Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.der letzte gewesen ist. Sie blieb seither ganz gesund und Die Redaktion beginnt ihre Beleuchtung mit den Wor- Von dem Aberglauben gilt, was vom Reich Gottes --, der letzte geweſen iſt. Sie blieb ſeither ganz geſund und Die Redaktion beginnt ihre Beleuchtung mit den Wor- Von dem Aberglauben gilt, was vom Reich Gottes —, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0075" n="61"/> der <hi rendition="#g">letzte</hi> geweſen iſt. Sie blieb ſeither ganz geſund und<lb/> keine Spur von Geiſtererſcheinungen oder ſomnambulen Zu-<lb/> fällen zeigen ſich mehr. Erſt vor einigen Wochen wurde<lb/> ſie wieder von einer Krankheit befallen, durch welche ſie<lb/> am Sprechen gehindert wurde, und über welche der Her-<lb/> ausgeber dieſer Blätter eben Auskunft gab. Dieſe Krank-<lb/> heit iſt aber in ſo fern merkwürdig, als ſich dabey keine<lb/> Spur ihrer frühern Erſcheinungen des Beſeſſenſeyns, der Gei-<lb/> ſter u. ſ. w. mehr zeigten; ein Beweis, daß dieſes Mädchen<lb/> krank ſeyn kann, ohne ſolche Crſcheinungen zu haben, wie<lb/> man hätte vermuthen ſollen. Wenn Alles nur Folge ihres<lb/> krankhaften Körpers war, warum ſtellten ſich dieſe Erſchei-<lb/> nungen nicht mit der Krankheit wieder ein?</p><lb/> <p>Die Redaktion beginnt ihre Beleuchtung mit den Wor-<lb/> ten: „Das Hohenloh’ſche iſt <hi rendition="#g">bekanntermaßen</hi> ein Land,<lb/> in welchem noch viel Aberglauben herrſcht.“ Daß im Ho-<lb/> henloh’ſchen viel Aberglauben herrſcht, will ich nicht beſtrei-<lb/> ten, aber das Wörtchen <hi rendition="#g">bekanntermaßen</hi> deutet darauf<lb/> hin, wie wenn das Land durch ſeinen Aberglauben bekannt<lb/> wäre, oder wie wenn es ſich dadurch auszeichnete. Man<lb/> wird es mir verzeihen, wenn ich dieſe Beſchuldigung von<lb/> meinem lieben Hohenloh’ſchen Ländchen abzuwälzen ſuche.</p><lb/> <p>Von dem Aberglauben gilt, was vom Reich Gottes —,<lb/> man kann nicht ſagen, ſiehe hier iſt er, oder da iſt er,<lb/> denn er iſt inwendig im Menſchen, ſo weit auf Erden Men-<lb/> ſchen wohnen. Wir finden ihn in den Hütten der Wilden<lb/> wie in den Salons der gebildetſten Hauptſtädte der Welt,<lb/> er wohnt an der Spree wie an der Seine, und wird wohl<lb/> auch in Frankfurt ſeyn. Führen wir gen Himmel, ſo iſt<lb/> er da, und fliegt als Drache auf Sternſchnuppen herum,<lb/> ſegeln wir auf den Wellen des Meeres, ſo ſchwimmt er<lb/> auf dem ſchauerlichen Geiſterſchiff, betteten wir uns in den<lb/> Schooß der Erde, ſo ſchickt er uns ſeine Kobolde und Berg-<lb/> geiſter entgegen, denn er hat das Weltall mit ſeinen Ge-<lb/> ſtalten bevölkert. Der Aberglaube iſt ſo alt, wie die Menſch-<lb/> heit. Er ſtand in Aſien an der Wiege des Menſchenge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0075]
der letzte geweſen iſt. Sie blieb ſeither ganz geſund und
keine Spur von Geiſtererſcheinungen oder ſomnambulen Zu-
fällen zeigen ſich mehr. Erſt vor einigen Wochen wurde
ſie wieder von einer Krankheit befallen, durch welche ſie
am Sprechen gehindert wurde, und über welche der Her-
ausgeber dieſer Blätter eben Auskunft gab. Dieſe Krank-
heit iſt aber in ſo fern merkwürdig, als ſich dabey keine
Spur ihrer frühern Erſcheinungen des Beſeſſenſeyns, der Gei-
ſter u. ſ. w. mehr zeigten; ein Beweis, daß dieſes Mädchen
krank ſeyn kann, ohne ſolche Crſcheinungen zu haben, wie
man hätte vermuthen ſollen. Wenn Alles nur Folge ihres
krankhaften Körpers war, warum ſtellten ſich dieſe Erſchei-
nungen nicht mit der Krankheit wieder ein?
Die Redaktion beginnt ihre Beleuchtung mit den Wor-
ten: „Das Hohenloh’ſche iſt bekanntermaßen ein Land,
in welchem noch viel Aberglauben herrſcht.“ Daß im Ho-
henloh’ſchen viel Aberglauben herrſcht, will ich nicht beſtrei-
ten, aber das Wörtchen bekanntermaßen deutet darauf
hin, wie wenn das Land durch ſeinen Aberglauben bekannt
wäre, oder wie wenn es ſich dadurch auszeichnete. Man
wird es mir verzeihen, wenn ich dieſe Beſchuldigung von
meinem lieben Hohenloh’ſchen Ländchen abzuwälzen ſuche.
Von dem Aberglauben gilt, was vom Reich Gottes —,
man kann nicht ſagen, ſiehe hier iſt er, oder da iſt er,
denn er iſt inwendig im Menſchen, ſo weit auf Erden Men-
ſchen wohnen. Wir finden ihn in den Hütten der Wilden
wie in den Salons der gebildetſten Hauptſtädte der Welt,
er wohnt an der Spree wie an der Seine, und wird wohl
auch in Frankfurt ſeyn. Führen wir gen Himmel, ſo iſt
er da, und fliegt als Drache auf Sternſchnuppen herum,
ſegeln wir auf den Wellen des Meeres, ſo ſchwimmt er
auf dem ſchauerlichen Geiſterſchiff, betteten wir uns in den
Schooß der Erde, ſo ſchickt er uns ſeine Kobolde und Berg-
geiſter entgegen, denn er hat das Weltall mit ſeinen Ge-
ſtalten bevölkert. Der Aberglaube iſt ſo alt, wie die Menſch-
heit. Er ſtand in Aſien an der Wiege des Menſchenge-
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