kommen, sagte ihr der Geistliche: da sie nicht von seiner Con- fession seye, solle sie nur allein in die Kirche gehen und für sich selbst beten. Aber als sie unter das Thor der Kirche kam, stieß sie der Dämon furchtbar und wollte sie nicht eintreten lassen, bis sie endlich der Dechant unter dem Arme ergriff und hineinführte. Sie betete nun da allein vor dem Altar zwey Tage, jedesmal mehrere Stunden lang, kein vorgeschriebenes Gebet, sondern frey aus dem Herzen. Da- durch blieb der Dämon acht Wochen lang niedergedrückt, während welcher sie auch nieder kam, aber dann stellte er sich wieder in ihrem Kindbett und während des Säugens auf's schauerlichste mit Schlagen, Fluchen und Toben ein. Wenn sie ihren Säugling auf die Arme nahm, konnte der Dämon nichts machen, die Unschuld dieses Kindes schien gegen ihn zu wirken. So wirkte auch der Einfluß des ältern Kindes niederdrückend und störend auf den Dämon, aber einmal schlug er es aus Rache mit den Fäusten der Mutter, als es mit der Mutter niederkniete und für ihre Gesundheit zu Gott betete.
Fünf Monate lang brauchte man ihr nun wieder ärzt- liche Mittel aller Art (z. E. bella donna, assa foetida, vale- riana, cuprum sulphur. ammon, stramonium etc., drastische Purganzen, Ausschläge etc.) allein ihr Zustand blieb sich bey all diesen Mitteln, als wären sie nur Wasser gewesen, durchaus gleich.
So nahm man nach fünf Monaten vergeblichen Me- dicinirens wieder zu geistlichen Mitteln Zuflucht, die bis jetzt doch wenigstens, wenn auch nicht Heilung, doch Minderung des Uebels verursacht hatten und brachte sie in die Kapelle nach O. Wegen Toben des Dämons mußte man sie durch mehrere Männer in diese Kapelle schleppen lassen. Da betete sie vor dem versammelten Volk mehrere Stunden lang vor dem Altar, bis sie wie scheintodt zurück- fiel, von den Umstehenden auch wirklich eine Weile für todt gehalten wurde, aber dann wieder erwachte und sich dann wirklich von dem Dämon befreyt glaubte. Aber schon
kommen, ſagte ihr der Geiſtliche: da ſie nicht von ſeiner Con- feſſion ſeye, ſolle ſie nur allein in die Kirche gehen und für ſich ſelbſt beten. Aber als ſie unter das Thor der Kirche kam, ſtieß ſie der Dämon furchtbar und wollte ſie nicht eintreten laſſen, bis ſie endlich der Dechant unter dem Arme ergriff und hineinführte. Sie betete nun da allein vor dem Altar zwey Tage, jedesmal mehrere Stunden lang, kein vorgeſchriebenes Gebet, ſondern frey aus dem Herzen. Da- durch blieb der Dämon acht Wochen lang niedergedrückt, während welcher ſie auch nieder kam, aber dann ſtellte er ſich wieder in ihrem Kindbett und während des Säugens auf’s ſchauerlichſte mit Schlagen, Fluchen und Toben ein. Wenn ſie ihren Säugling auf die Arme nahm, konnte der Dämon nichts machen, die Unſchuld dieſes Kindes ſchien gegen ihn zu wirken. So wirkte auch der Einfluß des ältern Kindes niederdrückend und ſtörend auf den Dämon, aber einmal ſchlug er es aus Rache mit den Fäuſten der Mutter, als es mit der Mutter niederkniete und für ihre Geſundheit zu Gott betete.
Fünf Monate lang brauchte man ihr nun wieder ärzt- liche Mittel aller Art (z. E. bella donna, assa foetida, vale- riana, cuprum sulphur. ammon, stramonium etc., draſtiſche Purganzen, Ausſchläge ꝛc.) allein ihr Zuſtand blieb ſich bey all dieſen Mitteln, als wären ſie nur Waſſer geweſen, durchaus gleich.
So nahm man nach fünf Monaten vergeblichen Me- dicinirens wieder zu geiſtlichen Mitteln Zuflucht, die bis jetzt doch wenigſtens, wenn auch nicht Heilung, doch Minderung des Uebels verurſacht hatten und brachte ſie in die Kapelle nach O. Wegen Toben des Dämons mußte man ſie durch mehrere Männer in dieſe Kapelle ſchleppen laſſen. Da betete ſie vor dem verſammelten Volk mehrere Stunden lang vor dem Altar, bis ſie wie ſcheintodt zurück- fiel, von den Umſtehenden auch wirklich eine Weile für todt gehalten wurde, aber dann wieder erwachte und ſich dann wirklich von dem Dämon befreyt glaubte. Aber ſchon
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kommen, ſagte ihr der Geiſtliche: da ſie nicht von ſeiner Con-
feſſion ſeye, ſolle ſie nur allein in die Kirche gehen und für
ſich ſelbſt beten. Aber als ſie unter das Thor der Kirche
kam, ſtieß ſie der Dämon furchtbar und wollte ſie nicht
eintreten laſſen, bis ſie endlich der Dechant unter dem Arme
ergriff und hineinführte. Sie betete nun da allein vor dem
Altar zwey Tage, jedesmal mehrere Stunden lang, kein
vorgeſchriebenes Gebet, ſondern frey aus dem Herzen. Da-
durch blieb der Dämon acht Wochen lang niedergedrückt,
während welcher ſie auch nieder kam, aber dann ſtellte er
ſich wieder in ihrem Kindbett und während des Säugens
auf’s ſchauerlichſte mit Schlagen, Fluchen und Toben ein.
Wenn ſie ihren Säugling auf die Arme nahm, konnte der
Dämon nichts machen, die Unſchuld dieſes Kindes ſchien
gegen ihn zu wirken. So wirkte auch der Einfluß des
ältern Kindes niederdrückend und ſtörend auf den Dämon,
aber einmal ſchlug er es aus Rache mit den Fäuſten der
Mutter, als es mit der Mutter niederkniete und für ihre
Geſundheit zu Gott betete.
Fünf Monate lang brauchte man ihr nun wieder ärzt-
liche Mittel aller Art (z. E. bella donna, assa foetida, vale-
riana, cuprum sulphur. ammon, stramonium etc., draſtiſche
Purganzen, Ausſchläge ꝛc.) allein ihr Zuſtand blieb ſich bey
all dieſen Mitteln, als wären ſie nur Waſſer geweſen,
durchaus gleich.
So nahm man nach fünf Monaten vergeblichen Me-
dicinirens wieder zu geiſtlichen Mitteln Zuflucht, die bis
jetzt doch wenigſtens, wenn auch nicht Heilung, doch
Minderung des Uebels verurſacht hatten und brachte ſie in
die Kapelle nach O. Wegen Toben des Dämons mußte
man ſie durch mehrere Männer in dieſe Kapelle ſchleppen
laſſen. Da betete ſie vor dem verſammelten Volk mehrere
Stunden lang vor dem Altar, bis ſie wie ſcheintodt zurück-
fiel, von den Umſtehenden auch wirklich eine Weile für
todt gehalten wurde, aber dann wieder erwachte und ſich
dann wirklich von dem Dämon befreyt glaubte. Aber ſchon
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/89>, abgerufen am 17.02.2025.
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