Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.that es in ihr einen, allen Anwesenden hörbaren Knall, Ich lernte bald in ihr eine sehr brave, durch viele Lei- Den Widerspruch, daß ihr Leiden nicht von Dämonen that es in ihr einen, allen Anweſenden hörbaren Knall, Ich lernte bald in ihr eine ſehr brave, durch viele Lei- Den Widerſpruch, daß ihr Leiden nicht von Dämonen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="77"/> that es in ihr einen, allen Anweſenden hörbaren Knall,<lb/> worauf ſie rücklings umfiel, und wie ſcheintodt eine Viertel-<lb/> ſtunde dalag, worauf ſie wieder erwachte und ſich vom<lb/> Dämon befreit fühlte. Sie wurde hierauf, da das Amt<lb/> den Bauern über ſeine Heilungsverſuche zu Rede ſtellte,<lb/> in ihre Heimath gebracht, wo der noch in ihr zurückgeblie-<lb/> bene zweyte Dämon, der ſich noch nicht bekehrt hatte, nach-<lb/> dem er ihr nur wenige Tage Ruhe ließ, bald aufs heftigſte<lb/> aber wieder auf eine ganz andere Art als der vorige in ihr<lb/> wüthete. Gerne hätte man den Bauern wieder zu Hülfe<lb/> gerufen, aber dieſer wurde in amtliche Unterſuchung gezo-<lb/> gen, bey der er ſich aber ſo gut vertheidigte, daß man ihm<lb/> blos unterſagen konnte, inskünftige derley Kuren ohne Arzt<lb/> zu unternehmen. Die Frau hoffte nun, auf den Rath eines<lb/> Arztes, der abermals vergebliche Heilungsverſuche bey ihr<lb/> gemacht hatte, bey <hi rendition="#g">mir</hi> durch magnetiſches Einwirken Hülfe<lb/> zu finden, und kam in Begleitung ihres Mannes am 23.<lb/> Februar 1833 in mein Haus.</p><lb/> <p>Ich lernte bald in ihr eine ſehr brave, durch viele Lei-<lb/> den geprüfte, gottvertrauende Frau kennen. Ihr Körper<lb/> war ſehr verzehrt. Ihre Augen hatten einen beſondern ge-<lb/> ſpenſtiſchen Schein (Stechblick) ſie fühlte immer Schmerzen<lb/> in ihnen und behauptete, aus ihren Augen hätten die Dä-<lb/> monen immer geſehen.</p><lb/> <p>Den Widerſpruch, daß ihr Leiden nicht von Dämonen<lb/> herrühre, konnte ſie wohl ertragen, ſie ſagte: „Es iſt mir<lb/> gleichgültig, für was man es hält, wenn es nur ein Ende<lb/> nehmen würde.“ Außer ihren Anfällen bemerkte man an ihr<lb/> nicht die mindeſte Seelenſtörung; dieſe traten ohne alle<lb/> körperliche Veranlaſſung und ohne Vorausempfindung ein.<lb/> Gemeiniglich erhielt ſie plötzlich Schüttelungen durch den<lb/> ganzen Körper, ſchloß die Augen und nun ſprach der Dä-<lb/> mon aus ihr, der ſich für einen vor fünfzehn Jahren ſich<lb/> erhängt habenden Müller von J. ausgab. Die Frau hatte<lb/> dieſen Müller in ihrem Leben nie gekannt und als er den<lb/> Mord an ſich verübt hatte, war ſie noch ganz jung. Die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0091]
that es in ihr einen, allen Anweſenden hörbaren Knall,
worauf ſie rücklings umfiel, und wie ſcheintodt eine Viertel-
ſtunde dalag, worauf ſie wieder erwachte und ſich vom
Dämon befreit fühlte. Sie wurde hierauf, da das Amt
den Bauern über ſeine Heilungsverſuche zu Rede ſtellte,
in ihre Heimath gebracht, wo der noch in ihr zurückgeblie-
bene zweyte Dämon, der ſich noch nicht bekehrt hatte, nach-
dem er ihr nur wenige Tage Ruhe ließ, bald aufs heftigſte
aber wieder auf eine ganz andere Art als der vorige in ihr
wüthete. Gerne hätte man den Bauern wieder zu Hülfe
gerufen, aber dieſer wurde in amtliche Unterſuchung gezo-
gen, bey der er ſich aber ſo gut vertheidigte, daß man ihm
blos unterſagen konnte, inskünftige derley Kuren ohne Arzt
zu unternehmen. Die Frau hoffte nun, auf den Rath eines
Arztes, der abermals vergebliche Heilungsverſuche bey ihr
gemacht hatte, bey mir durch magnetiſches Einwirken Hülfe
zu finden, und kam in Begleitung ihres Mannes am 23.
Februar 1833 in mein Haus.
Ich lernte bald in ihr eine ſehr brave, durch viele Lei-
den geprüfte, gottvertrauende Frau kennen. Ihr Körper
war ſehr verzehrt. Ihre Augen hatten einen beſondern ge-
ſpenſtiſchen Schein (Stechblick) ſie fühlte immer Schmerzen
in ihnen und behauptete, aus ihren Augen hätten die Dä-
monen immer geſehen.
Den Widerſpruch, daß ihr Leiden nicht von Dämonen
herrühre, konnte ſie wohl ertragen, ſie ſagte: „Es iſt mir
gleichgültig, für was man es hält, wenn es nur ein Ende
nehmen würde.“ Außer ihren Anfällen bemerkte man an ihr
nicht die mindeſte Seelenſtörung; dieſe traten ohne alle
körperliche Veranlaſſung und ohne Vorausempfindung ein.
Gemeiniglich erhielt ſie plötzlich Schüttelungen durch den
ganzen Körper, ſchloß die Augen und nun ſprach der Dä-
mon aus ihr, der ſich für einen vor fünfzehn Jahren ſich
erhängt habenden Müller von J. ausgab. Die Frau hatte
dieſen Müller in ihrem Leben nie gekannt und als er den
Mord an ſich verübt hatte, war ſie noch ganz jung. Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |