darf es mir getrost glauben, daß ich wohl gewußt habe, wie ich meine Erzählung hätte einrichten müssen, wenn sie die Zustimmung und den Beifall der Welt hätte erhalten sollen. Ich hätte sie nur als eine interessante Krankheits- geschichte geben dürfen, mit einigen psychologischen Re- sultaten und einigen Witzelein über die Absurditäten des Geisterspuks, des verbrannten Schnupftuchs u. s. w. Aber ich wollte nicht! Die Wahrheit ist mir wichtiger als das Urtheil der Welt, und ob ich gleich die Einwendungen, den Tadel, das mitleidige Achselzucken mancher Leser recht gut vorher sah -- (denn das ist ja so leicht vorher zu sehen) so konnte mich doch das alles nicht bewegen, meine Ueber- zeugung zu verläugnen. Freylich gestehe ich, daß in den kurzen Sätzen, mit welchen ich die Erzählung schloß, meine Ansicht nicht gehörig entwickelt ist, um den Schein des Wi- derspruchs zu entfernen, und ich will sie daher in einer spätern Schrift vollständiger begründen.
darf es mir getroſt glauben, daß ich wohl gewußt habe, wie ich meine Erzählung hätte einrichten müſſen, wenn ſie die Zuſtimmung und den Beifall der Welt hätte erhalten ſollen. Ich hätte ſie nur als eine intereſſante Krankheits- geſchichte geben dürfen, mit einigen pſychologiſchen Re- ſultaten und einigen Witzelein über die Abſurditäten des Geiſterſpuks, des verbrannten Schnupftuchs u. ſ. w. Aber ich wollte nicht! Die Wahrheit iſt mir wichtiger als das Urtheil der Welt, und ob ich gleich die Einwendungen, den Tadel, das mitleidige Achſelzucken mancher Leſer recht gut vorher ſah — (denn das iſt ja ſo leicht vorher zu ſehen) ſo konnte mich doch das alles nicht bewegen, meine Ueber- zeugung zu verläugnen. Freylich geſtehe ich, daß in den kurzen Sätzen, mit welchen ich die Erzählung ſchloß, meine Anſicht nicht gehörig entwickelt iſt, um den Schein des Wi- derſpruchs zu entfernen, und ich will ſie daher in einer ſpätern Schrift vollſtändiger begründen.
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darf es mir getroſt glauben, daß ich wohl gewußt habe,
wie ich meine Erzählung hätte einrichten müſſen, wenn ſie
die Zuſtimmung und den Beifall der Welt hätte erhalten
ſollen. Ich hätte ſie nur als eine intereſſante Krankheits-
geſchichte geben dürfen, mit einigen pſychologiſchen Re-
ſultaten und einigen Witzelein über die Abſurditäten des
Geiſterſpuks, des verbrannten Schnupftuchs u. ſ. w. Aber
ich wollte nicht! Die Wahrheit iſt mir wichtiger als das
Urtheil der Welt, und ob ich gleich die Einwendungen,
den Tadel, das mitleidige Achſelzucken mancher Leſer recht
gut vorher ſah — (denn das iſt ja ſo leicht vorher zu ſehen)
ſo konnte mich doch das alles nicht bewegen, meine Ueber-
zeugung zu verläugnen. Freylich geſtehe ich, daß in den
kurzen Sätzen, mit welchen ich die Erzählung ſchloß, meine
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/86>, abgerufen am 17.02.2025.
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