal, auf Bergen, Hirt und Hirtin sangen,
Es war als senkt' in aller Farben Prangen
Der reiche Himmel sich zur Erde nieder.
Und Arme waren ausgereckt in Freude,
Und Herzen schlugen sehnend dir entgegen,
Vom rauhen Norden solltest du erwarmen.
Da nahm dich uns der Tod mit blassem Neide.
Nun welke nur, du reicher Frühlingssegen!
Nichts frommst du mehr mit deinem Schmuck uns Armen.

Todtenopfer.

1.
Friſch aufgebluͤhet ſtand die Heimat wieder,
Verſoͤhnt dich lieben Fluͤchtling zu empfangen,
Aus dunklem Gruͤn mondhelle Bluͤten drangen,
Den Voͤgeln wuchs ein farbig neu Gefieder.
Aus wolk'gen Waͤldern toͤnten ihre Lieder,
Im Thal, auf Bergen, Hirt und Hirtin ſangen,
Es war als ſenkt' in aller Farben Prangen
Der reiche Himmel ſich zur Erde nieder.
Und Arme waren ausgereckt in Freude,
Und Herzen ſchlugen ſehnend dir entgegen,
Vom rauhen Norden ſollteſt du erwarmen.
Da nahm dich uns der Tod mit blaſſem Neide.
Nun welke nur, du reicher Fruͤhlingsſegen!
Nichts frommſt du mehr mit deinem Schmuck uns Armen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0123" n="111"/>
      <lg type="poem">
        <head><hi rendition="#g">Todtenopfer</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem" n="1">
          <head>1.</head><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Fri&#x017F;ch aufgeblu&#x0364;het &#x017F;tand die Heimat wieder,</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;o&#x0364;hnt dich lieben Flu&#x0364;chtling zu empfangen,</l><lb/>
            <l>Aus dunklem Gru&#x0364;n mondhelle Blu&#x0364;ten drangen,</l><lb/>
            <l>Den Vo&#x0364;geln wuchs ein farbig neu Gefieder.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Aus wolk'gen Wa&#x0364;ldern to&#x0364;nten ihre Lieder,</l><lb/>
            <l>Im Thal, auf Bergen, Hirt und Hirtin &#x017F;angen,</l><lb/>
            <l>Es war als &#x017F;enkt' in aller Farben Prangen</l><lb/>
            <l>Der reiche Himmel &#x017F;ich zur Erde nieder.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Und Arme waren ausgereckt in Freude,</l><lb/>
            <l>Und Herzen &#x017F;chlugen &#x017F;ehnend dir entgegen,</l><lb/>
            <l>Vom rauhen Norden &#x017F;ollte&#x017F;t du erwarmen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Da nahm dich uns der Tod mit bla&#x017F;&#x017F;em Neide.</l><lb/>
            <l>Nun welke nur, du reicher Fru&#x0364;hlings&#x017F;egen!</l><lb/>
            <l>Nichts fromm&#x017F;t du mehr mit deinem Schmuck uns Armen.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0123] Todtenopfer. 1. Friſch aufgebluͤhet ſtand die Heimat wieder, Verſoͤhnt dich lieben Fluͤchtling zu empfangen, Aus dunklem Gruͤn mondhelle Bluͤten drangen, Den Voͤgeln wuchs ein farbig neu Gefieder. Aus wolk'gen Waͤldern toͤnten ihre Lieder, Im Thal, auf Bergen, Hirt und Hirtin ſangen, Es war als ſenkt' in aller Farben Prangen Der reiche Himmel ſich zur Erde nieder. Und Arme waren ausgereckt in Freude, Und Herzen ſchlugen ſehnend dir entgegen, Vom rauhen Norden ſollteſt du erwarmen. Da nahm dich uns der Tod mit blaſſem Neide. Nun welke nur, du reicher Fruͤhlingsſegen! Nichts frommſt du mehr mit deinem Schmuck uns Armen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/123
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/123>, abgerufen am 22.11.2024.