Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Vogt Finsterlings Bauern-Ideal. O möchte mir ein treu Gemählde glücken Vom Bau'r, wie sich derselbe muß gestalten, Um uns, die wir das Richteramt verwalten, Die heil'ge Amtsehr' niemals zu verrücken! Dies Ideal steht lang mit krummem Rücken Vor uns den urtheilsprechenden Gewalten; Wir schreiben, sandeln, zieh'n die Stirn in Falten, Donnern: was giebt's?! Und es wagt auf zu blicken, Fragt weder was noch wie, was wir auch sagen. Wir sagen: "packt euch! theu'r sind unsre Stunden!!" Dann beugt sich's, geht und stirbt mit dem Gedanken: Es komme bald Bescheid auf seine Klagen. Vogt Finſterlings Bauern-Ideal. O moͤchte mir ein treu Gemaͤhlde gluͤcken Vom Bau'r, wie ſich derſelbe muß geſtalten, Um uns, die wir das Richteramt verwalten, Die heil'ge Amtsehr' niemals zu verruͤcken! Dies Ideal ſteht lang mit krummem Ruͤcken Vor uns den urtheilſprechenden Gewalten; Wir ſchreiben, ſandeln, zieh'n die Stirn in Falten, Donnern: was giebt's?! Und es wagt auf zu blicken, Fragt weder was noch wie, was wir auch ſagen. Wir ſagen: „packt euch! theu'r ſind unſre Stunden!!“ Dann beugt ſich's, geht und ſtirbt mit dem Gedanken: Es komme bald Beſcheid auf ſeine Klagen. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0116" n="104"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Vogt Finſterlings Bauern-Ideal</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <l>O moͤchte mir ein treu Gemaͤhlde gluͤcken</l><lb/> <l>Vom Bau'r, wie ſich derſelbe muß geſtalten,</l><lb/> <l>Um uns, die wir das Richteramt verwalten,</l><lb/> <l>Die heil'ge Amtsehr' niemals zu verruͤcken!</l><lb/> <l>Dies Ideal ſteht lang mit krummem Ruͤcken</l><lb/> <l>Vor uns den urtheilſprechenden Gewalten;</l><lb/> <l>Wir ſchreiben, ſandeln, zieh'n die Stirn in Falten,</l><lb/> <l>Donnern: was giebt's?! Und es wagt auf zu blicken,</l><lb/> <l>Fragt weder was noch wie, was wir auch ſagen.</l><lb/> <l>Wir ſagen: „packt euch! theu'r ſind unſre Stunden!!“</l><lb/> <l>Dann beugt ſich's, geht und ſtirbt mit dem Gedanken:</l><lb/> <l>Es komme bald Beſcheid auf ſeine Klagen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Vogt Finſterlings Bauern-Ideal.
O moͤchte mir ein treu Gemaͤhlde gluͤcken
Vom Bau'r, wie ſich derſelbe muß geſtalten,
Um uns, die wir das Richteramt verwalten,
Die heil'ge Amtsehr' niemals zu verruͤcken!
Dies Ideal ſteht lang mit krummem Ruͤcken
Vor uns den urtheilſprechenden Gewalten;
Wir ſchreiben, ſandeln, zieh'n die Stirn in Falten,
Donnern: was giebt's?! Und es wagt auf zu blicken,
Fragt weder was noch wie, was wir auch ſagen.
Wir ſagen: „packt euch! theu'r ſind unſre Stunden!!“
Dann beugt ſich's, geht und ſtirbt mit dem Gedanken:
Es komme bald Beſcheid auf ſeine Klagen.
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/116>, abgerufen am 16.02.2025. |