Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.Sie hatte das Gefühl von diesem Dämon nur in der In solchen Anfällen war ihr Puls ganz unterdrückt. Entsetzlich war die Anstrengung, sollte sie Mittel, die anti- Sie durfte nie etwas anderes als Wassersuppe von schwar- Betete man über sie und legte ihr die Hände auf, tobte je- Dieser magnetische Zustand wechselte äußerst schnell mit dem Sie hatte das Gefühl von dieſem Dämon nur in der In ſolchen Anfällen war ihr Puls ganz unterdrückt. Entſetzlich war die Anſtrengung, ſollte ſie Mittel, die anti- Sie durfte nie etwas anderes als Waſſerſuppe von ſchwar- Betete man über ſie und legte ihr die Hände auf, tobte je- Dieſer magnetiſche Zuſtand wechſelte äußerſt ſchnell mit dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0094" n="80"/> <p>Sie hatte das Gefühl von dieſem Dämon nur in der<lb/> linken Seite.</p><lb/> <p>In ſolchen Anfällen war ihr Puls ganz unterdrückt.</p><lb/> <p>Entſetzlich war die Anſtrengung, ſollte ſie Mittel, die anti-<lb/> dämoniſch wirkten, namentlich Pulver und Thee von Johan-<lb/> niskraut, nehmen. Sie konnte dieſes meiſtens nur knieend und<lb/> nach vorausgeſchicktem Gebet erzwingen. Der Dämon ſuchte<lb/> da mit aller Macht ſie am Knieen zu verhindern, ſo daß ſie<lb/> oft wie ſchwebend war, und wollte ſie beten, ſtellte er ihre<lb/> Kinnbacken oder zwang ſie zu einem teufliſchen Gelächter. Oft<lb/> bließ er ihr auch ihren Bauch bis zur Härte einer geſpannten<lb/> Trommel auf. So verhinderte ſie auch der Dämon ſehr oft<lb/> am Eſſen. Sobald ſie den Löffel an den Mund brachte, tauchte<lb/> er dann auf in ihr und drehte ihr den Löffel vor dem Munde<lb/> um und ſtieß ihr den leeren Löffel in den Hals, daß das Blut<lb/> nachlief.</p><lb/> <p>Sie durfte nie etwas anderes als Waſſerſuppe von ſchwar-<lb/> zem Brode eſſen, ſobald ſie etwas Beſſeres aß, tauchte der<lb/> Dämon in ihr auf und ſchrie: „Das Luder ſoll nichts Gutes<lb/> eſſen“ und drehte ihr den Löffel herum. Oft ſchrie er: „Kre-<lb/> piren ſoll ſie!“ und dergleichen. Sie faſtete oft zwey bis<lb/> drey Tage lang durchaus ohne einen Biſſen Speiſe zu ſich<lb/> zu nehmen, ohne einen Tropfen zu trinken. In ſolchen Tagen<lb/> blieb der Dämon am ruhigſten.</p><lb/> <p>Betete man über ſie und legte ihr die Hände auf, tobte je-<lb/> desmal der Dämon auf’s ſchrecklichſte. Während ſolcher Hand-<lb/> lungen ſchrie er beſtändig aus ihr: „Ich will nicht fort! Du<lb/> bringſt mich nicht fort! Krepiren ſoll das Luder.“ —</p><lb/> <p>Dieſer magnetiſche Zuſtand wechſelte äußerſt ſchnell mit dem<lb/> wachen, welcher letztere beſonders dadurch erkannt wurde,<lb/> daß ſie die Augen öffnete (im kakodämoniſch-magnetiſchen<lb/> hatte ſie die Augen geſchloſſen) und nun keine ſolche dämoni-<lb/> ſche Reden mehr von ihr ausgingen, dagegen aber wurden<lb/> nun oft die Stöße und Schüttelungen in ihren Gliedern und<lb/> beſonders die des Kopfes, nur noch heftiger, welches ihr als<lb/> wachend große Schmerzen verurſachte und ihr ſehr arg war.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [80/0094]
Sie hatte das Gefühl von dieſem Dämon nur in der
linken Seite.
In ſolchen Anfällen war ihr Puls ganz unterdrückt.
Entſetzlich war die Anſtrengung, ſollte ſie Mittel, die anti-
dämoniſch wirkten, namentlich Pulver und Thee von Johan-
niskraut, nehmen. Sie konnte dieſes meiſtens nur knieend und
nach vorausgeſchicktem Gebet erzwingen. Der Dämon ſuchte
da mit aller Macht ſie am Knieen zu verhindern, ſo daß ſie
oft wie ſchwebend war, und wollte ſie beten, ſtellte er ihre
Kinnbacken oder zwang ſie zu einem teufliſchen Gelächter. Oft
bließ er ihr auch ihren Bauch bis zur Härte einer geſpannten
Trommel auf. So verhinderte ſie auch der Dämon ſehr oft
am Eſſen. Sobald ſie den Löffel an den Mund brachte, tauchte
er dann auf in ihr und drehte ihr den Löffel vor dem Munde
um und ſtieß ihr den leeren Löffel in den Hals, daß das Blut
nachlief.
Sie durfte nie etwas anderes als Waſſerſuppe von ſchwar-
zem Brode eſſen, ſobald ſie etwas Beſſeres aß, tauchte der
Dämon in ihr auf und ſchrie: „Das Luder ſoll nichts Gutes
eſſen“ und drehte ihr den Löffel herum. Oft ſchrie er: „Kre-
piren ſoll ſie!“ und dergleichen. Sie faſtete oft zwey bis
drey Tage lang durchaus ohne einen Biſſen Speiſe zu ſich
zu nehmen, ohne einen Tropfen zu trinken. In ſolchen Tagen
blieb der Dämon am ruhigſten.
Betete man über ſie und legte ihr die Hände auf, tobte je-
desmal der Dämon auf’s ſchrecklichſte. Während ſolcher Hand-
lungen ſchrie er beſtändig aus ihr: „Ich will nicht fort! Du
bringſt mich nicht fort! Krepiren ſoll das Luder.“ —
Dieſer magnetiſche Zuſtand wechſelte äußerſt ſchnell mit dem
wachen, welcher letztere beſonders dadurch erkannt wurde,
daß ſie die Augen öffnete (im kakodämoniſch-magnetiſchen
hatte ſie die Augen geſchloſſen) und nun keine ſolche dämoni-
ſche Reden mehr von ihr ausgingen, dagegen aber wurden
nun oft die Stöße und Schüttelungen in ihren Gliedern und
beſonders die des Kopfes, nur noch heftiger, welches ihr als
wachend große Schmerzen verurſachte und ihr ſehr arg war.
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